Wesel/Hamminkeln/Schermbeck. Zum Ende des Jahres soll die Herabsenkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie auslaufen. In Wesel und Umgebung sorgen sich Wirte um die Zukunft.

Große grüne Fahnen hängen dieser Tage vor dem Lippeschlösschen in Wesel. Sie sollen auf ein Problem aufmerksam machen, das nicht nur dessen Betreiber Ullrich Langhoff umtreibt, sondern der gesamten Branche Sorgenfalten ins Gesicht treibt: Im Zuge der Coronapandemie war die Umsatzsteuer für „Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen“ von 19 auf sieben Prozent herabgesetzt worden. Mehrfach wurde die Regelung verlängert, Stand jetzt soll sie aber zum Jahresende 2023 auslaufen.

Weitere Betriebsschließungen und Kündigungen drohen

„Es ist für die Branche und die Kollegen dringend nötig, die sieben Prozent aufrecht zu erhalten“, sagt Ullrich Langhoff und spricht dabei nicht nur als betroffener Gastronom, sondern auch als Dehoga-Vorsitzender für den Kreis Wesel. Denn die Rückkehr zu den 19 Prozent würde die meisten Betriebe dazu zwingen, die Preise anzuheben. „Das würde bedeuten, dass der ein oder andere Restaurantbesuch wegfällt“, führt Langhoff weiter aus. Betriebliche Kündigungen oder gar weitere Betriebsschließungen wären die Folge.

Denn schon jetzt ächzt die Branche bekanntlich unter den Folgen der Pandemie, hohen Energiepreisen, Fachkräftemangel und Inflation - verbliebene Gastronomen haben es mit Mühe und Not geschafft etwas Stabilität herzustellen. Langhoff selbst ist mit dem Lippeschlösschen, was den Umsatz angeht, noch immer 15 Prozent vom Vor-Corona-Jahr 2019 entfernt. Einen Grund dafür sieht er, neben all den genannten Problemen, auch darin, dass der innerdeutsche Tourismus nach den urlaubskargen Pandemiejahren abflacht. Eine Rückkehr zur 19-Prozent-Umsatzsteuer käme also zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

Wortelkamp-Wirt: „Das wird die Vollkatastrophe“

„Das wird die Vollkatastrophe“, findet auch Peter Schneider vom Landhaus Wortelkamp in Schermbeck-Damm deutliche Worte, wenn er auf die drohende Rückkehr zur erhöhten Umsatzsteuer blickt. „Wenn wir die zwölf Prozentpunkte wieder aufschlagen müssen, werden wir noch weniger Gäste haben.“ Und schon jetzt sei die Ware so teuer, „dass die Kalkulation nicht mehr passt.“

Sorgen bereitet ihm vor allem das A-la-Carte-Geschäft unter der Woche. Denn während bei den Feiern „eigentlich noch alles okay“ sei und das Landhaus auch am Wochenende stabile Gästezahlen verzeichnet, werden die Gästezahlen unter der Woche immer volatiler: „Manche Tage laufen gut, an anderen haste fünf Essen“, hält er fest. Sollte also die Rückkehr zu 19 Prozent kommen, sieht er nur eine Lösung: „Wir werden dann wohl in der Woche mittags zumachen.“ Seitdem viele Menschen im Homeoffice arbeiten, ist das Mittagsgeschäft ohnehin praktisch nicht mehr vorhanden.

Gastronomen fürchten Absterben der Familienunternehmen

Das Wort „Katastrophe“ nutzen fast alle Gastronomen, wenn sie auf das kommende Jahr mit der eventuell wieder angehobenen Umsatzsteuer blicken. So auch Birgit Hoffmann, Wirtin der Gaststätte „Zuhause bei Hoffmann“ in Hamminkeln-Dingden. Denn diese würde sie an die Gäste weitergeben müssen. Schon jetzt, sagt sie, müsste sie eigentlich viel mehr der Kosten auf die Gäste umlegen, versucht aber bisher viel „auf die eigene Kappe“ zu nehmen, um die Preise weiter auf Vor-Corona-Niveau zu halten. Wie viel sie im kommenden Jahr aufschlagen muss, habe sie zwar noch nicht genau ausgerechnet, aber ein bis zwei Euro pro Gericht werde es wohl sein, „wenn das ausreicht.“

Sorgen macht ihr die zu befürchtende Entwicklung vor allem mit Blick auf die mittelpreisigen, inhabergeführten Lokale. Für diese werde es unter diesen Bedingungen auch immer schwieriger Nachfolger zu finden, sodass Hoffmann deren Aussterben und die Umwandlung der Restaurant-Landschaft hin zu großen Ketten fürchtet. Ganz ähnliche Sorgen macht sich Ullrich Langhoff vom Lippeschlösschen: Am ländlichen Niederrhein gebe es „eine ganze Menge“ Gastronomen, die sich auf den Ruhestand vorbereiten, doch die Nachfolge sei oftmals nicht mehr familiär geregelt. „Da werden sich einige vom Markt entfernen“, ist er sicher. Folgen prognostiziert er darüber hinaus auch für die Gäste: „Ich habe die große Befürchtung, dass der klassische Restaurantbesuch zum Luxusgut wird.“