Moers. Doris Lewitzky ist neue Erste Geschäftsführerin beim Handelsverband Niederrhein in Moers. Sie sagt: „Der Handel ist in einer Umbruchphase.“
Doris Lewitzky ist neue Erste Geschäftsführerin beim Handelsverband Niederrhein mit Sitz in Moers. Im Interview mit Matthias Alfringhaus (NRZ) berichtet sie über die Herausforderungen und Chancen für den Einzelhandel in der Region.
Mit welchen Zielen gehen Sie ihre neue Aufgabe als Geschäftsführerin an?
Doris Lewitzky: Manchmal muss ein altes Sprichwort herhalten: „Handel ist Wandel“. Der Handel und damit auch unsere Mitgliedsbetriebe befinden sich aktuell in einer herausfordernden Umbruchphase zwischen traditionellem, stationären Handel und vollständiger Digitalisierung sowie allen denkbaren Zwischenschritten. Dieser Umbruch hat Auswirkungen auf die Innenstädte, die Stadtteile und die Einkaufszentren. Die Aufgabe des Verbandes und damit auch der Geschäftsführung sehe ich darin, gemeinsam mit allen Akteuren den Handel aktiv bei der Bewältigung dieser Zukunftsaufgaben und der damit verbundenen Neuaufstellung zu unterstützen und die Interessen des Handels zu vertreten.
Welche Herausforderungen kommen auf den Handel am Niederrhein zu?
Wie fast jede Handelsregion steht auch die Handelsregion am Niederrhein in Konkurrenz zu Nachbarstädten und Gemeinden und als Grenzregion auch zu unseren niederländischen Nachbarn. Hier ist es wichtig, Alleinstellungsmerkmale zu finden, sich so aufzustellen, dass die Kunden gerne in unsere Einkaufsstätten fahren und dort auch kaufen. Neben einer guten Erreichbarkeit, ausreichenden Parkmöglichkeiten und auch guter Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sind zunehmend nicht nur attraktive Geschäfte wichtig, sondern auch eine insgesamt stimmige Aufenthaltsqualität für den Kunden. Dies reicht über eine saubere und gepflegte Optik, über begleitende gastronomische Angebote bis hin zu besonderen Serviceangeboten. Hier ist aus Sicht des Verbandes auch die verlässliche Durchführbarkeit von verkaufsoffenen Sonntagen, gerade auch mit Blick auf unsere Nachbarn, unabdingbar. Wir brauchen dringend eine neue gesetzliche Rechtsgrundlage, welche dem Handel ohne Auflagen und Einschränkungen zu einer festzulegenden Anzahl von Sonntagen eine Öffnung erlaubt, ohne Gefahr zu laufen, dass diese kurzfristig von Verdi beklagt werden.
Wie verändert Corona den Handel in der Region?
Durch Corona sind die Branchen des Handels, auch die am Niederrhein, ganz unterschiedlich betroffen worden. Es gibt Branchen, wie den Lebensmittelhandel, den Fahrradhandel oder auch den Handel mit Heimwerker- und Einrichtungsbedarf, die mit Zuwächsen durch die Krise gegangen sind, während die Sortimentsgeschäfte, die für die Attraktivität der Innenstädte relevant sind, massive Umsatzeinbußen zu verzeichnen hatten und auch noch haben. Insbesondere der Einzelhandel mit Bekleidung und Schuhen sowie Lederwaren, aber auch Uhren und Schmuck sowie Sportausrüstung und Spielwaren sind erheblich von der Krise getroffen worden. Aktuell fühlen sich noch 15 % der Händler von einer Geschäftsaufgabe stark oder sehr stark bedroht. Auch zurzeit sind die Kunden weiter zurückhaltend, was ihr Kaufverhalten im stationären Einzelhandel angeht. Dies wird auch mit der Maskenpflicht begründet. Andererseits haben die Händler durch die Einhaltung der Corona-Schutzverordnung und die Schaffung eines hohen Hygienestandards alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kunden gefahrlos in die Geschäfte kommen können. Mit unserer Kampagne „Nicht nur klicken - Auch Anfassen“ soll der Kunde auf die bestehenden Vorzüge des stationären Einzelhandels aufmerksam gemacht werden, denn nach Umfragen wünschen sich 90 % der Kunden funktionierende Innenstädte.
