Hamminkeln. Hamminkelns Bürgermeister Bernd Romanski blickt im großen NRZ-Interview auf das Jahr 2023. Das sind die wichtigsten Aufgaben und Ziele.

Der Stadt Hamminkeln steht ein ereignisreiches Jahr bevor. Der Bau der Grundschule im Stadtkern soll starten, die angespannte Haushaltslage erfordert eine angeregte politische Diskussion. Hinzu kommt die spezielle Flüchtlingssituation. Im NRZ-Interview mit Christian Schyma spricht Bürgermeister Bernd Romanski über seine Erwartungen und Ziele.

Rückblickend auf 2022 – was ist da in der politischen Arbeit positiv gelaufen, was konnte nicht umgesetzt werden?

Bernd Romanski: Ich habe mich gefreut, dass wir die Entscheidung für die Grundschule auf breiter politischer Basis getroffen haben. Erfreulich ist auch der Zuwachs der Einwohnerzahl, dass Hamminkeln weiter als Wohnort attraktiv ist. Und das Politik und Verwaltung sich einig sind, dass Investitionen in Bildung wichtig sind. Positiv waren auch die Projekte in den Ortsteilen, was das ehrenamtliche Engagement betrifft. Weniger gut lief in meinen Augen das Thema Flüchtlingsbewältigung aus dem Ukraine-Krieg. Was schon 2015/2016 schwierig zu händeln war, ist noch schwieriger geworden. Wer weiß schon, was passiert, wenn die Polen morgen ihre Sozialleistungen für die Ukrainer im Land streichen.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie das Leben in der Stadt verändert, kann man das greifen?

Bernd Romanski: Ich denke, es ist eine größere Achtsamkeit erkennbar, eine größere Vorsicht unter den Menschen. Und als im vergangenen Jahr wieder Veranstaltungen angeboten wurden, wie beispielsweise Schützenfeste, war die Resonanz darauf sehr gut. Man hat gespürt, wie die Leute danach gelechzt haben. Aber danach war auch eine gewisse Nachlässigkeit zu spüren. Und als im Herbst wieder die Infektionszahlen stiegen, haben wir die Maskenpflicht eingeführt.

Eine gewisse Streitkultur ist gut, sie sprachen aber zuletzt im Zusammenhang mit der Windelentsorgung auch von einer Empörungskultur. Haben Sie wie andere Bürgermeister auch schon Anfeindungen erfahren, vielleicht sogar Drohmails erhalten?

Bernd Romanski: Natürlich gibt es immer wieder Kommentare, wie beispielsweise bei dem tragischen Vorfall, als in Voerde eine Frau von einem Hamminkelner Bürger vor den Zug gestoßen wurde. Das hatte schon eine andere Form. Aber ich kann Fälle von Anfeindungen nicht bestätigen. Dass man manchmal angegangen wird, ist meiner Meinung nach normal, dass Menschen ihrer Empörung Luft machen, auch. Das muss man aushalten und das halte ich auch aus. Die Hemmschwelle, sich drastisch negativ zu äußern, ist geringer geworden – auch durch die Sozialen Medien.

Das Ehrenamt ist immer schon ein besonderes Pfund mit dem Hamminkeln wuchern kann?

Bernd Romanski: Wenn ich Hamminkeln mit großen Städten vergleiche, sind wir schon privilegiert, was Menschen betrifft, die sich ehrenamtlich engagieren. Das ist ein großes Plus auch von ländlichen Kommunen, auch wenn es hier einen Generationswechsel gibt. Aber wenn ich hier gucke, gibt es viele Angebote, die durch Ehrenamtliche erst geschaffen werden. In Zeiten von knappen Kassen wird das natürlich künftig noch einmal bedeutender.

Immer erreichbar - auch nach Dienstschluss.
Immer erreichbar - auch nach Dienstschluss. © FFS | Markus Weißenfels

Schule und Bildung – bleibt das auch 2023 das Thema Nummer 1 in Hamminkeln?

Bernd Romanski: Schule und Bildung bleiben ein sehr wichtiges Thema. Aber ich bleibe bei der Meinung, dass man, wenn man Dinge anpackt, es auch richtig macht. Die neue Schule in Mehrhoog ist schon so etwas wie ein Vorzeigeobjekt. Auch die Schule in Dingden müssen wir angehen. Was mich aber genauso treibt, ist die Frage der Preissteigerungen und deren Auswirkungen gerade auch für die älteren Menschen und wie wir sie unterstützen können. Sie müssen wir unterstützen. Das sind Menschen, die versuchen, selbst klar zu kommen. Und wir müssen hinschauen, wie wir sie erreichen und unterstützen können.

Wie kann die Stadt die weitere Zunahme der Zahl an Flüchtlingen stemmen? Sie sagten schon des Öfteren, dass Sie sich von Land und Bund alleingelassen fühlen...

