Am Niederrhein. Er liebt seinen Job und trotzdem gibt er ihn auf. Ein Erzieher erzählt, was er in seinem Alltag in der Kita erlebt und was ihn irritiert hat.

Clemens Knapp hat ein paar Semester Wirtschaftsmathematik studiert. Aber dann wuchs in ihm die Überzeugung, dass der Erzieherberuf sinnstiftender sein könnte. „Ich habe große Hürden dafür auf mich genommen“, sagt der heute 31-Jährige. Zunächst habe er 900 Stunden Vorbereitung, eine Art Praktikum, unentgeltlich ableisten müssen, dann folgte die dreijährige Ausbildung, ebenfalls zwei Jahre davon ohne Bezahlung. Erst im Anerkennungsjahr gibt es ein bisschen Geld, um die 1500 Euro brutto, je nach Träger mal mehr, mal weniger. „Aber ich war mit Herzblut dabei, schloss mit einem Notenschnitt 1,14 ab“, sagt Knapp.

Doch schon im Anerkennungsjahr erlebte er irritierende Dinge: „Dass ich bereits damals als nicht fertiger Erzieher mit 25 Kindern, von denen 8 Kinder gewickelt werden mussten, für eine gesamte Woche alleine gelassen wurde, war keine Seltenheit. Dabei war die Kita personell gut aufgestellt.“ Nur fehlt augenscheinlich in den Berechnungen der Träger, dass es Krankheitsfälle und auch Langzeitkranke geben kann. Und so wiederholte sich diese Situation auch, als er nach der Ausbildung in dieser Kita blieb. „Neben der Betreuung und pädagogischen Arbeit mussten dann Angebote geplant und vorbereitet, Elterngespräche und Entwicklungsgespräche geplant und durchgeführt, Portfolioarbeit und Entwicklungsberichte geschrieben werden (größtenteils, während die Kinder drumherum rennen).“ Wie viel Zeit für spannende, pädagogische Arbeit mit den Kindern da bliebe, könne sich jeder vorstellen. „Da kann man doch nur noch verwahren. Zum Dank wurde dann mein Arbeitsvertrag nicht verlängert, da die nachfolgende Kraft günstiger war“, berichtet Clemens Knapp.

Das Problem mit den unbefristeten Verträgen

Seit eineinhalb Jahren hat der Erzieher jetzt eine neue Stelle gesucht. Klar, der Markt ist für die Bewerberseite hervorragend. Jede Bewerbung führe zu einem Vorstellungsgespräch. Die seien aber bei ihm und vielen anderen Kollegen ernüchternd. Unbefristete Verträge gebe es kaum. Das Argument: Man wisse ja nicht, wie viele Kinder im nächsten Jahr angemeldet würden. Er bedauert, dass es nur darum gehe: „Da wird nicht mal geschaut, ob jemand ins Team passt oder nicht.“ Auch gern genommen bei manchem Träger: Die Kündigung nach dem zweiten befristeten Vertrag, damit man sich nicht einklagen kann. Oder weil der nächste Fachmensch mit weniger Berufserfahrung billiger ist. „Da ist der Personalmangel doch hausgemacht“, findet Knapp.

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Das alles hat auch Konsequenzen für die Lebensplanung. Seine Frau sei auch Erzieherin, auch mit befristetem Vertrag. „Wir würden gerne eine Wohnung oder ein Häuschen für uns und unsere beiden Kinder kaufen. Aber wer gibt denn Leuten ohne feste Stelle einen Kredit?“, fragt Clemens Knapp. Dabei gehe es ihm hier am Niederrhein noch gut: Ein befreundeter Kollege in Berlin komme bei den Mietpreisen gerade über die Runden.

Und bei manchen Trägern weiß man nicht mal am Abend, in welcher Kita man am nächsten Morgen eingesetzt wird.
Clemens Knapp

Und dann kommen da noch die kleinen Momente, in denen Berufung auf Wirklichkeit trifft. Ein Träger habe sich bei der Bewerbung daran gestoßen, dass er während der Arbeit ein Käppi tragen will, berichtet der Erzieher. Oder daran, dass Knapp „seine“ Eltern gerne duzen möchte. „Ich habe nie schwierige Elterngespräche gehabt“, so Knapp, „das passt zu mir und der jungen Generation der Eltern.“ Darüber müsse erst der Kirchenvorstand beraten, hieß es, so erzählt Knapp. Im Freundeskreis habe man einem Erzieher mit einigen Jahren Berufserfahrung nur Gehaltsstufe 1 anbieten wollen. Lohndumping nennt man das wohl. „Und bei manchen Trägern weiß man nicht mal am Abend, in welcher Kita man am nächsten Morgen eingesetzt wird.“ Viele Gründe, die ihn manches Job-Angebot haben ablehnen lassen, um in seiner jetzigen Stelle weiterzuarbeiten.

Zwei Erzieher, zwei Kinder - enger Zeitplan

Als problematisch erlebt es Clemens Knapp auch, wenn Eltern ihr Privatleben mit dem Job in Übereinstimmung bringen müssen. Deshalb war er auch nicht auf der Suche nach einer Vollzeitstelle. Auch das passt nicht ins Konzept aller Träger.

Ein „schöner Beruf“, aber unattraktiv

Aber seine Kritik richtet sich nicht pauschal an die Träger. Letztlich, findet Clemens Knapp, sei es „das System, das die Leute verheizt“. Die Fallpauschalen, die je Kind gezahlt würden, reichten eben nicht aus, um eventuell noch einen „Puffer“ in die Personaldecke einzubauen. Sie würden auch dem Kind nicht gerecht. Dabei: „Erzieher ist ein schöner Beruf“, sagt er. Von seiner Arbeit habe er in seiner Persönlichkeitsentwicklung profitiert. Er hoffe, dass er den Kindern trotz allem gut habe zur Seite stehen können. Aber sein Entschluss steht fest. „Ich werde den Bereich leider verlassen. Es ist nicht das, was ich mir unter erzieherischer Arbeit vorstelle.“ Und das, so hört er im Kollegenkreis immer öfter, haben einige genauso auf dem Schirm.