Mülheim. Burnout bei Müttern: Waltraud Martynov kämpft gegen traditionelle Geschlechterrollen um jungen Müttern in Mülheim das Leben zu retten.

Waltraud Martynov ist eine Power-Frau. Als zweifache Mutter und Direktionsassistentin in der Hotel-Branche, schien sie für ihre Familie unverwundbar zu sein - bis zu dem Tag, an dem sie plötzlich nicht mehr aufstehen konnte. Wegen einer Psychose kam sie in die Psychiatrie. „Mein Mann war schockiert“, erzählt die gebürtige Österreicherin, die für ihren Mann nach Mülheim zog. „Wenn man immer als starke Frau angesehen wird, häuft sich die Last, bis selbst die stärkste Frau an ihre Grenzen stößt.“ Für Martynov wurde deutlich, was viele Mütter vernachlässigen: Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.

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Ein Jahr verging, bis Martynov halbwegs wieder einsatzbereit war. Doch die Therapie verdeutlichte ihr, dass sie mit ihren Erfahrungen anderen Müttern helfen kann. Nun ist sie Coach für junge Mütter in der Burnout-Prävention: „Wenn man Burnout googelt, kriegt man nur banale Tipps wie ‚mal die Füße hochlegen‘. Das ist ja ganz nett, aber worum geht es wirklich? Es geht darum, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen und herauszufinden: Was sind meine Energieräuber? Ein Tee oder zwei Wochen Urlaub reichen da nicht aus, um sich selbst umzudenken.“ Junge Mütter seien oft so überlastet, dass sie nicht das grundlegendste Prinzip umsetzen können: Um für ihre Familie da sein zu können, müssen sie sich zuerst selbst helfen.

Die Phasen des Burnouts: Wie man auf Frühwarnzeichen reagieren sollte

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„Burnout ist keine Krankheit, sondern die Bezeichnung dafür, dass man bereits ausgebrannt ist“, sagt Martynov. Das Brennen finde bereits im Vorfeld statt, durch verschiedene körperliche oder psychische Symptome und Erkrankungen: „In solchen Stressphasen hat man keine Zeit zum Denken. Man funktioniert nur. Man merkt auch nicht, dass man eigentlich schon über seinem Limit ist. Es entwickelt sich ein Teufelskreis: Ich bin nicht ausgeschlafen, ich bin nicht belastbar, ich bin ungerecht gegenüber meinen Kindern... Das Umfeld merkt, dass man auf keinem guten Weg ist, aber man selbst merkt es nicht“, erklärt sie. Doch darauf zu hoffen, dass das Umfeld einem hilft, sei auch nicht die Lösung.

Waltraud Martynov, Coach für Burnout-Prävention in Mülheim, berichtet von ihrer Arbeit und ihren eigenen Erfahrungen mit Burnout.
Waltraud Martynov, Coach für Burnout-Prävention in Mülheim, berichtet von ihrer Arbeit und ihren eigenen Erfahrungen mit Burnout. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Laut Martynov, suchen viele Menschen erst dann Hilfe, wenn der Leidensdruck zu hoch ist. Es ist jedoch ratsam, bereits bei den ersten Anzeichen wie Schlaflosigkeit oder Reizbarkeit Unterstützung zu suchen, bevor ernsthafte Langzeitfolgen auftreten, betont die Expertin: „In meiner Praxis rief mich einmal eine junge Mutter an, um mir mitzuteilen, dass sie unseren Termin nicht wahrnehmen könne. Sie lag wegen eines Herzinfarkts im Krankenhaus. Sie war gerade mal 28 Jahre alt - und hatte nur noch eine Herzleistung von 30 Prozent.“

Mülheims Mütter im Brennpunkt: Die Dreifachbelastung von Beruf, Kinder und Haushalt

Man steht als Mutter ständig im Mittelpunkt der Kritik. Überall wird an einem gezerrt, nur weil man sein Bestes geben möchte.
Waltraud Martynov - Coach für Burnout-Prävention

Das Burnout Problem sei auch gesellschaftlich bedingt. Aufgrund von Wertvorstellungen der Erziehung und Sozialisierung sollen viele Mütter unter dem enormen Druck stehen, stets perfekt zu sein, Höchstleistungen zu erbringen und immer funktionieren zu müssen. „Leider gibt es auch viele sogenannte Miterzieher, die selbst keine Kinder haben, aber glauben, sie wüssten am besten, wie Mütter ihre Kinder erziehen sollten. Man steht als Mutter ständig im Mittelpunkt der Kritik. Überall wird an einem gezerrt, nur weil man sein Bestes geben möchte“, erklärt Martynov.

Martynov betont, dass die Verantwortung für den Haushalt und die Kindererziehung nach wie vor größtenteils bei den Müttern liege. Häufig sollen Mütter eine Dreifachbelastung tragen: Beruf, Kinder und Haushalt. Zusätzlich dazu komme die gesamte Organisation wie Geburtstage, Geschenke und Einladungen für die Familie - die sogenannte Mental Load, also mentale Last: „Wenn man in allen Bereichen 100 Prozent gibt, wird man irgendwann zu einem 300 Prozent Wrack.“

Empfehlungen einer Burnout-Trainerin aus Mülheim

„Schwäche will sich keiner eingestehen“, erklärt Martynov. Doch wer auf Hilfe verzichtet, verschenke ein großes Potenzial. „Natürlich müssen auch die Männer mit einbezogen werden, die Aufgaben sollten fair verteilt sein. Auch wenn man den Kindern alltägliche Aufgaben im Haushalt gibt, kann das enorm helfen“, betont sie. „Es muss auch nicht alles perfekt sein, und wer legt fest, wann etwas perfekt ist? Für mich ist perfekt, wenn ich mein Bestes gegeben habe.“

Besonders für Frauen soll es oft ein Problem darstellen, nicht Nein sagen zu können: „Wir wurden nicht so erzogen. Aber wir müssen uns klarmachen: Ein Ja zum Gegenüber ist ein Nein für mich.“ Um ein spontanes „Ja“ zu vermeiden, empfiehlt sie, sich entweder Zeit für die Antwort einzuräumen oder auf das Bauchgefühl zu hören. Außerdem könne es hilfreich sein, gegen die ersten Warnsignale anzugehen, indem man sein Zeitmanagement optimiert und eine To-do-Liste erstellt, um alle Gedanken zu ordnen und nach Wichtigkeit und Dringlichkeit zu priorisieren. „Achtsamkeit spielt auch eine große Rolle. Höre in dich hinein und lenke deine Aufmerksamkeit auf dich selbst und die schönen Dinge im Alltag“, empfiehlt Martynov.

Die Rolle der Erziehung bei der Prävention von Burnout

Martynov beobachtet bei ihrem Sohn, wie es richtig laufen kann: „Es liegt auch in der Verantwortung der Eltern, sicherzustellen, dass die Kinder nicht falsch erzogen werden. Mein Sohn ist Projektmanager, seine Frau studiert Medizin, und die beiden haben ein kleines Kind. Sie teilen sich ihre Aufgaben auf, achten darauf, dass jeder zumindest etwas Schlaf bekommt. Meine Schwiegertochter hat auch ein Recht auf berufliche Weiterentwicklung“, betont die Trainerin. Damit Frauen die gleichen Karrierechancen haben können, müssen im Haushalt und bei der Verantwortungsverteilung Veränderungen stattfinden, und das liegt in der Verantwortung aller Familienmitglieder, so Martynov.

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