Kamp-Lintfort. Kirche und Stadt ziehen die Reißleine bei den Kitas Arche und Regenbogen der Graf-Recke-Stiftung. Warum sie das tun - und wie es nun weitergeht.
Irgendwann war es genug: „Wir mussten die Reißleine ziehen“, sagt der Erste Beigeordnete der Stadt Kamp-Lintfort, Christoph Müllmann. Die Stadtverwaltung musste feststellen, dass in den Kitas Arche und Regenbogen, die derzeit in der Hand der Graf-Recke-Stiftung liegen, mehr Betreuungszeiten ausfielen als bei allen anderen Kitas.
Dass die Lage in den Kitas personell fast überall schwierig ist und es hin und wieder Einschränkungen gibt, das sei bedauerlicherweise fast normal. Das liege daran, dass über die „Kindpauschalen“ zusätzliche Puffer-Stellen nicht finanzierbar seien. Aber dass regelmäßig mindestens einen Tag in der Woche Gruppen geschlossen wurden, manchmal auch an mehreren, und das seit über einem Jahr – das sei nicht tragbar, findet Müllmann, weder für die Kinder noch für die Eltern. „Die Not der Eltern hat uns zu diesem Schritt gezwungen“, so Müllmann. Schulamtsleiterin Lydia Kiriakidou ergänzt, dass sich Anrufe genervter Eltern auch bei der Stadtverwaltung gehäuft hätten: „Der Druck war hoch.“ Sie sieht die Graf-Recke-Stiftung nicht ganz unschuldig an der Personalmisere: „Wie kann man in diesen Zeiten eine Erzieherstelle befristet ausschreiben?“, fragt sie sich.
Kirchengemeinde kündigte mit Rückendeckung der Stadt
„Mit Rückendeckung der Stadt“ habe die evangelische Kirchengemeinde im Januar die Mietverträge für die Räumlichkeiten der beiden Kitas gekündigt, fristgerecht zum 31. Juli 2025. Das Vertrauen in den Träger Graf-Recke-Stiftung scheint nachhaltig erschüttert. Wie schon vor zwei Jahren, bevor der Düsseldorfer diakonische Träger eingestiegen ist, wurde der Neukirchener Erziehungsverein angesprochen. Der möchte nun übernehmen, allerdings nicht sofort. Zwar bildet der NEV selbst Erzieher aus, kann sie aber auch nicht herbeizaubern. Der evangelische Träger aus der Nachbarschaft will die viergruppige Arche demnach in 2025 übernehmen und den zweigruppigen Regenbogen in 2026, heißt es vonseiten der Stadt.
Kamp-Lintfort steht nun vor dem Problem, die Eltern und Kinder nicht weiter im Regen stehenzulassen. So haben die Beteiligten nach einem Kompromiss gesucht, der am Freitagabend den Eltern vorgestellt wurde und kommenden Mittwoch, 24. April, in einer Sondersitzung des Jugendhilfeausschusses den politischen Segen bekommen soll. Danach sollen die Kinder weiterhin ihre gewohnte Gruppe in ihrem gewohnten Umfeld besuchen können.
So gibt Graf-Recke die Kita Regenbogen zum 31. Juli dieses Jahres ab. Das dortige Personal soll nach Möglichkeit in die Arche wechseln. Die kleinere Kita Regenbogen übernimmt übergangsweise die Stadt als Träger. Diese Kita wird im Verbund mit den Zechenzwergen geführt werden, damit besondere personelle Engpässe intern aufgefangen werden können. Das Wirken der Graf-Recke-Stiftung hat dann am 31. Juli 2025 in Kamp-Lintfort ein Ende.
Die Stadt Kamp-Lintfort hofft nun durch die seit langem geführte Dauerausschreibung von Erzieherstellen, rechtzeitig zum nächsten Kitajahr 2024/2025 das nötige Personal gewinnen zu können. Gleichwohl wird es eine Herausforderung, denn der Markt scheint leergefegt. Womöglich seien ja einzelne Erzieherinnen oder Erzieher so mit ihrer Gruppe verwurzelt, dass sie, egal unter welcher Trägerschaft, bleiben wollen. Fakt ist: Auch in den städtischen Kitas werden Wartelisten geführt, nicht weil die Räumlichkeiten fehlten, sondern Personal. Bertold Klicza von der Verwaltung räumt ein, dass längst nicht jedes dreijährige Kind derzeit in die Kita gehen kann.
Ein Träger mit einer ganz besonderen Qualifikation
Vonseiten der Eltern sei die Rückmeldung gekommen, dass sie es positiv finden, dass die beiden Einrichtungen auch mit dem neuen Träger Erziehungsverein weiterhin konfessionell geführt werden, so Lydia Kiriakidou. Der soll schrittweise in Kamp-Lintfort einsteigen: 2025 soll er die größere Arche übernehmen und 2026 den Regenbogen. Als positiv bewertet Kiriakidou die Tatsache, dass mit dem Neukirchener nun ein Träger an den Start geht, der in der Stadt bekannt ist – im Gegensatz zur Graf-Recke-Stiftung. Und – das ist nicht zu unterschätzen – der NEV hat als Ausbilder quasi Erstzugriff auf die Erzieher-Absolventen.
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Dass die Entwicklungen nicht ganz im Sinne des Düsseldorfer Trägers abgelaufen sind, lässt eine gemeinsame Pressemitteilung von Stadt, Kirchengemeinde und Stiftung erahnen: Da wird Fachbereichsleiterin Sylvia Smajgert so zitiert: „Bei Übernahme der beiden Kitas 2022 waren die Leitungsstellen nicht besetzt. Inzwischen sind diese und andere damals offenen Stellen wieder besetzt. Der Übergang bei einem Trägerwechsel ist ein gruppendynamischer Prozess und dauert zwei bis drei Jahre. Aufgrund vorliegender Bewerbungen hätten im Laufe dieses Monats sämtliche offenen Stellen besetzt werden können. Leider sind die Vertragsverhältnisse aufgrund der ungewissen Zukunft der Kitas nicht zustande gekommen oder wieder rückabgewickelt worden.“