Moers. Einen Vater als Bergmann zu haben, kostete Gülşen viel Kraft. Doch gab es auch schöne Momente. Diese neue Ausstellung zeigt ihre Geschichte.
Die Schwestern Gülşen Yilmaz und Sermin Alabas haben eine enge Verbindung zum Stadtteil Meerbeck. Ende der 60er Jahre ist ihr Vater zunächst alleine aus der Türkei nach Moers gekommen, um als Bergmann zu arbeiten. 1977 zog auch Gülşen mit ihrer Mutter Sabriye und ihrer schwer kranken älteren Schwester Gülcan in die Grafenstadt, ihre jüngere Schwester Sermin wurde im gleichen Jahr in Moers geboren. Doch das Leben mit einem Bergmann zu Hause war nicht immer einfach, wie nun die neue Ausstellung der Werkstatt Meerbeck zeigt. Dort erzählen die beiden Schwestern sowie sieben weitere Frauen, die Ehefrau oder Tochter eines Bergmanns waren, ihre Geschichten.
Einen Vater als Bergmann zu haben, war für Gülşen und ihre Schwester Sermin aus Moers mit einigen Sorgen verbunden
Für ihre Mutter war es nicht leicht, nach Deutschland zu kommen. Und auch Gülşen litt unter der Situation. Sie kam in die dritte Klasse, ohne überhaupt ein Wort zu verstehen. Ihr wurde viel Verantwortung übertragen. Sie musste der Mutter eine Stütze sein. Doch ihre Aufgaben übernahm sie gerne. Für ihre jüngere Schwester Sermin übernahm sie teilweise die Mutterrolle. Der Vater verdiente das Geld für die Familie unter Tage bei Thyssen Schachtbau.
Die schwere Arbeit des Vaters war für die Familie mit vielen Sorgen verbunden. Einmal kam er nicht von der Arbeit nach Hause, weil er einen Unfall hatte, erinnern sich die Schwestern. Er quetschte sich das Bein ein und musste im Krankenhaus behandelt werden. Doch die Familie hat zusammengehalten und das Leben gemeinsam bewältigt.
Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:
- EM-Achtelfinale: Public Viewing im Solimare abgebrochen
- Haldenkult-Festival 2024 in Neukirchen-Vluyn: Top oder Flop?
- Spanische Nacht im Tierpark Kalisto: So kam das Event an
- Luna (37) ist Hobby-Model: „Bin zufriedener mit mir selbst“
- Und hier bekommen Sie alle News im Überblick.
Dem Vater war stets wichtig, dass seine Töchter viel sollten, um einen guten Beruf zu erhalten. Gülşen wechselte nach der Grundschule auf die Hauptschule. Sie kämpfte nach wie vor mit der deutschen Sprache. Hinzu kam die Belastung durch ihre kranke Schwester. In der Berufsschule blühte sie dann auf. Ihr Ziel: Sie wollte unbedingt Krankenschwester werden. Das schaffte sie auch. Sermin folgte später ihrem Beispiel und wurde ebenfalls Krankenschwester.
Die Werkstatt Meerbeck in Moers möchte mit der Ausstellung einen Einblick in das Leben von Bergmann-Frauen geben
Sermin erinnert sich gerne an ihre Nachbarn in der Lippestraße zurück. Die Familie zog dort 1984 in ein größeres Zechenhaus, was für sie eine große Erleichterung gewesen sei. Schnell wurden die Nachbarn zu einer Gemeinschaft, wie eine große Familie. Man habe gemeinsam an allen Freuden und Problemen Anteil genommen, sich umeinander gekümmert und Ausflüge unternommen. Es sei nie um die Unterschiede gegangen, sondern um die Gemeinsamkeiten.
Genau das sei für die damalige Zeit besonders prägend gewesen, betont Werkstatt-Gründerin Anja Reutlinger, die auch als Ratsfrau im Stadtteil Meerbeck tätig ist. Ihr ist es besonders wichtig, mit ihrer Ausstellung das Leben der Bergmann-Frauen in den Vordergrund zu stellen, und nicht der Männer. „Sie haben damals das gesellschaftliche Leben geprägt, während ihre Männer unter Tage waren.“ Doch wie das Leben als Frau mit einem Bergmann im Hause war, darüber wisse man bisher nicht viel. So sei ihr die Idee zur Ausstellung gekommen.
Neun Frauen aus Moers haben für die Ausstellung in der Werkstatt Meerbeck ihre Lebensgeschichten erzählt
Mit ins Boot holte Reutlinger die Journalistin Ulrike Rauhut, die sich mit insgesamt neun Frauen getroffen hat, um etwas über das Leben der Frauen zu erfahren. „Zu Beginn habe ich immer die Frage gestellt: Wie hat der Bergbau dein Leben geprägt?“, sagt Rauhut. Dann habe sie die Frauen einfach erzählen lassen. „Sie haben uns ganz persönliche Momente anvertraut und uns die Möglichkeit gegeben, ihre unterschiedlichen Lebensgeschichten festzuhalten, die einen tief berühren.“
Fotografisch festgehalten wurden die Treffen von Bettina Engel-Albustin. „Mir war wichtig, die Frauen zunächst kennenzulernen, um sie so festzuhalten, wie sie sind. So natürlich wie nur möglich.“ Entstanden sind acht Porträts. Texttafeln neben den Bildern enthalten die jeweiligen Geschichten der Frauen.
Eröffnet wird die Ausstellung am 17. Dezember. Kommen kann, wer mag. Und auch danach lädt die Werkstatt Meerbeck zu mehreren Kaffeerunden ein, um sich die Ausstellung anzuschauen und mit den Frauen ins Gespräch zu kommen. „Durch solche Projekte bekommt man die Menschen zusammen. Der Austausch ist dabei das größte Geschenk“, so Reutlinger. Danach zieht die Ausstellung weiter in den Schacht IV. „Es ist eine Ausstellung, die wandern soll. Wir haben auch schon einige Anfragen bekommen.“
Anfragen für den Besuch der Ausstellung sowie weitere Informationen unter anja.reutlinger@t-online.de oder unter 0151/70153699 sowie 02841/537720.