Kreis Wesel. Viele Menschen haben der Gastronomie während der Corona- Pandemie den Rücken gekehrt. Wie viele Stellen offen sind und woran es hapert.
„Die Kneipe um die Ecke ist schon weg, die Hotels kämpfen ums Überleben und die Inhaber geführten Betriebe auf dem Land haben es schwer, Nachfolger zu finden“, beschreibt Ullrich Langhoff, Vorsitzender beim Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) im Kreis Wesel die derzeitige Lage. Die Personalsorgen sind dabei aktuell ein zentrales Problem der Branche. Schon immer war die Gastronomie laut Arbeitsagentur als Saisongeschäft von hoher Fluktuation betroffen, die Pandemie hat dann noch ihr Übriges getan. „Viele sind in andere Sparten abgewandert, aber nicht zurückgekommen“, sagt Langhoff.
Auch die Agentur für Arbeit im Kreis Wesel bestätigt auf Nachfrage, dass die Personalsituation in der Gastronomie weiterhin sehr angespannt ist. „Das betrifft sowohl Fachkräfte als auch Hilfskräfte und gilt für die Küche wie für den Service.“ Wer sich in diesem Bereich arbeitslos melde, könne sich den für sich attraktivsten Betrieb aussuchen. Die Arbeitsagentur betreut derzeit 30 offene Stellen im Gastgewerbe – und rät den Betrieben, auf vielen Wegen zu suchen: etwa in weiteren Jobportalen, über Stelleninserate in Print- und Online-Medien oder die sozialen Netzwerke.
Arbeitsagentur Kreis Wesel: Warum manche Betriebe und Arbeitslose nicht zusammenkommen
Mit Stand Januar 2023 sind bei der Arbeitsagentur 45 Köche und 25 Servicekräfte auf Fachkraftniveau arbeitslos gemeldet, heißt es. Die überwiegende Zahl der Arbeitslosen seien Hilfskräfte, rein rechnerisch gäbe es mehr Arbeitslose als offene Stellen. Wie es kommt, dass Betriebe und Arbeitslose dennoch nicht zusammenfinden? Aus verschiedenen Gründen, so die Arbeitsagentur, „zum Beispiel wegen fehlender Qualifikationen, eingeschränkter Arbeitszeit, fehlender Mobilität zur Erreichung des Arbeitsplatzes oder wegen gesundheitlicher Gründe“.
Mit Blick auf die Beschäftigten im Gastgewerbe zeigen sich durchaus Unterschiede: So hat sich laut Agentur für Arbeit im Kreis die Situation bei den Köchen und Köchinnen zuletzt etwas erholt. Hier lag zumindest die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit Stand 30. Juni 2022 sogar über dem Niveau vor der Pandemie. Anders sah es zuletzt bei den Servicekräften, vor allem aber bei den geringfügig Beschäftigten in beiden Bereichen (siehe Grafik), aus: „Bedenken muss man, dass diese Minijobber und Minijobberinnen während der Pandemie vielfach entlassen wurden und auch kein Kurzarbeitergeld erhalten haben.“ Die Konsequenz: Einige haben sich beruflich offenbar umorientiert und kommen so schnell wohl auch nicht zurück.
„Will ich dieses Risiko noch mal eingehen oder mich jetzt beruflich verändern?“ Das sei dann die Frage gewesen, die sich viele dieser Arbeitskräfte gestellt hätten, sagt auch Karim Peters, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) im Kreis. Zugewandt hätten sich einige dem Lebensmitteleinzelhandel oder der Post, Branchen, die während der Pandemie verstärkt geworben hätten. Und zudem geregeltere Arbeitszeiten vorweisen können. Hinzu kommt der finanzielle Aspekt – auch wenn es für Mitarbeitende der tarifgebundenen Betriebe eine Lohnerhöhung im vergangenen Jahr gegeben hat. Denn: Viele Betriebe seien nicht tarifgebunden, so Karim Peters, die Branche sei nicht für die höchsten Löhne bekannt, verdeutlicht er die Problematik.
NGG im Kreis Wesel: Demografischer Wandel und eingebrochene Ausbildungszahlen
Diese habe allerdings nicht erst mit der Pandemie begonnen, so Peters. Als weitere Gründe nennt er den Wandel in der Arbeitswelt, die Demografie und die eingebrochenen Ausbildungszahlen. Befragungen der Gewerkschaft hätten regelmäßig ergeben, dass es in der Gastronomie bei der Ausbildung hake, weil neben dem Tagesgeschäft zu wenig Zeit für die inhaltliche Ausbildung verwendet werde. Auch mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fragten sich junge Menschen: „Ist der Beruf der richtige, um durchzustarten?“ Der Schlüssel ist aus Sicht von Karim Peters neben attraktiver Vergütung auch die Arbeitszeit.
Um die Mitarbeitenden zu buhlen, sei angesichts der aktuellen Lage vieler Betriebe nicht so einfach, sagt Ullrich Langhoff. „Die Probleme sind vielschichtig.“ Eigentlich könnte die Gastronomie nach dem Ende der sie betreffenden Pandemiemaßnahmen aufatmen, doch dann brauche ab Sommer jeder Betrieb händeringend Mitarbeitende. Reduzierte Öffnungszeiten, das werde Schule machen, ist sich der Dehoga-Vorsitzende im Kreis sicher. Einige überlegten, nur noch am Wochenende aufzumachen. Zudem hätte sich das Gästeverhalten geändert. Was sich Langhoff wünscht? „Mehr Verständnis für die Last der Selbstständigen“, sagt er.