Mülheim. Handwerk wird zunehmend aus Mülheimer Wohnvierteln verdrängt, aus Werkstätten wurde Wohnraum. Jetzt ist erstmals Licht am Ende des Tunnels.

Gut 1700 Handwerksbetriebe mit annähernd 10.000 Beschäftigten und einem Umsatz von weit mehr als einer Milliarde Euro sind ein wichtiger Eckpfeiler des Wirtschaftsstandortes Mülheim. In der jüngeren Vergangenheit sah sich auch das heimische Handwerk stark vernachlässigt von der Stadtentwicklungspolitik, die immer wieder brachliegende Gewerbeflächen lieber für Wohnbebauung freigab, statt deren Reaktivierung für die Wirtschaft zu forcieren. Jetzt sieht das Handwerk Licht am Ende des Tunnels.

Das Lindgens-Areal an der Ruhr, die von Tengelmann verlassenen Flächen in Speldorf, der Heifeskamp: Das sind nur drei der prominenten Fälle von Gebietsumwandlungen zugunsten von Wohnungsbau oder Einzelhandel. Vieles sei auch fernab großer Öffentlichkeit geschehen, beklagt Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft für Mülheim und Oberhausen. Seit vielen Jahren sei die Entwicklung zu beobachten, dass Handwerk aus den Stadtvierteln verschwinde, aus den Hinterhöfen, aus den Quartieren, wo einst Wohnen und Handwerk in direkter Nachbarschaft etabliert waren. Wo immer Räume freigezogen worden seien, seien Werkstätten und Betriebsstätten geopfert worden für neuen Wohnraum. „Auch ein gesellschaftliches Problem“ sieht Yeboah darin: Junge Menschen kämen in ihrem nahen Umfeld kaum mehr in Berührung mit dem Handwerk, dem bekanntermaßen der Nachwuchs ausgeht.

Neue Standorte für das heimische Handwerk? Mangelware in Mülheim

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Neue Standorte für das heimische Handwerk, für Neugründungen, Wachstum oder nur das Zusammenführen von Büro, Lager und Werkstatt: Mangelware in Mülheim wie im gesamten Ruhrgebiet, stellen Yeboah und Kreishandwerksmeister Jörg Bischoff unisono fest. Seien mal Brachflächen in der Vergangenheit reaktiviert worden, sei das Handwerk mit seinen kleinteiligen Flächenbedarfen oft außen vor geblieben, so Yeboah etwa mit Blick auf die Entwicklungen auf der Oberhausener Stahlwerksbrache, die heute mit Centro und Co. bebaut ist, aber eben keine Flächen für den kleinen Mittelstand biete.

Die Gewerbeflächennot in Mülheim hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ausgewachsen. Mit der neuen schwarz-grünen Stadtregierung ist aber Bewegung in die Sache gekommen. Der klare Fokus liegt dabei auf der Reaktivierung vorhandener Flächen. Einiges ist in Bewegung gekommen, auch weil die Zeit es so gebracht hat, siehe die Flächen von Tengelmann, Vallourec, im alten Techno Park von Siemens oder auch an der Ruhrorter Straße im Hafen, wo die Schafstall-Gruppe Altbestand abreißen lässt für einen neuen Gewerbepark.

Mülheims CDU wünschte sich Handwerkerhöfe wie in Essen und Duisburg

Seit einigen Jahren nun schon im Gespräch war der Wunsch, in Mülheim ein Areal insbesondere für kleinere Handwerksbetriebe zu schaffen. Die CDU war hinter der Idee her, auch die Kreishandwerkerschaft. Dem Handwerk einen Ort für Neues zu bieten, einen Ort, an dem Kunden auf einen Schlag gleich Fachbetriebe mehrerer Gewerke ansteuern können und so Synergien zu heben wären - das sei der Antrieb für jene politische Initiative gewesen, so Markus Püll. Der CDU-Wirtschaftspolitiker schaut da etwa auf das Projekt Carnaperhof im Essener Norden, der in vier Gebäuden 32 Gewerbeeinheiten in Größen zwischen 140 und 1200 Quadratmetern bietet, oder den Handwerkerhof Wanheimerort in Duisburg, der aktuell 14 Mieter listet - von der Brauerei Rheingold über Maler, Messebauer und Schornsteinfeger bis hin zum Skateboard-Verein.

Im Wirtschaftsausschuss zuletzt nahm Alexander Behringer als Chef der städtischen Wirtschaftsförderung auf Anfrage von CDU und Grünen Stellung zu den Prüfungen und Planungen. „Nach Gesprächen mit einzelnen Handwerksbetrieben, der Kreishandwerkerschaft, der Handwerksammer Düsseldorf und der Besichtigung einiger Gewerbeparks in der Umgebung hat sich ergeben, dass wir einen kleinteiligen Unternehmerpark einem reinen Handwerkerpark vorziehen sollten“, berichtete Behringer da. Eine Mischung von kleineren Gewerbe-, Produktions- und Handwerksbetrieben böte viele Chancen und mache eine Standortentwicklung wirtschaftlicher, hieß es.

Platz für Handwerk in Mülheim: Stadt nennt drei Orte

So sieht die städtische Wirtschaftsförderung Perspektiven für kleinteiliges Gewerbe insbesondere auf drei Entwicklungsflächen im Stadtgebiet: am Rande des ehemaligen Vallourec-Areals im Übergang zur Wohnbebauung an der Gustavstraße, im Gewerbepark, den die Schafstall-Gruppe noch in diesem Jahr an der Ruhrorter Straße im Hafen anfangen will zu bauen, und schließlich auf einer fast 1,5 Hektar großen Fläche an der Blücherstraße in Heißen. Diese hatte die Stadt jüngst einem Landwirt abgekauft, um sie zunächst als Reservefläche zu haben für eine mögliche Unterbringung von Flüchtlingen, perspektivisch aber für eine gewerbliche Entwicklung.

Die Wirtschaftsförderung sieht aktuell eine starke Nachfrage nach kleineren Gewerbeeinheiten, „meist in Kombination mit einer kleinen Büroeinheit“. Die Kreishandwerkerschaft habe für den Bereich „Handwerk“ in Gesprächen großes Interesse an jenen Gewerbeparks signalisiert, deren Entwicklung auch der Stadt vorschwebt. Viele Handwerker, die heute noch in einer gewachsenen Wohnstruktur ihre Betriebe haben, gerieten an ihrer angestammten Adresse zunehmend unter Druck. Umzüge in neue Gewerbeparks könnten die Alternative sein.

„Wir begrüßen es sehr, dass die Stadt Flächen in der Größenordnung 1500 bis 3000 Quadratmeter zur Verfügung stellen will“, sieht die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft, Barbara Yeboah, „einen wirklich großen Erfolg“ der politischen Bemühungen. Die Not für Handwerksbetriebe im Ruhrgebiet, solche Flächen zu finden, sei groß, geht Kreishandwerksmeister Bischoff davon aus, dass entsprechende Angebote sehr schnell auch auf überörtliche Nachfrage stoßen werden. „Solche Flächen sind derart gesucht, dass sie immer sofort weg sind.“

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