Mülheim. Deutlich mehr Lehrstellen im Handwerk sind unbesetzt. Eine Mülheimer Expertin: „Ausbildung im Handwerk ist gesellschaftlich nicht angesehen.“
Knapp 100 unbesetzte Ausbildungsstellen hat die Handwerkskammer im August bei der Agentur für Arbeit gemeldet – ein Plus von 22 Stellen im Vergleich zum Vorjahr
21 Prozent aller insgesamt 467 unbesetzte Ausbildungsstellen in Mülheim (Stand August) entfallen aufs Handwerk: Für die Handwerkskammer waren Ende August bei der Agentur für Arbeit 98 offene Lehrstellen registriert. In der Holzbe- und Verarbeitung (etwa Schreiner) waren es drei unbesetzte Stellen – 50 Prozent mehr als im Vorjahr.
Viele Ausbildungsplätze im Handwerk sind in Mülheim noch frei
Im Hochbau, worunter etwa der Dachdecker fällt, verzeichnete die Arbeitsagentur vier unbesetzte Ausbildungsplätze, ein Plus um 100 Prozent im Vergleich zum Jahr davor. In der Metallverarbeitung waren elf Lehrstellen frei, zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Eine große Lücke tat sich mit 153 Prozent mehr unbesetzten Stellen bei der Maschinenbau- und Betriebstechnik auf: 33 Ausbildungsstellen waren dort in Mülheim Ende August noch unbesetzt.
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Die Ausbildung zum Elektroniker für Energie-/Gebäudetechnik schafft es der Agentur für Arbeit zufolge immerhin in die Top 10 der beliebtesten Berufe der Bewerberinnen und Bewerber in Mülheim und landet auf Platz 3.
Barbara Yeboah, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Mülheim/Oberhausen, wundert das nicht, denn: „Die Energiewende muss gestaltet werden.“ Das könne attraktiv für Azubis sein, weil viel passiere in der Branche. „Der Beruf des Elektrikers ist wahnsinnig komplex geworden. Nicht nur da sind Leute gesucht, die Verantwortung übernehmen wollen, später etwa Vorarbeiter werden wollen“, wirbt Yeboah. Dass sich während der Ausbildung im Handwerk – und auch später - gut verdienen lässt, sei ihrer Ansicht nach zu wenig bekannt: „Die Tarifverträge für Azubis haben sich stetig weiterentwickelt.“
Chefin der Kreishandwerkerschaft: „Fachkräftemangel in Betrieben längst angekommen“
Doch das Problem in ihren Augen: „Nach wie vor sind Jobs, bei denen man sich die Hände schmutzig macht, nicht gut angesehen in der Gesellschaft.“ Dabei sei der Fachkräftemangel bei den Handwerksbetrieben längst im Alltag angekommen, mahnt die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft und betont: „Eine große Zahl an Mitarbeitenden geht zudem in naher Zukunft in Rente.“
Wie also die Lücken auf dem Ausbildungsmarkt stopfen? „Beide müssen sich bewegen – nicht nur die Schulabgänger, auch die Betriebe“, meint Yeboah. Anpassungen im Arbeitsalltag, etwa durch Teilqualifikationen, könnten ein Ansatz sein, sagt die Chefin der Kreishandwerkerschaft. Doch gerade für kleine Betriebe, die durchschnittlich aus fünf bis sieben Angestellten bestünden, bliebe die Ausbildung eine Herausforderung.