Kreis Wesel. Corona breitet sich im Kreis Wesel seit Monaten aus – Tausende haben sich angesteckt. Michael Maas aus dem Krisenstab bewertet die aktuelle Lage.
Das Coronavirus breitet sich im Kreis Wesel weiter aus: Seitdem der erste Infektionsfall am 27. Februar in Kamp-Lintfort bekannt wurde, haben sich im Kreis Wesel mehr als 3000 Menschen mit der Krankheit angesteckt. 35 unter ihnen sind (Stand 11. November) an den Folgen der Erkrankung verstorben.
Knapp neun Monate nach dem ersten Corona-Fall im Kreis zieht Michael Maas – Vorstandsmitglied für den Bereich Gesundheitswesen und Teil des Krisenstabes – im NRZ-Interview ein Zwischenfazit.
Wie bewerten Sie die aktuelle Corona-Lage im Vergleich zur ersten Welle im Frühjahr?
Im Kreis Wesel werden deutlich mehr Fälle verzeichnet als im Frühjahr. Damit liegt der Kreis Wesel im deutschlandweit zu beobachtenden Trend. Wir haben aber auch mehr Erfahrung im Umgang mit der Situation.
Kann das Gesundheitsamt die Kontaktnachverfolgung noch leisten?
Die Kreisverwaltung Wesel hat ein Konzept zur Personalaufstockung im Gesundheitsamt entwickelt. Nach diesem Konzept erfolgt die personelle Aufstockung des Gesundheitsamtes seit geraumer Zeit stufenweise. Grund hierfür ist die durchgehend zu erfolgende Kontaktnachverfolgung, sodass nicht alle neuen Mitarbeitenden sofort und gleichzeitig eingearbeitet werden können. Nachdem die Einarbeitung von zusätzlichem Kreishauspersonal aus anderen Bereichen erfolgt ist, werden nun die durch externe Ausschreibungen gewonnene Kräfte mit der Einarbeitung beginnen. Damit soll das vorhandene Personal im Bereich der Kontaktnachverfolgung entlastet und unterstützt werden. Bei weiter steigenden Infektionszahlen kann natürlich eine Kontaktnachverfolgung auf dem bisherigen Niveau nicht mehr erfolgen.
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Wie wird die Einhaltung von Quarantänevorgaben kontrolliert?
Die Einhaltung von Quarantäne wird von den örtlichen Ordnungsämtern kontrolliert.
Laut RKI wissen wir nur in einem Drittel der Fälle, wo sich jemand infiziert hat. Können Sie das bestätigen? Warum ist das so?
Den vom RKI beschriebenen Trend, dass in immer weniger Fällen ermittelt werden kann, wo sich die Leute angesteckt haben, können wir bestätigten. Dies liegt zum Großteil daran, dass anders als im Frühjahr wesentlich mehr Menschen mit Corona infiziert sind und nach wie vor nicht alle Menschen Symptome aufweisen. Also stecken auch mehr symptomlose Menschen, die nicht wissen, dass sie infiziert sind andere Menschen an.
Sie haben kürzlich eindringlich gewarnt, dass unsere Intensivkapazitäten an ihre Grenzen kommen. Wie ist die Auslastung in den Krankenhäusern im Kreis derzeit?
Am 10. November wurden 123 Corona-Patienten in Krankenhäusern behandelt, 46 von ihnen auf der Intensivstation. Beatmet wurden 18.
Wie ist die Lage in den Altenheimen? Welche Teststrategie wird dort verfolgt?
Wir haben derzeit mehrere Ausbrüche unterschiedlicher Größe in verschiedenen Altenpflegeeinrichtungen im Kreis Wesel. Das Land setzt in den Pflegeeinrichtungen auf den verstärkten Einsatz von sogenannten Antigen-Tests, die aber noch nicht flächendeckend verfügbar sind. Testungen in Pflegeinrichtungen müssen, auch vor dem Hintergrund der knapper werdenden Laborkapazitäten absolute Priorität haben.
Gibt es aus Ihrer Sicht Besonderheiten/ Auffälligkeiten/ Cluster in einzelnen Kommunen im Kreis?
Nein. Wir haben es hier wie auch deutschlandweit mit einem flächendeckenden Anstieg von Infektionen zu tun.
