Moers/Neukirchen-Vluyn. Die Baubranche befindet sich in einer Krise. Unternehmer aus Moers beklagen eine deutlich geringere Nachfrage. Das sind die wesentlichen Gründe.

Wohnraum wird dringend benötigt. Doch ob Haus oder Wohnung, es wird wenig gebaut. Die Baubranche befindet sich derzeit in einer Krise. Wie sieht die Lage in Moers und der Umgebung aus?

In Moers ist die Zahl der gestellten Bauanträge rückläufig. „Auffällig ist der Rückgang für dieses Jahr“, so Sprecher Thorsten Schröder. Während 2021 noch 307 Bauanträge eingegangen sind, ist die Zahl 2022 bereits auf 242 Anträge gesunken. Und in diesem Jahr sogar noch weiter. Bisher wurden insgesamt 100 Anträge gestellt. „Hochgerechnet werden es ungefähr 130 Anträge.“ Grundstücke zum Selbstbau gebe es allerdings noch. „Der Fachdienst Liegenschaften wird im Laufe der nächsten sechs bis acht Wochen sieben Grundstücke in Kapellen an der Wupperstraße anbieten“, sagt Schröder. Das Angebot richte sich an die Interessenten, die sich bislang beworben haben. Insgesamt scheint das Interesse an Neubauprojekten aber zurückgegangen zu sein. Darauf schließt Schröder „anhand der Anzahl der Kontaktformulare, Telefonaten oder E-Mails.“

In Neukirchen-Vluyn ist die Anzahl der Bauanträge rückläufig

Auch in Neukirchen-Vluyn ist nach Angaben der Stadt die Anzahl der Bauanträge rückläufig. Während 2022 noch rund 330 Anträge gestellt wurden, sind in diesem Jahr bislang 200 eingegangen. Das das Interesse am Neubau sinkt, bemerkt auch Ulrich Welke, Geschäftsführer von CCC Immogrund in Neukirchen-Vluyn: „Die Nachfrage ist bei uns um 70 Prozent gesunken. Wir haben noch zwei oder drei Wohnungen im Neubaugebiet auf dem ehemaligen Jahnplatz-Gelände an der Sittermannstraße und es ist auch nicht so, dass sich keiner auf die Anzeigen meldet. Aber: Die Nachfrage ist bei Weitem nicht mehr so hoch wie noch vor zwei Jahren.“

Ulrich Welke, Geschäftsführer von CCC Immogrund GmbH, ist für die Vermarktung der Immobilien im Neubaugebiet an der Sittermannstraße zuständig. Die meisten Wohnungen und Häuser sind vermittelt worden. Doch auch er bemerkt eine deutlich sinkende Nachfrage an Neubauobjekten.
Ulrich Welke, Geschäftsführer von CCC Immogrund GmbH, ist für die Vermarktung der Immobilien im Neubaugebiet an der Sittermannstraße zuständig. Die meisten Wohnungen und Häuser sind vermittelt worden. Doch auch er bemerkt eine deutlich sinkende Nachfrage an Neubauobjekten. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Das hat laut Ulrich Welke gleich mehrere Gründe. Ein wesentlicher Grund sind die gestiegenen Zinsen. „Aber auch die politische Unsicherheit führt zu einer großen Zurückhaltung.“ Hinzu komme die Inflation. Deswegen würden einige den Hausbau hinten anstellen. Auch der Unternehmer hat seine Bauprojekte um ein Jahr verschoben. Doch nicht nur die sinkende Nachfrage führt zu einem Stopp bei Bauprojekten. „Auch die Baukosten sind gestiegen“, sagt Welke. Zudem gebe es auch weiterhin Lieferschwierigkeiten. „Gerade in Bezug auf Heizungen.“ Doch nicht das Ende der Problemkette: „Für die Bauprojekte fehlt es auch an Handwerkern.“

Mit den Problemen habe die Branche laut Welke noch länger zu kämpfen. „Die Talsohle ist noch nicht erreicht.“ Er rechne damit, dass sich die Lage noch weiter verschärft. Deswegen hat der Unternehmer seinen Fokus vorerst auf Bestandsimmobilien gelegt.

Auch Bauunternehmen bemerken das sinkende Interesse an Neubauprojekten. „Wir verzeichnen bei den Nachfragen einen Einbruch um 60 Prozent“, so Oliver Stamsen, Geschäftsführer des Bauunternehmens Blask-Stamsen in Neukirchen-Vluyn. Neben den gestiegenen Zinsen, „die im Vergleich zu 2020 und 2021 in die Höhe geschossen sind“, sieht Stamsen auch die Politik für die aktuelle Entwicklung in der Verantwortung. „Die Politiker wollen den Klimaschutz immer weiter vorantreiben, was sich massiv auf die Baubranche auswirkt.“ Zum einen haben die Unternehmen durch die CO2-Steuer, die künftig auch noch weiter steigen wird, mit höheren Ausgaben zu kämpfen. Zum anderen werden die Kosten durch die angehende Kies-Steuer weiter in die Höhe getrieben. „Hinzu kommen noch deutlich höhere Materialkosten, die um 25 bis 30 Prozent gestiegen sind.“

Der Moerser Volksbankchef kritisiert das politische Wirrwarr

Neben dem „permanenten politischen Wirrwarrs aus Berlin hinsichtlich des Gebäudeenergiegesetztes“, hat laut Guido Lohmann, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Niederrhein, die Bundesregierung auch versäumt, funktionierende Anreize für den privaten wie auch den sozialen Wohnungsbau zu setzten. „Stattdessen behindern eine ausufernde Bürokratie mit über 20.000 Bauvorschriften, lange Baugenehmigungszeiten in den Kommunen, eine Grunderwerbssteuer in NRW von 6,5 Prozent sowie unübersichtliche Förderprogramme den Wohnungsbau.“ Lohmann betont: „Es wurde viel geredet und zu wenig gemacht. Deshalb haben wir genau die Entwicklung, vor der wir seit Jahren gewarnt haben.“

Im Vergleich zu 2022 hat die Volksbank Niederrhein in Moers, Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort mit bislang 30 Neubauvorhaben nur halb so viele wie im Vorjahr begleitet. „Was besonders auffällt, ist dass der Geschossneubau, also Mehrfamilienhäuser, nahezu zum Erliegen gekommen ist“, berichtet der Vorstandsvorsitzende. Dabei ist die Nachfrage und der Wunsch nach Eigentum bei den Menschen in der Region weiterhin groß. „Aktuell konzentrieren sich die Menschen stark auf den Kauf von Bestandsimmobilien.“