Schermbeck/Hünxe. Die Gefahrenabschätzung ist nach aufwendigen Untersuchungen eindeutig. Doch jetzt droht laut Gahlener Bürgerforum ein weiterer Skandal.
Ob die Anwohner in Gahlen mittlerweile wieder etwas beruhigter schlafen können, sei einmal dahingestellt: Zumindest haben laut den Behörden alle Untersuchungen der vergangenen Monate und Jahre ergeben, dass es aktuell wohl keine akute Gefahr für Mensch und Natur in der Nähe des Mühlenbergs zu geben scheint. Doch der Umweltskandal wirkt auch fast zehn Jahre nach seiner Aufdeckung nach – jetzt mit ganz neuen Sorgen.
Denn wann und ob überhaupt sich der Hauptverdächtige – ein ehemaliger Müllmakler aus dem Ruhrgebiet und zugleich Prokurist der Firma Nottenkämper – noch einmal vor Gericht verantworten muss, ist nach Aufdeckung der kriminellen Machenschaften nicht ganz klar. Ein erstes Verfahren war vom Bundesgerichtshof für fehlerhaft eingestuft worden und soll schon seit geraumer Zeit neu aufgerollt werden.
Vom Vorsitzenden der zweiten Wirtschafts-Strafkammer am Landgericht Bochum hieß es am Montag auf Anfrage der NRZ, mit einer Terminierung des Verfahrens sei „auf absehbare Zeit nicht zu rechnen“, da die Kammer mit anderen Verfahren ausgelastet sei.
„Wir befürchten, dass die Taten verjähren könnten“, äußert sich Stefan Steinkühler vom Gahlener Bürgerforum zu dieser Auskunft vom Gericht. Vermutlich werde der Beschuldigte wegen unerlaubtem Umgang mit Abfällen angeklagt – dafür könne es eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geben. Und es gelte der Grundsatz, dass die absolute Verjährung nach dem Doppelten der höchst möglichen Freiheitsstrafe einsetze – das wären in diesem Fall also zehn Jahre. Dann drängt die Zeit: „Eine Verjährung ist ein Skandal“, ergänzt Steinkühler und erinnert an die juristische Aufarbeitung der Loverparade-Katastrophe. „So weit darf es nicht kommen!“, fordert der Sprecher unmissverständlich und erinnert daran: „Wir haben auf genau diese Gefahr schon seit Jahren hingewiesen.“
Auch für den Schermbecker Bürgermeister Mike Rexforth wäre es „eine Katastrophe“, würde ein möglicher Täter wegen Verjährung straffrei davonkommen. „Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und die Konsequenzen auch eine abschreckende Wirkung haben.“
Die Straftaten hätten schließlich eine potenzielle Gefahr für Leib und Leben der Menschen sowie für die Natur zur Folge. Mit Blick auf die kürzlich veröffentlichte Gefährdungsabschätzung infolge des Gutachtens zeigte sich Rexforth „erstmal zufrieden“. Dort hätten die „renommiertesten Gutachter, die man in Deutschland bekommen“ könne, mit hohen Qualitäts-Standards festgestellt, dass akut keine Gefahr bestehe. „Diese Ergebnisse sind zwar erstmal beruhigend, aber natürlich ist das Ganze eine Ewigkeitsaufgabe. Und ich glaube schon, dass der Betreiber der Pflicht, die festgestellten Mängel zu beheben, auch nachkommen wird.“
Auf Nachfrage beim Landgericht Bochum, ob die Gefahr einer Verjährung bestehe, erklärte ein Sprecher: „Ich kann Ihnen versichern, dass es das vorrangige Ziel jeder Kammer ist, Verfahren nicht in die absolute Verjährung ,laufen zu lassen’. Die zweite Kammer hole derzeit Informationen bei der Staatsanwaltschaft zum „Schicksal“ der bereits abgeschlossenen Verfahrens gegen den Beschuldigten ein (insbesondere hinsichtlich einer etwaigen Rechtskraft). Im Anschluss solle dann der weitere Verlauf des aktuellen Verfahrens mit den Beteiligten (Staatsanwaltschaft und Verteidigung) erörtert werden.
So flog der ganze Skandal vor zehn Jahren auf
Im Jahr 2013 war es übrigens „Kommissar Zufall“, der dafür sorgte, dass der Umweltskandal in Schermbeck überhaupt aufflog: Denn nicht die Anlieferung bei der Firma Nottenkämper oder die Einlagerung des hochgiftigen Materials in den Mühlenberg fielen auf, sondern ganz andere Ermittlungen brachte die Taten ans Licht. Es handelte sich quasi um einen „Beifang” in einem Verfahren der Staatsanwaltschaft Bochum wegen Korruption. Dort legte einer der seinerzeit Beschuldigten ein ausführliches Geständnis ab und gab dabei auch Hinweise auf Straftaten, die mit dem Korruptionsvorwurf nichts zu tun hatten – auf die illegale „Entsorgung“ von zigtausenden Tonnen hochgiftiger Ölpellets. So bekamen die Ermittlungsbehörden erste Kenntnis von den Ölpellets-Geschäften und untersuchten diese entlang der Lieferkette, beginnend mit dem Erzeuger der Pellets, der Ruhr-Öl in Gelsenkirchen-Scholven bis zur späteren Ablagerung in der ehemaligen Tongrube Mühlenberg in Gahlen.