Mülheim. Weniger Aufträge, dadurch Preisverfall, dazu Fachkräftemangel und viel Bürokratie - so reagieren Mülheimer Unternehmen auf die angespannte Lage.
Um den Wirtschaftsstandort Mülheim ist es aktuell nicht sonderlich gut bestellt, die Konjunktur ist im Keller. IHK und Unternehmerverband bescheinigen der Region nach Umfragen unter ihren Mitgliedern eine pessimistische Stimmung mit brachliegenden Investitionen und unsicherer Zukunft. Zwei Mülheimer Unternehmen beschreiben, was das für ihre Betriebe bedeutet.
Eine Durststrecke hat die Georg Beyer GmbH in Styrum bereits hinter sich. „November und Dezember sowie die erste Hälfte des Januars waren mehr als verhalten, was die Aufträge anbelangte“, blickt Geschäftsführer Thomas Kretschmer zurück. Erst seit wenigen Wochen ziehe die Nachfrage nach den Produkten, die sein mittelständischer Maschinenbaubetrieb als Zulieferer herstellt, wieder leicht an.
Das Auftragspolster eines Mülheimer Maschinenbaubetriebs ist schnell geschmolzen
Zuvor, übers vergangene Jahr gesehen bis in den Herbst hinein, schildert Thomas Kretschmer, habe die Georg Beyer GmbH stets ein Auftragspolster für drei, vier Monate gehabt. „Da mussten wir uns keine Sorgen machen“, sagt der Geschäftsführer. Das habe sich allerdings zum Winter hin massiv verändert: „Erstaunlich, wie schnell das ging, dass wir erst für mehrere Monate gut ausgebucht waren und dann plötzlich Folgeaufträge gefehlt haben.“ Daran könne man ablesen, wie rasant der konjunkturelle Einbruch verlaufen ist, meint Kretschmer und weiß: „Alles kam zusammen: Export runter, Binnennachfrage runter - das hat zu einem gehörigen Produktionsrückgang in Mülheim und im Ruhrgebiet geführt.“
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Entlassungen habe er trotz der mauen Auftragslage während der Wintermonate noch nicht aussprechen müssen, sagt Kretschmer. In Zeiten des Fachkräftemangels hielte er das auch für fatal: „Jemanden zu finden, den wir in unserer hoch spezialisierten Einzelteilfertigung, etwa an einer CNC-Fräse, einsetzen könnten, wenn‘s konjunkturell wieder gut läuft, funktioniert beinahe nicht - so jemanden gibt es am Arbeitsmarkt derzeit nicht.“ Da rette er sein 17 Leute starkes Team lieber über eine Durststrecke hinweg.
Doch das Minus an Aufträgen habe noch einen weiteren Effekt auf die Branche, der die Abwärtsspirale verstärke, erklärt der Maschinenbau-Fachmann: „Alle Betriebe suchen nach zusätzlichen Aufträgen - und das macht sich in den Preisen bemerkbar. Dann gehen plötzlich alle mit den Preisen runter, um die wenigen Aufträge zu ergattern.“
Inzwischen bemerke er aber bei seinen Abnehmern, die vor allem in der Region verortet sind, dass das Geschäft anziehe, wieder Aufträge eingingen. „Wir haben das Glück, dass unsere Kunden wieder mehr investieren, vor allem dadurch, dass sie im Export agieren.“ Im Inland aber, da sei man wohl noch weiter entfernt von einem mutmachenden Aufschwung, schätzt Kretschmer.
Mülheimer Spezialist für Prozessautomatisierung will Jobs schaffen, findet aber keine Mitarbeitenden
Dass sich die Investitionsbereitschaft in Deutschland verändert hat und es für Firmen weniger Planungssicherheit gibt, registriert auch Christian Hacks, Vorstand Personal und Produktion der Isam AG mit Sitz in Heißen. Hacks vermisst Leitplanken des Gesetzgebers, die Unternehmern Klarheit für betriebliche Entscheidungen bieten könnten. „In Deutschland fehlt innovatives Denken, hier dauern etwa Genehmigungsverfahren zu lange, werden halbgare Förderpakete wieder eingestampft, schrecken Bürokratiemonster ab.“ Das halte nicht nur Firmen von Investitionen ab, ist Hacks überzeugt, sondern mache das Land auch nicht attraktiver für einwandernde Fachkräfte.
Sein Betrieb habe neben dem Hamburger Hafen ohnehin inzwischen überwiegend Kunden außerhalb Europas. Niederlassungen betreibt die Isam AG, die Prozessautomatisierung für Schüttgut- und Containerumschlag anbietet und zumeist Bestandsanlagen umrüstet hin zum autonomen Betrieb, in den USA, Kanada und Australien. Da es aktuell mehr als schwierig sei, in Deutschland Fachkräfte zu finden, denkt der Mittelständler mit 40 Angestellten in Heißen darüber nach, eher an seinen Niederlassungen zu expandieren als an seinem Hauptsitz in Mülheim.
Statt Arbeitsplätze in Mülheim-Heißen zu schaffen, werden es wohl Jobs in Australien
„Ich sichere lieber 40 Arbeitsplätze in Heißen, indem ich in Australien zehn Jobs schaffe, anstatt mittelfristig den Fortbestand des Unternehmens zu riskieren. Dabei würde ich lieber hier zwei bis drei Mitarbeiter pro Jahr einstellen“, erklärt Hacks seine Strategie, zu der auch eine Kooperation mit der örtlichen Hochschule Ruhr-West gehört. Doch die Software-Entwickler, die in der Automatisierungsfirma gebraucht werden, fänden auch in jeder hippen Metropole eine Anstellung. „Mülheim kann aus deren Sicht nicht mithalten mit München oder Berlin.“ Zudem brächten Bewerber meist nicht die für die Isam AG nötige Reisebereitschaft mit.
Für Hacks steckt hinter dem Fachkräftemangel vielfach schlicht mangelnde Arbeitsbereitschaft - für ihn ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Deutschland hat eine Vollkasko-Mentalität entwickelt, kaum einer will mehr Verantwortung übernehmen, viele Regularien des ausufernden Sozialstaates sind regelrecht leistungsfeindlich.“
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