Mülheim. Höllische Schmerzen bestimmen das Leben vieler Frauen mit Endometriose. Eine Mülheimerin berichtet, was sie erlitten hat, und wofür sie kämpft.
Wenige Menschen wirken gleich auf den ersten Blick so offen und positiv wie Tanja Paulus. Lächelnd, freundlich, aber auch ernsthaft, ehrlich an ihrem Gegenüber interessiert. Dass hier eine Frau steht, die durch Schmerzen belastet ist, immer wieder, seit mehr als drei Jahrzehnten, merkt man der Mülheimerin nicht an. Es sei denn, sie spricht darüber.
Tanja Paulus leidet an der chronischen, quälenden Frauenkrankheit Endometriose, die das Leben Betroffener massiv einschränkt. Dennoch gelingt es ihr, einen eigenen Friseursalon in Mülheim-Speldorf zu führen. Trotzdem konnte sie ein gesundes Kind bekommen. „Gott sei Dank“, sagt die 45-Jährige. „Verglichen mit anderen bin ich auf der Sonnenseite. Ich habe eine ganz tolle Familie, ein tolles Netzwerk an Freunden und Mitarbeiterinnen.“ Dennoch: Am 23. März ist Tanja Paulus beim Aktionstag in der Mülheimer Innenstadt dabei, um über Endometriose und das damit verbundene Leiden aufzuklären.
Mülheimerin mit Endometriose: Krankheit wurde lange nicht diagnostiziert
Die Krankheit, deren Ursache noch nicht genau erforscht ist, beginnt fast immer in der Pubertät. Sie wird beeinflusst vom Östrogen, die Beschwerden folgen dem weiblichen Zyklus. Im Unterkörper erkrankter Frauen, oft breit verteilt, findet man Zellgebilde aus Gebärmutterschleimhaut, die auf hormonelle Schwankungen reagieren. Meist mit extremen Blutungen und Schmerzen während der Menstruation. Obwohl schätzungsweise jede zehnte jüngere Frau betroffen ist, wird Endometriose sehr oft erst nach langer Zeit diagnostiziert. Das musste auch Tanja Paulus erfahren.
Schon nach ihrer erster Periode habe sie an schlimmen Bauchschmerzen gelitten. Schon mit 13 wurde ihr daher die Pille verschrieben, was tatsächlich Linderung brachte - bis sie mit 15 das Hormonpräparat wieder absetzte. Sie wusste ja nicht, dass eine chronische Krankheit dahinter steckt. „Und dann waren die Beschwerden mit Brachialgewalt wieder da“, berichtet Tanja Paulus, „unglaubliche Bauch- und Magenschmerzen. Mein ganzer Körper brannte.“
Extreme Schmerzen: „Niemand hat es mir geglaubt“
Was in ihrem Fall erschwerend hinzu kam: Sie hat fünf Geschwister. Ihrer Mutter, die sechs Geburten durchlitten hatte, fehlte die Vorstellungskraft, dass Periodenschmerzen auch nur annähernd so heftig sein könnten. „Niemand hat es mir geglaubt.“ Und lange ahnte niemand, dass ein gynäkologisches Problem vorliegen könnte. Statt dessen wurden bei ihr Magen- oder Darmspiegelungen durchgeführt.
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Schwanger wurde sie erst nach längerer Behandlung in einer Kinderwunschklinik, durch künstliche Befruchtung. Tanja Paulus war damals 26 Jahre alt. Sie betont, dass eine künstliche Befruchtung für erkrankte Frauen meist der einzige Weg sei, um Kinder zu bekommen. Aus Gründen, die sie auch selber betrafen: gestörte Hormonproduktion, Wucherungen und Verklebungen sowie Adenomyose (Endometriose-Herde in der Gebärmutterwand).
