Schermbeck/Hünxe/Bochum. Ein verurteilter Mittäter gibt im Zeugenstand zu, in der Verhandlung gegen ihn bewusst gelogen zu haben. Wie der Müllmakler das begründet.

„Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, lautet eine Redensart. Gemeint ist damit, dass Berufs- oder Standesgenossen zusammenhalten und sich nicht gegenseitig anschwärzen. Trifft dies auch auf die beiden Hauptbeschuldigten im Schermbecker Umweltskandal zu? Dies sind zwei Müllmakler, die laut Anklage jahrelang eng zusammengearbeitet hatten und in dieser Zeit Millionen mit der illegalen Ablagerung von rund 30.000 Tonnen hochgiftiger Ölpellets in der ehemaligen Tongrube Mühlenberg der Hünxer Firma Nottenkämper in Schermbeck-Gahlen einnahmen.

Einer der beiden, ein 54-Jähriger, war im vergangenen Jahr verurteilt worden. Der damalige Angeklagte hatte die ihm vorgeworfenen Straftaten im Prozess weitgehend eingeräumt – und konnte damit einer Haftstrafe ohne Bewährung entgehen. Nun musste er aber als Zeuge im Verfahren gegen seinen ehemaligen Kompagnon, einen 61-jährigen ehemalige Abfallmakler aus Mülheim, vor dem Landgericht in Bochum aussagen. Und siehe da: Ein knappes Jahr nach dem Verfahren gegen sich selber stellt er nun die Dinge ganz anders dar mit der Begründung, im Zeugenstand müsse er ja schließlich die Wahrheit sagen.

Wahrheitswidrige Angaben als Angeklagter gemacht

Er begründete dies sogar weitergehend: Der Zeuge sagte ausdrücklich, er habe damals wahrheitswidrige Angaben gemacht, weil er aus der Untersuchungshaft herausgewollt habe. Sein Anwalt habe ihm seinerzeit erläutert, wenn er nichts sage, würde er bis zur Hauptverhandlung „drinbleiben“.

Der Tatort: In der ehemaligen Abgrabung Mühlenberg (hier ein Bild von Juli 2022) sind die 30.000 Tonnen Ölpellets illegal abgelagert worden.
Der Tatort: In der ehemaligen Abgrabung Mühlenberg (hier ein Bild von Juli 2022) sind die 30.000 Tonnen Ölpellets illegal abgelagert worden. © FFS | Hans Blossey

Im damaligen Verfahren hatte der jetzige Zeuge erklärt, er habe billigend in Kauf genommen, dass die Abfälle (illegalerweise) auch woanders als in der thermischen Verwertung landen könnten – also womöglich auch verbotenerweise in der Verfüllung der Schermbecker Tongrube, in die nur unbelastetes Material gedurft hätte. Nun behauptet der 54-Jährige, dass seine Anwälte ihm damals zu dieser Formulierung geraten hätten – das Geständnis sei jedoch nur taktisch gewesen.

Aussagen zu BP und der Bezirksregierung

Der 2022 verurteilte Komplize ergänzt dann noch, er habe gehört, dass man bei BP seinerzeit gesagt habe, man hätte keine Kapazitäten gehabt, die Ölpellets (einem Abfallprodukt der Raffinerie) abzusteuern (also loszuwerden). Zugleich wäre bei einer pausierten Absteuerung das Werk in Gelsenkirchen-Scholven aber stillzulegen gewesen. Es wäre dann zu einem Verlust von drei Millionen Euro pro Tag gekommen. Kurioserweise habe BP dann auch noch bis Anfang 2015 mit Billigung der Bezirksregierung unverändert abgesteuert.

Wird ihm das Gericht glauben? Ein anderes Sprichwort lautet nämlich: „Wer einmal lügt, wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“