Schermbeck/Hünxe/Bochum. Der Ölpellets-Prozess am Landgericht Bochum läuft nun seit über zehn Verhandlungstagen. Der Hauptbeschuldigte reagiert zum Teil wütend.

Zwar liegen die Vorgänge schon rund zehn Jahre zurück, doch die juristische Aufarbeitung des Umweltskandals in Schermbeck liefert bei jedem Verhandlungstag neue Erkenntnisse, wie es zu der illegalen Entsorgung von giftigen Ölpellets in der ehemaligen Tongrube Mühlenberg an der Grenze zur Gemeinde Hünxe kommen konnte. Laut Prozessbeobachtern kamen nun viele Details an die Öffentlichkeit, die ein immer deutlicheres Bild von den Abläufen zeichnen.

Zeuge: „Alle haben an der Sache ganz gut verdient.“

Nach NRZ-Informationen äußerten sich mehrere Ermittler, aber auch damalige Mitarbeiter vor Gericht ganz konkret zu den Abläufen im Recyling-Zentrum Bochum (RZB), in dem offenbar die giftigen Rückstände aus der BP-Raffinerie in Gelsenkirchen-Scholven so vermischt und umdeklariert wurden, sodass sie letztlich in die Abgrabung in Gahlen gelangen konnten. Einige der Zeugenaussagen wirken wie Puzzleteilchen, die – zusammengesetzt zu einem Ganzen – das Bild eines kriminellen Netzwerks ergeben, das aus mindestens einer Handvoll Personen bestand. So bestätigte der damalige Betriebsleiter des RZB nun vor Gericht, der Hauptangeklagte habe ihm einmal gesagt, dass „alle an der Sache ganz gut dran verdient haben“. Dieser Zeuge belastete den Angeklagten schwer: Er legte zahlreiche Indizien vor, die den Schluss nahelegen, dass der Beschuldigte um die Qualität der Pellets und die Illegalität des von ihm gewählten Absteuerungswegs gewusst haben muss.

Kurios: Gegen das Anraten seines Anwalts begann der Angeklagte selbst den Zeugen zu befragen. Nachdem dem Beschuldigten die Antworten nicht gefielen, echauffierte er sich so sehr, dass die Verhandlung schließlich für rund fünf Minuten unterbrochen werden musste.

Der Hauptangeklagte steht beim Prozessauftakt zwischen seinen Rechtsanwälten Lars Brögeler (links) und Christian Tünnesen-Harmes am Landgericht Bochum.
Der Hauptangeklagte steht beim Prozessauftakt zwischen seinen Rechtsanwälten Lars Brögeler (links) und Christian Tünnesen-Harmes am Landgericht Bochum. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Der ehemalige Betriebsleiter berichtete zudem, kurz nach dem Auffliegen des Skandals sei es zu einem Gespräch zwischen ihm, dem Geschäftsführer des Reycling-Zentrums und dem Angeklagten gekommen – dabei habe er dem Hauptverdächtigen schwere Vorwürfe gemacht, worauf dieser erwidert habe, er könne ihm ja „eine reinhauen“, dies würde aber auch nichts an der Situation ändern.

Spannend waren laut Prozessbeobachtern auch die Aussagen eines Kripo-Beamten, der nach den Ölpellets in dem Reycling-Zentrum ermittelte und in diesem Zusammengang den damaligen Geschäftsführer befragte. Dieser gab ab, der habe dem Angeklagten ausdrücklich gesagt: „Das Material ist Scheiße!“ Daraufhin habe der angeklagte Müllmakler beschwichtigt und entgegnet, der Geschäftsführer solle das problematische Material „nur ausreichend mischen.“ Ein anderer Zeuge berichtete davon, der Hauptbeschuldigte habe einmal gesagt, die Ermittler könnten in dem Gahlener Mühlenberg auf der Suche nach den Ölpellets „ruhig buddeln“ – seine Begründung: Die giftigen Abfälle finde sowieso keiner mehr.

Sollten belastende Dokumente schnell vernichtet werden?

Interessant ist auch, wie die direkt Beteiligten nach Aufdeckung des Skandals handelten. Dazu sagte der ehemalige RZB-Betriebsleiter vor Gericht: Der Geschäftsführer habe die Anweisung gegeben, die Unterlagen des RZB zu kontrollieren und die Wiegekarten auf das Stichwort „Ölpellets“ zu durchsuchen – sobald diese Bezeichnung irgendwo zu lesen sei, solle die Wiegekarte vernichtet werden. (jok)