Dr. Voshaar aus Moers hat die Maskenpflicht in Teilen der Moerser Innenstadt als „nicht nötig“ bezeichnet. Tatsächlich galten Infektionen im Freien bislang immer als unwahrscheinlich. Wie beurteilen Sie die Maskenpflicht im Freien?
Das größte Risiko besteht ohne Zweifel in schlecht belüfteten Innenräumen und nicht an der frischen Luft. Die Maskenpflicht in den Innenstädten sorgt aber dafür, dass Menschen, die sich nicht nur im Freien bewegen, die Bedeckung immer dabei haben, also auch dann wenn es mal enger wird. Sie hat zudem einen wichtigen psychologischen Effekt.
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Lockdown – Gastronomie: Laut Kreisgesundheitsamt spielt die Gastronomie im Infektionsgeschehen im Kreis Wesel keine Rolle. Ist die Schließung von Restaurants und Kneipen trotzdem sinnvoll? Warum?
Dies ist eine verbindliche Vorgabe des Landes NRW, an die wir rechtlich gebunden sind.
Thema Schule: Warum haben sich die Quarantäne- als auch die Teststrategie geändert? Im Sommer wurden in Schulen etwa nur direkte Sitznachbarn von Infizierten getestet bzw. bei infizierten Lehrern, sofern sie Maske getragen haben, niemand. Aktuell wird die ganze Klasse in Quarantäne geschickt und auch getestet.
Wir orientieren uns in jedem Einzelfall an die Empfehlungen des RKI. Allerdings erarbeiten wir zur Zeit eine neue Handlungsempfehlung die den Schulleitungen mehr Sicherheit und Orientierung geben soll.
Die Kontaktnachverfolgung an Schulen wird offenbar den Schulleitungen überlassen – sie reichen dem Gesundheitsamt Listen der Erstkontakte ein. War das schon immer so oder ist das neu? Und ist das verlässlich?
Die Schulen werden bei der Kontaktnachverfolgung des Gesundheitsamtes deutlich mehr eingebunden als noch zu Beginn der Pandemie. Dies ist der dynamischen Entwicklung und der Vielzahl an Fällen in Schulen geschuldet.
An der Ernst-Barlach-Gesamtschule Dinslaken werden bei der Infektion eine Lehrers nur Schüler in Quarantäne geschickt, die bei diesem Lehrer länger als eine Stunde Unterricht hatten. Bei Doppelstunden gibt es also Quarantäne, bei Einzelstunden nicht. Laut RKI gilt bereits eine Viertelstunde Kontakt als maßgeblich. Warum wird davon abgewichen? Haben Schulleiter dabei einen Handlungsspielraum?
Die Entscheidung hierzu trifft der zuständige Infektionsschutzarzt immer in Hinblick auf den Einzelfall. Eine verallgemeinernde Antwort ist bei allem Verständnis für das Interesse nicht möglich. Faktoren, die bei der Entscheidung berücksichtigt werden sind unter anderem: Räumlichkeit (Lüftungsmöglichkeiten, Anzahl der Personen in Bezug auf Raumgröße, Abstände zwischen Pult und Schülern, individuelles Lehrverhalten, beispielsweise Frontalunterricht oder Bewegung der Lehrkraft zwischen den Schülern) - Kontakte zu anderen Lehrkräften (mögliche Fahrgemeinschaften, Situation Lehrerzimmer, Tragen einer Maske in verschiedenen Situationen, etc.)
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Was halten Sie von den Luftfilteranlagen, mit denen die Stadt Neukirchen-Vluyn die Schulen und Kitas ausstatten will?
Solche Filter können in Räumen, in denen keine regelmäßige Durchlüftung garantiert werden kann sehr hilfreich sein. Als Schulträger bereitet sich der Kreis Wesel auf die Ausschreibung entsprechender Anlagen, auf der Basis der angekündigten Landesförderung vor, damit entsprechende Geräte eingesetzt werden können.
Was halten Sie von den CO2-Messgeräten, mit denen die Schulen in Moers ausgestattet werden sollen?
Auch hier beschafft der Schulträger entsprechende Geräte. Sie sind sinnvoll um in den verschieden strukturierten Räumlichkeiten effizienter und damit im Übrigen auch energiesparender gelüftet werden kann. Wir werten hierzu gerade die Ergebnisse von Erfahrungen aus, die wir in unseren Schulen gesammelt haben.