Moers. Drei Berufskollegs können den neuen Schulcampus in Moers auch im Schuljahr 2024/25 nicht beziehen. Das bedeutet die Verschiebung für Schüler.

Der Einzug aller vier Schulen an den neuen Berufsbildungscampus in Moers verzögert sich weiter. Die insgesamt rund 5000 Schülerinnen und Schüler und zahlreichen Lehrkräfte werden auch zum Start des Schuljahrs 2024/25 noch nicht an einem gemeinsamen Lernort zusammenkommen können. Wie berichtet, ist dies das Ergebnis einer Risikoanalyse der Weseler Kreisverwaltung als Schulträger. Denn: Aufgrund diverser Hürden zieht sich der Bau noch einige Zeit hin – und wird wohl deutlich teurer als gedacht. Wie Svenja Reinert, Vorstandsmitglied für den Bereich Immobilienmanagement beim Kreis Wesel, im Gespräch mit unserer Redaktion prognostiziert, werden die Kosten für das Mammutprojekt am Ende im Bereich von 150 Millionen Euro liegen. Ursprünglich war mit 101 Millionen kalkuliert worden, dieser Betrag ist zwischenzeitlich bereits auf 138,5 Millionen Euro angewachsen.

Hauptgrund für die erneute Verzögerung und letztlich den Kostensprung sei die Insolvenz eines Unternehmens, das den Auftrag für den Trockenbau bekommen hatte. „Ein Hopplahopp-Einzug, bei dem die Außenanlagen nicht fertiggestellt sind, war für uns nie eine Option“, sagt Reinert und ergänzt: „Mit Blick auf die laufenden Anmeldungen waren wir nicht in der komfortablen Situation, bis Mai oder Juni warten zu können. Wir mussten jetzt entscheiden.“ Diese Auffassung teilt ihr Vorstandskollege Michael Maas, beim Kreis Wesel für den Bereich Bildung zuständig. Er betont, dass die Einrichtung eines Berufskollegs als betriebsnaher Lernort mit Werkstätten und Praxisräumen komplexer sei als die Fertigstellung anderer Schulformen. „Am Ende war die Entscheidung konsequent, auch wenn sie uns allen wehtut“, sagt Maas.

Probleme beim Bau des Berufsbildungscampus in Moers: Enttäuschung in den Schulen

Mindestens ebenso groß fällt die Ernüchterung in den betroffenen Schulen aus. Das sind das Hermann-Gmeiner-Berufskolleg, das Mercator Berufskolleg und die Berufsfachschule für Pflege und Gesundheit. „Ich kann nicht verhehlen, dass mein erster Impuls Enttäuschung war“, sagt etwa Marlies Zimmermann-Schubert, Leiterin des Hermann-Gmeiner Berufskollegs. Wie ihr sei es nach Verkündung der Entscheidung auch vielen Kolleginnen und Kollegen ergangen. „Wir alle fiebern dem Umzug seit Jahren entgegen. Auf den ersten Blick ist die Entscheidung natürlich eine bittere Pille.“ Dennoch sei die Schulleiterin froh, nun Planungssicherheit für die Zeit nach den Sommerferien zu haben.

Diskutieren über die Folgen des verschobenen Umzugs zum neuen Schulcampus in Moers: Christian Graack, Peter Dischhäuser, Svenja Reinert, Marlies Zimmermann-Schubert und Michael Maas (von links).
Diskutieren über die Folgen des verschobenen Umzugs zum neuen Schulcampus in Moers: Christian Graack, Peter Dischhäuser, Svenja Reinert, Marlies Zimmermann-Schubert und Michael Maas (von links). © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Ein weiteres Schuljahr an den bisherigen Standorten zu verbringen, sei ohne große Probleme möglich. Die Gebäude seien voll nutzbar, wenngleich sie ein „liebenswerter Charme der Jahre“ umgibt, wie Zimmermann-Schubert es augenzwinkernd beschreibt: „Ich hoffe, die Altgebäude bleiben uns gewogen und belasten den Schulträger nicht mit teuren Reparaturen.“

Neuer Schulcampus in Moers: Berufskollegs wollen eng zusammenarbeiten

Ihr Kollege Christian Graack, der das Mercator Berufskolleg leitet, bewertet den vorübergehenden Verbleib ähnlich. Auch er berichtet von einer Enttäuschung im Kollegium und unter der Schülerschaft. Auch durch die hohe Erwartungshaltung: „Unsere Schüler fragen mich immer wieder, wie es denn im neuen Gebäude aussieht. Ich ziehe dann gern den Vergleich zu Smartphones: Wenn unser jetziger Standort das allererste iPhone ist, wechseln wir bald am Campus zum neuesten iPhone 15 Pro.“

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Peter Dischhäuser, Schulleiter des Berufskollegs für Technik (BKTM), profitiert bereits seit Anfang des aktuellen Schuljahres von der Ausstattung des Neubaus. Doch auch die modernsten Umstände sind ohne Kontakte nicht viel wert, um bei dem Bild des Mobiltelefons zu bleiben. Daher hofft der Leiter des BKTM auf einen zeitnahen Einzug der anderen drei Schulen. Durch gemeinsame Ausbildungsbörsen und Orientierungsgespräche könnten die Schulen die Stärken der Interessierten besser erkennen und fördern. „Manchmal erkennen wir schon jetzt, dass einer unserer Bewerber eigentlich eher Potenzial als Kaufmann hätte“, sagt Marlies Zimmermann-Schubert und deutet in Richtung von Mercator-Schulleiter Graack. Auch der Umstand, dass junge Menschen ihr Berufskolleg so wählen, dass sie bei ihren Freunden bleiben können, dürfte dank des geteilten Pausenhofes kein Faktor mehr sein.

Anmeldungen am Campus Moers: Schule muss viele Absagen verteilen

Die Attraktivität des neuen Campus zeige sich schon jetzt bei den Anmeldezahlen, berichtet Peter Dischhäuser: „In einigen Bildungsbereichen werden wir viele Absagen verteilen müssen.“ Etwa in der Berufsfachschule Ingenieurtechnik mit Fachabitur übersteige die Bewerberzahl die vorhandenen Plätze um das Doppelte. Auch in der Ausbildungsvorbereitung und in Internationalen Förderklassen übersteige die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches. „Und der Bedarf wird noch größer. Aber Schulraum und Personal sind nun einmal begrenzt“, sind sich die Schulleitungen einig.

Marlies Zimmermann-Schubert sagt, sie träume von einer gemeinsamen Anmeldephase für das Schuljahr 2025/26 in den neuen und fertigen Räumlichkeiten an der Repelener Straße. Ein festes Datum könne der Verwaltungsvorstand des Kreises Wesel nicht seriös benennen. Fakt sei aber, dass die beauftragten Firmen unter Hochdruck an der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts arbeiten. Noch fehlt beispielsweise die Elektronik, zudem sollen weitere Parkplätze auf dem Gelände des alten BKTM-Schulgebäudes entstehen. Dieses befinde sich derzeit im Abriss. „Wir können uns kein Verkehrschaos leisten“, sagt Svenja Reinert deutlich.

Sollte der Campus im Laufe des kommenden Schuljahres bezugsbereit sein, sei eine sofortige Nutzung „in Teilfunktionen“ denkbar. Fest steht: Weitere Sommerferien ohne Umzug wollen weder der Träger noch die Schulen erleben.