Schwanger nur durch künstliche Befruchtung
Bei vielen Betroffenen bleibt der Kinderwunsch unerfüllt. Bei Tanja Paulus lief alles glatt, „doch danach ist die Endometriose so aufgeflammt, dass sie seither mein Leben bestimmt“, sagt die Mülheimerin. Sie sei von Gynäkologe zu Gynäkologe gelaufen, bis sie irgendwann auf Informationen der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. gestoßen sei, auf einen Selbsttest im Netz, der ihr die Krankheit bestätigte. „Das war ein toller Tag“, sagt sie rückblickend. „Endlich wurde klar, dass da was ist. Viele Jahre habe ich selber schon gedacht: Vielleicht hast du ein Rad ab...?“
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2017 sei sie im Endometriosezentrum der Uni-Klinik Düsseldorf erstmals operiert worden, um krankhaft gewuchertes Gewebe zu entfernen. Dort fand man endlich objektive, sichtbare Beweise für ihr Leiden. Sie erinnert sich besonders an eine Begebenheit: „Nach der OP stand die Stationsärztin an meinem Bett, mit Tränen in den Augen. Sie konnte nicht glauben, wie ich das ausgehalten habe.“ So weit waren die Verwachsungen in ihrem Unterleib fortgeschritten, die man äußerlich nie sah - bis an die Blase, bis an das Steißbein.
Kein zertifiziertes Endometriosezentrum in Mülheim
Zwei Jahre später wurde Tanja Paulus erneut operiert. Im Oktober 2021 schickte ihr Gynäkologe sie zu einer Gebärmutter-Spiegelung, dabei wurde die Gebärmutterwand verödet, ausgeschabt, wurden Endometrioseherde entfernt. Die schlimmen Blutungen seien dadurch deutlich gelindert geworden. Und heute? „Es ist mal besser, mal schlechter. Ich lebe mit dieser Erkrankung.“ Genau wie Tausende andere Mülheimerinnen, wenn man Zahlen zugrunde legt, wie sie etwa die Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V. nennt. Danach sind zwischen acht und 15 Prozent aller Mädchen und Frauen betroffen.
Expertinnen und Experten für Endometriose arbeiten beispielsweise auch in der Frauenklinik am Evangelischen Krankenhaus Mülheim (EKM). Dort können sich betroffene Frauen beraten und gegebenenfalls operieren lassen. Laut Chefärztin Dr. Andrea Schmidt kommt das Thema oft in der Indikationssprechstunde zur Sprache, wenn Diagnose oder Verdacht einer Endometriose bestehen. Die Patientinnen kommen dann mit einer Ein- oder Überweisung ihres Gynäkologen. „Häufig geht es um die Frage einer Operation“, so die Chefärztin. Auch könnten Patientinnen in der Frauenklinik eine zweite Meinung einholen.
Ein medizinisch zertifiziertes Endometriosezentrum gibt es in Mülheim jedoch nicht - eine Übersicht spezialisierter Kliniken und Praxen bietet die Website der Endometriose-Vereinigung Deutschland e.V.
„Aufklärungsmarsch“ durch die Mülheimer City geplant
„Aufklärungsmarsch“ heißt die Aktion, die am 23. März, einem Samstag, von 12 bis 14 Uhr in der Mülheimer City stattfinden soll. Organisiert wird sie von einer Betroffenengruppe, die sich „Bündnis Endorebellionen“ nennt, getragen unter anderem von der Mülheimerin Susanne Giese. Die Aktivistinnen wollen sich am Forum treffen, durch die Innenstadt laufen und Infomaterial an Passanten, in Geschäften und Cafés verteilen. Auch Tanja Paulus wird dabei sein. Bei ihr liegen Bücher und Flyer zum Thema Endometriose im Friseursalon aus. Mit Kundinnen und Kunden kommt sie ins Gespräch, hört von betroffenen Freundinnen, Ehefrauen, Enkeltöchtern.
Das Gesundheitssystem müsste stärker auf Hilfe ausgerichtet sein, meint die Friseurmeisterin. „Es wäre schön, wenn es einen Freibetrag für Betroffene gäbe, beispielsweise für Osteopathie, die ich als sehr lindernd empfinde. Endometriose wird als Frauenproblem abgetan, das muss aufhören.“ Schon in der Schule, in der Sexualerziehung, sollte über die Krankheit gesprochen werden. Kurz zusammengefasst: „Wir bräuchten mal eine Lobby.“
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