Wesel: Weihnachtstrecker sind zum letzten Mal gefahren
•
Lesezeit: 5 Minuten
Wesel/Schermbeck. Die Aktion „Ein Funken Hoffnung“ ist im Kreis Wesel jetzt beendet. Die letzte Fahrt der Weihnachtstrecker führte von Schermbeck nach Wesel.
Wie kaum eine andere Berufsgruppe stehen Landwirte für Beständigkeit und Verlässlichkeit. Bewiesen haben sie das wieder einmal am vergangenen Donnerstag: Als es zauste und stürmte am Niederrhein, als es regnete und hagelte, als Weihnachtsmärkte geschlossen und Open-Air-Aktionen abgesagt wurden – da war es der Lichterzug der Landwirte, der trotzdem gefahren ist. Unter dem Motto „Ein Funken Hoffnung“ machten sich zum letzten Mal die Bauern aus dem Kreis Wesel mit ihren buntgeschmückten Traktoren am auf den Weg – vom Lühlerheim in Schermbeck über Obrighoven bis zur Rundsporthalle in Wesel.
„Wir wollten niemanden enttäuschen“
Natürlich, erklärt Organisator Gisbert Fuest, habe man zuvor das Wetter beobachtet und überlegt, ob man wirklich fahren kann, sich mit der Polizei abgestimmt, Vorkehrungen getroffen. „Wir hatten auch ein Räumfahrzeug dabei“, sagt Fuest. Das hätte im Notfall die Straßen von herabstürzenden Ästen befreien können. „Wir wollten niemanden enttäuschen“, erklärt Fuest – weder die Treckerfahrer, die die Aktion lange vorbereitet haben, noch die Menschen, die sich lange darauf gefreut haben.
Und so zogen sie los. Mit Lichterketten in allen Farben, bunten Sternen, Nikoläusen und leuchtenden Schneemännern verziert, setzten sich die 50 Trecker in Bewegung. Vorbei an Nachbarschaften, die es sich mit Glühwein vor der Tür bequem gemacht hatten, vorbei an Zuschauern, die es sich nicht nehmen lassen wollten, den „Weihnachtstreckern“ bei ihrer letzten Fahrt zuzuwinken. Wetterbedingt war an den Straßen zwar etwas weniger los als in den Vorjahren. Dennoch sagt Fuest: „Wir haben uns gewundert, dass doch so viele den Weg gefunden haben.“
Eine Extra-Runde auf dieser Route fahren die Bauern traditionell auf dem Parkplatz des evangelischen Krankenhauses, bevor es weiter in Richtung Rundsporthalle geht. Vorbei kommen die bunt geschmückten Traktoren dabei auch am Kati-Faßbender-Hospiz – für Gisbert Fuest eine der berührendsten Erfahrungen auf der Strecke: „Da waren alle Bewohner an den Fenstern und haben gewunken.“
Die eigentliche Botschaft ist untergegangen
Doch so schön die Aktion auch ist und so begeistert die Zuschauer von den leuchtenden und glitzernden Treckern sind, die Bauern bewerten die Aktion mit „einem lachenden und einem weinenden Auge“, wie Fuest erklärt. Denn abgesehen von der Freude, die sie den Menschen mit den Weihnachtstreckern machen möchten, geht es ihnen nun mal auch darum, auf ihre Situation aufmerksam zu machen, auf den Druck, unter dem sie stehen, politischerseits. „Das eigentliche Thema, das wir transportieren wollten, ist untergegangen“, hält Fuest fest.
In der Tat sind viele der Trecker eben nicht nur prächtig geschmückt, sondern tragen auch Schilder mit deutlichen Parolen. „Für viele Bauern ist der Funke schon erloschen“, heißt es auf einem, auf einem anderen „No Farmers, No Food, No Future.“ Doch bei den Zuschauern kommt wenig davon an. Vielmehr hatte es einen Hauch von Volksfest-Charakter, als ganze Familien mit Kindern und Großeltern an der Rundsporthalle staunend zwischen den Fahrzeugen umherliefen, fleißig fotografierten und die – nicht nur aus Kindersicht – riesigen Landmaschinen bewunderten.
Keine Fahrten mehr im kommenden Jahr
Letzte Weihnachts-Treckertour im Kreis Wesel
1/41
Für die Landwirte steht deshalb fest: „Nächstes Jahr fahren wir nicht mehr“, so Fuest. Und auch Svenja Stegemann vom Verein „Land sichert Versorgung“ (LsV), der die Fahrten unter dem Motto „Ein Funken Hoffnung“ initiiert hatte, beklagt die fehlende Unterstützung für die (politische) Sache. Zwar laufen bei ihr gerade Telefon und Email-Postfach heiß, sie berichtet von viel Zuspruch aus der Bevölkerung in den letzten Tagen, nur: „Das lag leider nicht am Funken.“ Die große Demo-Fahrt nach Berlin und die Autobahn-Blockaden in den vergangenen Tagen waren in dieser Hinsicht sehr viel ergiebiger.
Bei dem jüngsten großen Protest, das ist ihr wichtig zu betonen, gehe es auch gar nicht allein um das Thema Agrardiesel oder Steuer, „das waren einfach die Tropfen, die das Fass zum Überlaufen gebracht haben.“ Denn die Landwirte beklagen seit Jahren, dass sie politisch zu sehr in die Zange genommen werden. „Es ist nun mal Fakt, dass wir in Deutschland zu den weltweit höchsten Standards produzieren“, erläutert Stegemann. Doch gleichzeitig würden Waren importiert, die unter weniger strengen Vorgaben im Ausland produziert werden und deshalb auch günstiger sind: „Wir wären ja schon glücklich, wenn zumindest innerhalb der EU alle gleichbehandelt würden.“
Im neuen Jahr, so viel verrät sie schon, wollen die Bauern mit anderen Aktionen auf sich aufmerksam machen. Wer sich dann über langsam fahrende Trecker auf der Straße ärgert, für den hat sie einen Rat: „Stell dir vor, es sind Lichterketten am Trecker.“
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.