Mülheim. Der Jugendliche hat den Schulabschluss noch gar nicht in der Tasche und schon jede Menge Ausbildungschancen. Wie er das geschafft hat.
John ist 15 und absolviert gerade sein letztes Schuljahr an der Realschule Mellinghofer Straße. Danach beginnt für ihn der so genannte Ernst des Lebens - doch auf den ist John schon jetzt bestens vorbereitet. Gleich fünf Unternehmen wollten den jungen Mann als Azubi einstellen. Wie er das geschafft hat? Er hat sich Hilfe geholt und beim Projekt Ausbildungspaten des Centrums für bürgerschaftliches Engagement (CBE) mitgemacht.
Dabei wird jungen Menschen, die sich zum ersten Mal beruflich orientieren, ein Ehrenamtler an die Seite gestellt, der ihn mindestens eineinhalb Jahre lang begleitet. Und zwar von der Berufsorientierung über die Bewerbungsphase bis in die Ausbildung hinein. „Ich hatte einfach Angst, dass ich eine Chance verpasse“, erklärt John, warum er sich für das Projekt entschieden hat. Den Tipp hatte er von einem Lehrer bekommen.
„Ich habe 30 Jahre in meinem Beruf gearbeitet und dachte, dass ich nun etwas zurückgeben kann“, sagt Thomas Kipper, Diplom-Kaufmann und ehemaliger Leiter eines Autohauses in Essen. Der 57-Jährige und der 15-Jährige trafen erstmals im Mai aufeinander. Mit dabei waren fünf andere Jugendliche und fünf weitere Paten. „Und dann geht es erst einmal in so eine Art Speed-Dating“, sagt Michael Schüring scherzhaft. Denn die Chemie müsse einfach stimmen. „Dass man sich menschlich versteht, ist wichtiger, als einen Paten auszuwählen, der in einem spannenden Berufsfeld arbeitet“, erklärt der CBE-Geschäftsführer. Mindestens genauso wichtig: „Es geht nicht darum, die Jugendlichen in eine Richtung zu drängen, sondern sie auf ihrem ganz persönlichen Weg zu begleiten.“ Das sei überhaupt die Stärke der Paten, denn Eltern hätten immer eine Meinung, was für ihr Kind das Richtige wäre und Schulen gelegentlich auch.
Das Geheimrezept der beiden Mülheimer: ein straffer Zeitplan
Thomas Kipper hat seine Aufgabe vor allem darin gesehen, John im Bewerbungsprozess Struktur und Verbindlichkeit zu bieten. „Der Plan war, bis zu den Sommerferien alle Bewerbungen verschickt zu haben. Dafür haben wir in den letzten beiden Ferienwochen richtig Gas gegeben, aber danach konnte er sich wieder voll und ganz auf die Schule konzentrieren“, erinnert sich Thomas Kipper. Wobei das mit der Schule nicht so ganz stimmt. Zehn von 13 angeschriebenen Unternehmen wollten John kennenlernen und luden ihn zu Bewerbungsgesprächen ein. John nahm jede einzelne Einladung an. Gemeinsam mit Thomas überlegte er vorher, was er über das Unternehmen wissen sollte und welche Fragen er stellen könnte. „Aber man muss einfach sagen, dass er das alles super gemacht hat“, lobt der sichtlich stolze Pate.
Nach dem ersten Gespräch hatte John den ersten Ausbildungsvertrag in der Tasche. Aber zu dem Zeitpunkt hatte er längst einen Wunsch-Arbeitgeber. Er wollte zur Deutschen Bahn. Ausgerechnet die hatte ihn jedoch als letztes Unternehmen eingeladen. Kein Problem für John und seinen Unterstützer Thomas: Auch Bewerbungsgespräch Nummer zehn absolvierte der junge Mülheimer mit Bravour, obwohl er rückblickend sagt, dass er doch sehr aufgeregt war. „Beim ersten Gespräch dachte ich, das dauert Stunden.“ In einem entscheidenden Bereich hatte Pate Thomas übrigens nichts zu tun: John wusste von Anfang an, welchen Beruf er erlernen will, nämlich Elektroniker für Betriebstechnik. „Das hat mich beeindruckt“, erinnert sich Thomas Kipper.
Auch wenn am Ende keine Ausbildungsstelle gefunden ist, kann das Coaching ein Erfolg sein
„Es läuft nicht immer so glatt“, sagt Vanessa Hofmeister. Sie leitet das Projekt beim CBE und ergänzt: „Es gibt 300 Ausbildungsberufe. Da fällt es nicht allen leicht, das Richtige für sich herauszupicken.“ Oft besuchen die Tandems erst einmal gemeinsam Ausbildungsmessen. „Um dann nicht nur Prospekte mitzunehmen, sondern auch mit den Ausbildern zu sprechen“, wie Michael Schüring betont. In manchen Fällen kann sich auch herausstellen, dass erst einmal ein Praktikum gemacht wird oder doch der Gang aufs Berufskolleg erfolgt, um noch ein bisschen Zeit zu gewinnen.
Werden John und Thomas auch in Zukunft im Austausch bleiben? „Der Einstieg in die Arbeitswelt ist etwas ganz Neues. Das kann auch noch mal zur Herausforderung werden“, sagt Thomas Kipper. Anais Dielissen pflichtet ihm bei. Die 30-Jährige hat selbst erst vor zehn Jahren ihre Ausbildung abgeschlossen und auch als Patin mitgemacht. Ihr Schützling Dana (16) hat vor zwei Tagen die Zusage vom Evangelischen Krankenhaus in Mülheim bekommen. Sie kann dort die gewünschte Ausbildung zur Pflegefachfrau antreten. Anais Dielissen strahlt, wenn sie davon erzählt.
Für Mai werden neue Paten aus Mülheim gesucht
Aktuell kooperiert das CBE mit der Realschule Mellinghofer Straße, der Realschule Stadtmitte und der Schule am Hexbachtal. Weitere sollen folgen, zudem können sich Jugendliche auch selbst für das Patenprogramm melden. Für Mai werden wieder neue ehrenamtliche Paten gesucht. Sie werden in zwei Kursen auf ihren Einsatz vorbereitet. Gesucht werden Mentoren jeden Alters, gern auch Studierende. Interessiere melden sich bei Vanessa Hofmeister per Email (vanessa.hofmeister@cbe-mh.de) oder unter Tel. 0208/970 68 215.
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