Bochum/Schermbeck/Hünxe. Sollte ein Nottenkämper-Mitarbeiter bei der Lieferung der giftigen Ölpellets nicht so genau hinschauen? Eine Frage beim Prozess am Landgericht.
Spannender siebter Verhandlungstag zum Schermbecker Umweltskandal am Landgericht in Bochum gegen einen Ex-Müllmakler aus Mülheim. Als Zeuge sollte ein ehemaliger Nottenkämper-Mitarbeiter aussagen, der für die Kontrollen des angelieferten Materials zuständig war, und dadurch mehr Licht ins Dunkel bringen. Der ehemalige Laborant und spätere Betriebsleiter der Hünxer Firma bestätigte laut Prozessbeobachtern, er sei für die „Probeentnahme der angenommenen genehmigten Stoffe“ zuständig gewesen, also für die sogenannte „Eigenüberwachung“, bei der „kleine Parameter im hauseigenen Labor“ überprüft worden seien. Für größere Prüfungen seien externe Labore beauftragt worden.
Wer schon einmal auf dem riesigen Areal an der Eichenallee im Grenzgebiet zwischen Schermbeck und Hünxe war und miterlebt hat, wie teils im Minutentakt Lkw auf das Gelände fahren, fragt sich nach der Aufdeckung des Umweltskandals natürlich: Wieso fiel die illegale Anlieferung von rund 30.000 Tonnen hochgiftiger Ölpellets bei den Eingangskontrollen nicht auf? Oder sollte der Giftmüll gar nicht auffallen?
Auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters, wie Proben in der Praxis abgelaufen seien, gab der Zeuge an, dass er die Abfall-Nummern mit dem Abfallkatalog abgeglichen und dann die Grenzwerte verglichen habe. Es seien Proben entnommen, beprobt und dann aufbewahrt worden, hieß es.
In einem anderen Gerichtsverfahren hatte der Kontrolleur demnach angegeben, dass aufgrund von Krankheit und Zwölf-Stunden-Schichten nur eingeschränkt Proben entnommen wurden – es habe „allenfalls eine Plausibilitätskontrolle“ stattgefunden. Nun bestätigte der Zeuge, dass die Plausibilitätskontrolle das wichtigste Kriterium gewesen sei. Falls die Zuordnung zu den Abfallschlüsselnummern eindeutig gewesen sei, habe nur eine Sichtkontrolle stattfinden sollen.
Der Vorsitzende Richter fragte auch, was der damalige Nottenkämper-Mitarbeiter zu den Ölpellets sagen könne und ob der damit etwas zu tun habe. Der Befragte antwortete, dass er dazu faktisch nichts sagen könnte: Er habe die Ölpellets nicht bemerkt, erst nach konkreter Nachfrage durch den Kreis Wesel hätte er das erste Mal von dem Begriff gehört, also erstmals nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens davon erfahren.
Was lässt sich aus dem langen Schweigen ableiten?
Eine Beisitzende des Schöffengerichts fragte den Zeugen laut Beobachtern, ob der Angeklagte ihm gesagt hätte, dass er bei der Lieferung „nicht so genau hinschauen soll“. Auf diese Frage schwieg der Zeuge demnach erstmal eine Weile. Dann antwortete er, dass alles sehr lange her sei und er nicht der Einzige gewesen sei, der die Lieferungen kontrolliert hätte.
Auch der Oberstaatsanwalt wollte wissen, ob es Gespräche zwischen dem Zeugen und dem Angeklagten gegeben habe, bei denen der beschuldigte Müllmakler den Kontrolleur angewiesen habe, bei der Lieferung „nicht so genau hinzuschauen“. Der Zeuge erklärte daraufhin, dass er aus der Erinnerung heraus keinen konkreten Zeitpunkt nennen kann, wann ein solches Gespräch stattgefunden haben sollte.
Laut der Zeugenaussage des Nottenkämper-Mitarbeiters sei es dem Hauptbeschuldigten darum gegangen, dass es keine Auffälligkeiten bezüglich der Tongrube gebe. Auf weitere Nachfrage, ob dieser Grundtenor auch von anderen Personen kam, verwies der Kontrolleur in seiner Zeugenaussage auf ein Gespräch mit der Nottenkämper-Geschäftsführung. Der Kontrolleur sei darauf hingewiesen worden, seine Arbeit besonders sorgfältig zu machen.
Da die „Eichenallee“ (eine weitere Abgrabung) eine große Wichtigkeit für das Unternehmen habe, müsse alles korrekt ablaufen. Jegliche Fehler oder Auffälligkeiten sollten vermieden werden. Das Unternehmen Nottenkämper sei um einen korrekten Ablauf des Geschäfts bemüht gewesen. Irgendwie passt dazu, dass praktisch jeder verdreckte Lkw das teils schlammige Nottenkämper-Areal „blitzeblank“ verlässt, wenn er durch die „Lkw-Dusche“ fährt.
Wer aber genau bei diesem Umweltskandal wie viel „Dreck am Stecken hat“, versucht das Landgericht Bochum nun in den weiteren Verhandlungstagen zu ergründen.