Bernd Romanski: Das Schwierige für uns ist es, dass wir überhaupt keine Basis der Kalkulation haben. Wir haben jetzt seit Jahresbeginn schon 40 neue Flüchtlinge zugewiesen bekommen. Und keiner weiß, wie es weitergeht. Wir haben noch die alte Grundschule in Mehrhoog und dann noch ein, zwei Pläne mit anderen Gebäuden, aber wenn es dann noch weitergeht, müssten wir mittelfristig über Turnhallen nachdenken. Wir haben aktuell etwa 900 – und damit in etwa schon die Zahl von 2016. Man kann da nichts planen, auch wie lange zum Beispiel die Ukrainer hier sind.

Hamminkeln droht ein Haushaltssicherungskonzept. Mit welchen Maßnahmen wollen Verwaltung und Politik da entgegensteuern?

Bernd Romanski: Wenn sich die Entwicklung so fortsetzt wie bisher, ist 2024 tatsächlich ein Haushaltssicherungskonzept unausweichlich. Da gilt es also Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wie beispielsweise eine Erhöhung der Grund- und Gewerbesteuer, damit müssen wir uns in diesem Jahr auseinandersetzen. Das wäre ein Hebel. Immer gibt es auch auch Diskussionen um Personalkosten. Wie das HSK zu vermeiden ist, muss letztendlich die Politik entscheiden Und an die freiwilligen Leistungen zu gehen, würde die Vereine treffen. Meine persönliche Meinung ist: Sparen ist endlich, irgendwann ist zu Ende gespart. Die Kreativität muss darauf liegen, was wir besser machen können. Da ist die Ansiedlung von Firmen, die Ausweisung von Baugebieten eine Alternative. Schwierig ist auch eine Diskussion zur Grundsteuer zu führen, wenn die Einheitswerte noch offen sind.

Welche wichtigen Aufgaben hat die Stadt, welche wichtigen Ziele werden angegangen?

Bernd Romanski: Wesentliches Ziel ist es, die Schule an den Start zu kriegen, den Bau zu beginnen. Sicherlich werden wir uns natürlich mit dem Thema Haushalt intensiv auseinandersetzen – uns mit der Politik zusammensetzen müssen. Die plakative Forderung, die Verwaltung müsse sparen, sehe ich nicht für die Lösung des Problems. Alles ist aber eine Frage der Abwägung. Ein weiteres Ziel ist der Breitbandausbau, das ist für uns ein Meilenstein und erhöht die Attraktivität. In jedem Ortsteil haben wir bereits Glasfaser.

Leerstände in den Innenstädten ist derzeit wieder ein viel diskutiertes Thema. Auch eins für Hamminkeln?

Bernd Romanski: Wir haben den alten Lidl-Markt, der leer steht. Aber wir haben hier eher die Situation, dass Unternehmen sich hier ansiedeln wollen und keinen Platz finden. Von einem Ausbluten unserer Stadt kann man deshalb nicht sprechen.

Seit über sieben Jahren ist Bernd Romanski Hamminkelns Bürgermeister.
Seit über sieben Jahren ist Bernd Romanski Hamminkelns Bürgermeister. © FFS | Markus Weißenfels

Die Energiekrise ist weiterhin spürbar. Hat das auch zu einem Umdenken in der Verwaltung geführt?

Bernd Romanski: Wir haben festgestellt, dass wir die Werte im Rathaus weiter unten halten – auch ein Effekt unserer Wette. Ich habe mich auch gefreut, dass die Konstellation im Hallenbad so gut angenommen wurde – wo wir die Temperatur um zwei Grad gesenkt haben. Das ist schon eine Ersparnis. Ein Hallenbad in der Stadt ist den Eltern wichtig.

Sie sind jetzt etwas mehr als sieben Jahre Bürgermeister. Gab es in dieser Zeit mal Phasen, in denen sie die Entscheidung auch mal bereut haben?

Bernd Romanski: Darauf gibt es keine ganz einfache Antwort. Ich habe in meinem Berufsleben schon viel erlebt. Was ich sagen kann ist, dass einen die Aufgabe eines Bürgermeisters ganz anders fordert und auch extrem kräftezehrend ist – das hat mich schon überrascht. Im Grunde genommen bist du 24 Stunden unter Strom. Ständig überlegst du, ob alles in Schuss ist. Die Zusammenarbeit mit den politischen Gremien ist schon anspruchsvoll, sie hat sich aber in der laufenden Legislaturperiode noch einmal deutlich verbessert. Besonders spannend ist, dass man seine Stadt ganz anders kennenlernt. Man guckt ganz anders auf seine Stadt. Was wir entscheiden, wird auch ausgeführt. Man bekommt von den Bürgern sofort eine 1:1-Rückmeldung – und du bist auch 1:1 bei den Bürgern. Was ich überhaupt nicht verstehe, dass man keine Ausbildung braucht, obwohl die Anforderungen so hoch sind. Ich bin der einzige im Rathaus, der keine Ausbildung benötigen würde.