Am Niederrhein. Verbände kritisieren die Absage an verkaufsoffene Sonntage im Advent. Verdi verteidigt das Vorgehen. Offene Sonntage seien noch immer möglich.

Der Einzelhandel am Niederrhein hatte große Hoffnungen auf die Sonntagsöffnung der Geschäfte im Advent und am Sonntag nach Neujahr gesetzt, um das durch Corona verkorkste Jahr doch noch ein wenig rausreißen können. Nach dem V erbot der Öffnung durch das Oberverwaltungsgericht Münster (OVG) , das am Dienstag beschlossen wurde, ist die Empörung groß. Die Einzelhändler schwanken zwischen Wut und Verzweiflung.

„Das ist der Hammer“, entfuhr es Achim Reps, der Vorsitzende der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) in Moers . „Die Leute, die das entscheiden und gegen die Sonntagsöffnung klagen, haben keine Ahnung davon, in welcher Lage sich der Einzelhandel befindet , und sie machen sich offenbar auch keine Gedanken darüber.“ Verkaufsoffene Sonntage vor Weihnachten seien nicht mit offenen Sonntagen beispielsweise aus Anlass von Stadtfesten zu vergleichen, an denen die City proppevoll ist. „Die Besucherströme zu entzerren war ja gerade unser Ziel“, so Reps. Von der der Entscheidung des OVGwerde nur der Online-Handel profitieren. Was Achim Reps, der auch Inhaber der Villa Wölkchen an der Fieselstraße ist, zusätzlich wurmt: „Selbst telefonisch vereinbarte und über den Tag verteilte Einzelbesuche von Kunden können wir nicht machen.“

Verbände und Werbegemeinschaften in Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn glauben nicht an übervolle Innenstädte an Adventssonntagen

Auch Jan-Christian Schneider, der als stellvertretender Vorsitzender des Werberings Neukirchen-Vluyn 135 Mitgliedgeschäfte vertritt, ist vom OVG-Urteil bedient: „Das Verbot ist sehr ärgerlich und schadet vor allem den kleinen, inhabergeführten Geschäften.“ Sonntags, so seine Erfahrung, habe man andere Kunden als wochentags, wenn sie Supermarkt und Arbeit hinter sich haben: „Die haben Zeit, sind entspannt und bereit, Geld auszugeben“, so der Inhaber des Fotogeschäftes „High Class Photo“ in Vluyn. Gerade die kleinen Läden würden „gerne jeden verkaufsoffenen Sonntag mitnehmen, den sie bekommen können“, sagt Schneider und fügt – ähnlich wie sein Moerser Kollege Reps – mit Blick auf die Konkurrenz hinzu: „Das Internet kennt keinen Sonntag.“

Als „Dogmatik von Vorgestern“ bezeichnet so auch die Geschäftsführerin des Handelsverbands Niederrhein, Doris Lewitzky , das Vorgehen der Gewerkschaft Verdi. Zumal das jetzige Argument, zusätzliche Einkaufstage erhöhten das Infektionsrisiko, bereits widerlegt seien. Die einzige Möglichkeit, mit der man die Einzelhändler in dieser Zeit zumindest etwas hätte entlasten können, wäre gewesen, „wenn die Gewerkschaft nicht geklagt hätte“, so Lewitzky weiter. Stattdessen könne Verdi nicht über ihren Schatten springen. „Diese Blockadehaltung ist nicht nachvollziehbar.“ Zumal man ja auch nicht jeden Sonntag öffnen wolle. Jedoch: In der derzeitigen Situation hätte man sich auch ein Signal erhofft, so Doris Lewitzky.

Beschäftigte im Einzelhandel hätten Verdi zum Handeln aufgefordert

Auch interessant

Bettina Reiner sieht das ähnlich: „Dass man das in diesen Zeiten so durchdrücken muss, kann ich nicht ganz nachvollziehen“, sagt die Geschäftsführerin der Werbegemeinschaft Kamp-Lintfort . „In normalen Zeiten würde ich selbst sagen, dass ich den verkaufsoffenen Sonntag nicht brauche“, sagt Reiner, „aber jetzt? “ Zumal, so die Geschäftsführerin weiter, alle Geschäfte vorsichtig seien und sich an die Regeln hielten.

Der Vorsitzende des Verdi-Bezirks linker Niederrhein , Dominik Kofent, rechtfertigt unterdessen das Vorgehen seiner Gewerkschaft. Das Urteil des OVG gebe ihr ja auch Recht, so Kofent weiter. In seinem Bezirk seien in der vergangenen Woche „unzählige Anrufe“ von Beschäftigten im Einzelhandel eingegangen, die Verdi zum Handeln aufgefordert hätten.

Late-Night-Shopping als Ausgleich für gestrichene Sonntagsöffnungen?

Kofent unterstreicht die Haltung der Gewerkschaft, dass die grundsätzliche Öffnung der Adventssonntage einen unkontrollierbaren Besucherstrom in die Innenstädte geleitet hätte. Das habe man nun verhindert. Allerdings sei die Möglichkeit der verkaufsoffenen Sonntage auch weiterhin gegeben, so Kofent, aber nur, wenn sie anlassbezogen seien. Also dann, wenn die Stadt einen Festcharakter konstruieren würde, in dessen Rahmen man einen verkaufsoffenen Sonntag rechtfertigen könnte.

Ähnlich sind Stadt und Politik im Oktober vorgegangen, als sie am Wochenende des 3. Oktobers den „Tag der Einheit und des Zusammenhaltes in Corona-Zeiten“ auf den Weg brachten. Das allerdings ist durch die derzeitige Verordnungslage kaum möglich. Als Ausweichmöglichkeit schlägt Kofent das Late-Night-Shopping vor.