Mülheim. Mit der Atrium-Apotheke verliert Mülheim eine weitere Verkaufsstelle für Medizin. Wie viele Einwohner eine Apotheke im Schnitt versorgen muss.
„Liebe Kunden, liebe Kundinnen!“ steht in gefetteten Lettern auf dem Aushang, der vielfach in den Schaufenstern der Atrium-Apotheke an der Wallstraße hängt. „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir zum 29.02.2024 schließen. Wir möchten uns ganz herzlich für Ihr Vertrauen in den vergangenen Jahren bedanken.“ Ein Schritt, der überraschend kommt und zu dem passt, was ein Vergleich offenlegt: Vor zehn Jahren hatte Mülheim noch 45 Apotheken, davon ist man heute weit entfernt.
Der Grund für die Schließung im Wallviertel: eine schwere Krankheit. Der Chef Harald Schmitz ist erkrankt und gibt seine Apotheke nach mehr als 40 Jahren auf. Für ein Gespräch mit der Redaktion steht der 81-Jährige nicht zur Verfügung, seine Mitarbeiterin Eva Berg, „rechte Hand meines Chefs“, erzählt aber: „Das ist wirklich traurig für uns alle, wir haben viele Stammkunden.“ Uns alle, damit meint Berg die rund 15 Beschäftigten der Atrium-Apotheke, von Apothekern bis hin zu den Fahrern, keine ganz kleine Belegschaft.
Mülheimer Apotheke öffnet am 29. Februar zum letzten Mal
Sie alle packen nun mit an, um das Ladenlokal aus den 50ern mit den verspiegelten Verkaufsregalen leerzuräumen. „Seit Montag sind wir dabei“, berichtet Eva Berg, während ein Lieferant einen Stapel Kisten auf einer Sackkarre hereinfährt. „Das bedeutet Arbeit“, sagt sie und deutet auf die Behälter. Wie es für sie und ihre Kolleginnen und Kollegen weitergeht? „Irgendwo geht es doch immer weiter“, winkt sie fast schon ab. Bis zum endgültigen Ladenschluss am 29. Februar sei auf Bestellung wie gewohnt alles zu haben, darüber hinaus werden letzte Restposten, teils mit erheblichen Rabatten, verkauft.
Mit der Schließung der Atrium-Apotheke kommt Mülheim nun auf 36 Apotheken, die die Einwohnerschaft versorgen – Anfang 2023 waren es noch 38 (siehe Tabelle). Denn auch die Apotheke am Evangelischen Krankenhaus ist seit wenigen Wochen geschlossen. Der Essener Apotheker Peter Ricken, der vier Apotheken im Ruhrgebiet betrieben hatte, war Ende Januar völlig unvermittelt verstorben. Offenbar an den Folgen eines Routine-Eingriffs im Krankenhaus, wie es heißt. Seitdem ist unklar, wie es an der Schulstraße weitergeht.
„Genaues wissen wir auch noch nicht“, erklärt ein Mitarbeiter der Apotheke, er möchte anonym bleiben. „Es ist ein extremer bürokratischer Aufwand, das jetzt zu klären.“ Auch hier könnten Bestellungen noch abgeholt werden, der restliche Betrieb ruhe aber.
Mülheims Apothekenlandschaft dünnt immer weiter aus
Zwei Schicksalsschläge, die Mülheims Apotheken-Landschaft weiter ausdünnen. Generell gesehen seien aber gerade Fachkräftemangel, Schwierigkeiten bei der Nachfolger-Suche und die Konkurrenz durch Online-Apotheken die größten Treiber der stetig sinkenden Zahl an Apotheken, wie Jens A. Krömer, Pressesprecher der Apothekenkammer Nordrhein, erklärt: „Das ist ein Trend, den wir seit 1999 beobachten.“ Der Apotheker-Beruf verliere zudem zusehends an Attraktivität, „die Möglichkeit zum Homeoffice gibt es nicht, dafür aber Notdienste und ausgedehnte Arbeitszeiten.“
Mit vormals 38 Apotheken kommt Mülheim nach Berechnungen der Kammer noch auf 4668 Bürgerinnen und Bürger, die durch eine Apotheke versorgt werden – zumindest rein rechnerisch. Bei 36 Apotheken sinkt die Versorgungsdichte: 4865 Menschen kommen jetzt auf einen Standort. Im Städtevergleich, so Krömer, komme Mülheim damit immer noch verhältnismäßig gut weg. Positive Entwicklungen wie in Wesel und Düsseldorf seien mittlerweile die absolute Ausnahme.
Mülheims Innenstadt bündelt Arztpraxen und Apotheken
Was die Rechnung der Kammer aber nicht widerspiegelt: die Verteilung der Apotheken innerhalb des Stadtgebiets. Hier fällt eine deutliche Häufung im Innenstadtbereich auf. Laut Übersicht der Apothekenkammer Nordrhein tummeln sich hier gleich 16 Apotheken, fünf sind es in Dümpten und Speldorf, Saarn und Heißen kommen auf vier Apotheken. „So viele hatten wir vor 15 Jahren in Styrum auch“, sagt Peter Lamberti.
Dass sich die Mülheimer Apotheken vor allem in der Innenstadt befinden, führt der Apothekersprecher auf die Bündelung der Arztpraxen zurück. „Viele Arztpraxen sind ins Zentrum gewechselt.“ Er selbst habe noch das Glück, ein erneuertes MVZ in der Nähe seines Standortes zu haben, „das Glück hat nicht jeder“.
Mit der Phoenix-Apotheke betreibt Lamberti die letzte noch verbliebene des Stadtteils. Die Entwicklungen in seiner Branche sieht er mehr als kritisch. „Die Personalsuche erweist sich als schwierig.“ Es fehle sowohl an gut ausgebildeten Leuten als auch an Anreizen, um diese überhaupt erst locken zu können. „Es müsste politisch etwas passieren, um den Beruf attraktiver zu gestalten“, bilanziert er. „Wir bluten hier gerade aus.“
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