Wie können Händler in der Region dem Sog des Internets begegnen?
Wichtig ist aus unserer Sicht, dass sich jeder Händler damit auseinandersetzt, ob und wie er für sich die digitalen Möglichkeiten nutzen kann. Wir haben von Seiten des Verbandes Digital-Coaches beschäftigt, welche auf Anfrage mit jedem Händler individuell die bestehenden Optionen ausloten und interessante Bausteine der Digitalisierung umsetzen und verwirklichen. So kann der Kunde beispielsweise nicht stationär vorhandene Waren bestellen und nach Hause geliefert bekommen, um so ein Abwandern dieses Kunden in den Online-Handel zu verhindern. Und die Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden zu kennen und sein Warenangebot entsprechend aufzustellen, ist neben der Beratungskompetenz gleichfalls unabdingbar, um gegen den Online-Handel zu bestehen.
Wie kann die Innenstadt in Moers attraktiv für Kundinnen und Kunden bleiben?
Für die Innenstadt in Moers gilt nichts anderes als für vergleichbare Innenstädte auch. Man muss mit seinen Highlights punkten, das vielfältige Einzelhandelsangebot, das Schloss, die schöne Altstadt, die Aufenthaltsqualität, die Erreichbarkeit, gute Parkoptionen, funktionierender ÖPNV, freies WLAN. Der Kunde und Besucher sollte wissen, warum er ausgerechnet nach Moers fahren soll. Dies muss natürlich bestenfalls auch durch entsprechendes Marketing begleitet werden. Hier ist die Stadt Moers gut aufgestellt und auch die flankierenden Veranstaltungen wie zuletzt MO-FUN oder das Fest der Kulturen aus Anlass des verkaufsoffenen Sonntages haben dazu geführt, dass Moers bei den Besuchern und dadurch bestenfalls auch Kunden positiv wahrgenommen wird. Hier gilt es nicht nachzulassen und diesen Weg konsequent weiter zu beschreiten.
Wie wichtig ist es, dass die Moerser Händler wieder eine/n Sprecher/in bekommen?
Das Stadtmarketing bindet den Handel in die handelsrelevanten Entscheidungen nach Möglichkeit mit ein und ist auch jederzeit Ansprechpartner für deren Belange. Ein Sprecher wäre dann nötig, wenn sich der Handel insgesamt nicht gehört und seine Interessen nicht berücksichtigt findet. Auch von Seiten des Verbandes liegt natürlich ein großes Augenmerk darauf, die Belange des Handels bei diesen tangierenden Entscheidungsfindungen bestmöglich zu unterstützen.
Welche Zukunft hat der Handel in den Moerser Stadtteilen?
Die Stadtteile fühlen sich gegenüber den Innenstadtlagen häufig abgehängt und nicht ausreichend gewürdigt. Gerade in Zeiten der Corona-Krise hat sich jedoch gezeigt, wie wichtig die Nahversorgung gerade auch in den Stadtteilen ist und wir konnten auch erkennen, dass sich die Kunden verstärkt mit ihren Händlern vor Ort solidarisiert haben. Es wurden vermehrt die wohnortnahen Unternehmen unterstützt und zum Beispiel auch mit Gutscheinaktionen deren Existenz zu retten versucht. Es wäre wünschenswert, dass die Kunden sich auch zukünftig an ihre örtlichen Anbieter erinnern und feststellen, dass das Sterben des Einzelhandels in den Stadtteilen auch zu einer Verminderung der eigenen Lebensqualität führt.
Zur Person: Doris Lewitzky ist Volljuristin und nach dem zweiten Staatsexamen seit September 1993 beim Handelsverband NRW Niederrhein tätig. Sie hat die Nachfolge des langjährigen 1. Geschäftsführers Wilhelm Bommann angetreten.