Mülheim. Wo einst Fräsen kreischten und Staub wirbelte, programmieren Azubis heute Maschinen. Nicht nur damit wird Ausbildung bei Siemens Energy digital.
Wie wird die Ausbildung digitaler – eben genau so digital, wie die Generation längst lebt, die jetzt und in naher Zukunft fürs Berufsleben fit gemacht wird? Was neben E-Learning noch zählt, um den digitalen Wandel zu gestalten, erzählt Pascal Heimann, Ausbilder am Mülheimer Standort von Siemens Energy.
Hier in der Lehrwerkstatt von Siemens Energy stehen große Maschinen, CNC-Drehbänke etwa, an denen die künftigen Fachkräfte ihr Handwerk erlernen. Doch das ist nicht mehr reine Handarbeit, sondern eine Aufgabe, die auch durch Technik bestimmt ist. Längst machen Maschinen das meiste, weder wirbeln Sägespäne durch die Luft, noch dröhnt ohrenbetäubender Lärm durch die Halle. Damit die modernen Geräte aber ihre Arbeit ordnungsgemäß ausführen können, muss derjenige, der sie bedient, genau wissen, was er zu tun hat. Hier kommt Pascal Heimann ins Spiel, Ausbilder bei Siemens Energy und inzwischen zertifiziert in Ausbildung 4.0.
E-Learning von zu Hause ist bei Siemens Energy in Mülheim inzwischen Standard
Für seine Azubis gehört vieles längst zur Lebenswirklichkeit, was ihr Trainer während der Fortbildung zur digitalen Transformation in der Berufsausbildung noch lernen musste: Etwa, dass sie ihre Notizen in ein iPad tippen und nicht mit einem Stift auf ein Stück Papier schreiben, dass ihre Ausarbeitungen und Dokumentationen in einer Cloud gespeichert und nicht mehr in Ordnern abgeheftet werden – und nicht zuletzt, dass sie nicht jeden Tag in der Lehrwerkstatt stehen, sondern zu Hause am PC lernen können, dabei auch schon mal Künstliche Intelligenz befragen.
Als Pascal Heimann selbst in der Ausbildung bei Siemens steckte, sah diese Welt noch ganz anders aus. Zerspanungsmechaniker mit Fachrichtung Drehtechnik hat der heute 40-Jährige damals gelernt. „Wir haben noch tonnenweise Späne produziert, heute programmieren wir Maschinen – das ist ein Hightech-Beruf geworden“, zeichnet Heimann die Entwicklung nach.
Mülheimer Ausbilder: „Es ist in Ordnung, wenn die Azubis ChatGPT befragen“
Aber auch das Lernen habe sich deutlich unterschieden von dem, wie seine Azubis sich heute Wissen aneignen: „Damals musste man alles im Kopf wissen, googeln gab’s ja noch nicht, heute frage ich mal eben ChatGPT.“ Und das sei auch vollkommen in Ordnung, betont der Ausbilder. Denn anzuerkennen und einzubeziehen, wie junge Leute – die „digital natives“ – heute leben, mit welcher Technik sie umgehen, sei ein wichtiger Aspekt der Qualifizierung. Pascal Heimann erzählt aus den Fortbildungsworkshops, dass daher dort auch Thema war, wie Ausbilderinnen und Ausbilder mit jungen Menschen aus der jetzigen Generation Z und der kommenden Generation Alpha umgehen sollten.
Nicht nur seitdem weiß der Siemens-Energy-Ausbilder: „Die verbringen ihren Alltag ganz anders und können am Handy alles.“ Die Beschäftigung mit dem Smartphone sollte nicht nur den Effekt haben, das Nervenkostüm von Müttern, Vätern und Großeltern auf die Probe zu stellen, betont auch Peter Janßen, Geschäftsführer des Bildungswerks der NRW-Wirtschaft, das die Zertifizierung zur Ausbildung 4.0 vergibt. Janßen sieht’s positiv: „Die jungen Leute haben echte Kompetenz darin, das sollte man anerkennen und nutzen.“ Der 40-jährige Heimann fühlt sich technisch mit seinen Azubis auf Augenhöhe. Zugute kommt ihm dabei, dass „alles, was einen Stecker hat, zu meinem Hobby gehört.“
Gegen den Fachkräftemangel: Siemens Energy in Mülheim stockt Ausbildungsplätze auf
Auch interessant
Pascal Heimann hat in dem dreistufigen Training den obersten Rang erreicht: Er darf sich jetzt „Vorreiter“ nennen. Und genau so versteht sich der Ausbilder auch – als Multiplikator, der sein neu gewonnenes Wissen nicht nur mit seinen knapp 18 Mitausbildern am Mülheimer Standort teilen wird, sondern mit Kolleginnen und Kollegen deutschlandweit in Siemens-Energy-Niederlassungen.
Hand in Hand gehe die Digitalisierung der Ausbildung mit dem Wandel der Anforderungen ans Unternehmen, an die Produkte, die Siemens Energy herstellt, sagt Heimann: „Wasserstoff, Dekarbonisierung, Netzstabilität sind unsere Zukunftsthemen. Wenn junge Leute verstehen, dass sie daran mitwirken können, wird’s spannend für sie, denn dann werden die abstrakten Begriffe mit Leben gefüllt: Du trägst etwas bei zur Turbine für Windräder. Klimaschutz und Ressourcensparen sind schließlich die Themen ihrer Generation.“
Nachwuchs ist nötig, nicht alleine wegen des Fachkräftemangels – das hat man bei Siemens Energy erkannt und stockt die Ausbildungsplätze im kommenden Jahr von derzeit 87 auf rund 120 auf. Für den Ausbildungsjahrgang, der dieses Jahr beginnt, sind noch einige wenige Stellen frei. Infos: siemens-energy.com.
Bildungswerk bietet Qualifizierung zum digitalen Wandel in der Ausbildung an
Die Qualifizierung Ausbildung 4.0, die Pascal Heimann für Siemens Energy durchlaufen hat, ist vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erarbeitet worden und erprobt gemeinsam mit den Bildungswerken der Wirtschaft und anderen Bildungsinstitutionen Weiterbildungsformate für Ausbilderinnen und Ausbilder, um den digitalen Wandel zu vollziehen.
Das Programm wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Q 4.0-Formate wie Trainings, Talks oder Workshops sind in drei Stufen gebündelt, vom Gestalter über den Könner bis zur höchsten Stufe des Vorreiters. Weitere Informationen auf der Seite des Bildungswerks der nordrhein-westfälischen Wirtschaft.