Bochum/Schermbeck/Hünxe. Das Landgericht Bochum hat einen Müllmakler im Zusammenhang mit dem Ölpellets-Skandal in Schermbeck verurteilt. Welche Strafe ihn erwartet.
Wie man mit Müll illegal Millionen verdienen kann, brachte ein spektakulärer Prozess am Landgericht Bochum ans Tageslicht. Im Zusammenhang mit dem Umweltskandal in Schermbeck ist ein ehemaliger Abfallmakler am Mittwoch verurteilt worden, weil er „bösgläubig“ – wie es der vorsitzende Richter formulierte – tonnenweise hochgiftiges Material in die ehemalige Tongrube Mühlenberg fahren ließ oder zumindest davon Kenntnis hatte. Er habe von Beginn an gewusst, dass der Abfall nicht für eine Deponierung geeignet sei und zu keinem Zeitpunkt ungefährlich gewesen ist, so das Gericht.
Der 53-Jährige hatte die ihm vorgeworfenen Straftaten im Prozess weitgehend eingeräumt – und konnte damit einer Haftstrafe ohne Bewährung entgehen. Das war das Ergebnis einer formalen Verständigung zwischen Gericht, Verteidigung und Staatsanwaltschaft. Der Schermbecker bleibt also auf freiem Fuß. Die drei Richter plus zwei Schöffen der Wirtschaftsstrafkammer verurteilten ihn wegen vorsätzlichem unerlaubten Umgang mit Abfällen zu einem Jahr und elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung, die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgelegt. Zusätzlich muss er 720 Sozialstunden leisten.
Hochgiftige Material bei Nottenkämper nicht ordnungsgemäß entsorgt
Begonnen hatte der Mammut-Prozess, der nach einem BGH-Urteil neu aufgerollt werden musste, im Mai diesen Jahres. Der Verurteilte hatte im Laufe der 32 Hauptverhandlungstagen unter anderem zugegeben, dass ihm die Gefahr der Ölpellets (vor allem deren Belastung mit Mineralölen und Kohlenwasserstoffen) bekannt waren. Auch dass die Ölpellets aus der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven stammten, sei ihm jederzeit bewusst gewesen. Dem 53-jährigen Zwischenhändler war ebenfalls klar, dass das hochgiftige Material nicht ordnungsgemäß entsorgt werden würde.
Der Angeklagte hatte angeben, das bewusste Kontrollen auf Ölpellets bei der Hünxer Firma Nottenkämper nicht stattgefunden hätten. So landeten letztlich mindestens 25.000 Tonnen Ölpellets illegal in der ehemaligen Tongrube in Schermbeck-Gahlen. Nachzuweisen, dass er von dem Verbleib in der Tongrube wusste, waren dem 53-Jährigen davon aber „nur“ 23.700 Tonnen.
Einige Aspekte berücksichtige das Gericht strafmildernd: Dass die zwei Hauptverhandlungen für den Angeklagten eine besondere seelische Belastung gewesen seien, die inzwischen in einer depressiven Erkrankung und Migräneleiden gemündet sei. Auch eine bereits verbüßte Haftstrafe wegen Betruges aus dem Jahr 2015 wurde berücksichtigt. Außerdem hatte der 53-Jährige bei der Aufklärung eines sogenannten „Quecksilberkomplex“ mitgewirkt. Auch dass am Mühlenberg bisher keine Rückstände der Ölpellets nachgewiesen wurden, rechnete das Gericht dem Beschuldigten strafmildernd an.
Strafschärfend wirkte sich jedoch die hohe kriminelle Energie und das arbeitsteilige Vorgehen mit einem gesondert verfolgten Müllmakler, der als Prokurist für die Firma Nottenkämper tätig war, aus. Die große illegal entsorgte Abfallmenge sowie den langen Zeitraum vom 30. April 2010 bis zum 6. September 2013 wertete das Gericht ebenfalls negativ. Eingenommen habe der Verurteilte dabei 2,2 Millionen Euro.
Wie kam es überhaupt dazu, dass Kriminelle auf die Idee kamen, schadstoffbelastetes Material in die ehemalige Tongrube einzulagern? Dazu holte der Richter weit aus: Ursprünglich hatte die BP-Raffinerie die als Abfallprodukt entstehenden Ölpellets an ein benachbartes Kraftwerk wegen ihres hohen Brennwertes weiterverkauft. Aber als das Kraftwerk 2007 technisch einiges umstellte und keine Pellets mehr brauchte, blieb PB auf dem Öl-Ruß-Gemisch sitzen.
Umwelt und die Anwohner in Schermbeck sind die Leidtragenden
Eine „Task Force Pellets“ des Ölkonzerns suchte nach neuen Wegen, das „Giftzeug“ los zu werden. Wenig später kam der Angeklagte ins Spiel: Gegen gute Bezahlung nahm er regelmäßig viele Tonnen Ölpellets entgegen, lagerte sie unter anderem in Moers, Goch und Duisburg zwischen. Doch immer wieder kam es Selbstentzündungen, sodass er sich etwas anderes einfallen lassen musste.
Zusammen mit einem weiteren Angeklagten ließ der 53-Jährige das giftige Material mit anderen Stoffen vermischen – ganz offensichtlich, um die Herkunft zu verschleiern. Und er änderte einfach den „Abfallschlüssel“, der das Gemisch beispielsweise als harmlose „Sande und Steine“ deklarierte. So gelangen letztlich mindestens 1000 Lkw-Ladungen mit je 25 Tonnen Ölpellets in die Tongrube Mühlenberg.
„Die Leidtragen sind die Umwelt und die Bewohner der betroffenen Gemeinde“, sagte der vorsitzende Richter in der rund 75-minütigen Urteilsbegründung. Die Gahlener hätten jetzt unverschuldet und langanhaltend Sorge vor Gefahren in ihrem Lebensumfeld. Wie groß die Gefahr ist, die von den Ölpellets im Mühlenberg ausgeht, klärt zurzeit ein Gutachten, das das Umweltministerium des Landes NRW in Auftrag gegeben hat. Darin wird unter anderem untersucht, welche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nötig sind.