Kreis Wesel. Im Kreis Wesel soll in vielen Kommunen die Grundsteuer B erhöht werden – oder ist schon gestiegen. Was das für die Bürgerinnen und Bürger heißt.

An der Grundsteuer B kommt niemand vorbei: Wer eine Immobilie oder ein Grundstück besitzt, muss sie direkt an seine Stadt oder Gemeinde entrichten – Mieterinnen und Mieter zahlen die Abgabe in der Regel indirekt über die Nebenkostenabrechnung. Deswegen schauen viel Bürgerinnen und Bürger ganz genau hin, wie sich die Hebesätze bei ihnen vor Ort entwickeln, schließlich hat jede Erhöhung unmittelbare Folgen für den Kontostand. Die 13 Kommunen im Kreis Wesel gehen dabei unterschiedlich vor, ein Trend ist aber erkennbar, wie ein Vergleich der aktuellen Beschlüsse und Vorschläge zeigt.

Grundsteuer im Kreis Wesel: Diese Kommunen wollen erhöhen

So plant eine knappe Mehrheit für 2024 eine Erhöhung oder hat sie bereits beschlossen. Bei diesen Städten und Gemeinden handelt es sich um Hamminkeln, Moers, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg, Wesel und Xanten, auch in Schermbeck könnte eine weitere Erhöhung möglich sein, noch liegen aber keine konkreten Zahlen vor. Durch sind die Pläne ohnehin noch nicht überall, in einigen Städten laufen derzeit noch die politischen Diskussionen zum Beschluss. Keine Veränderungen sind in Alpen, Dinslaken, Hünxe, Kamp-Lintfort, Sonsbeck und Voerde geplant. Das teilen die Kommunen auf Anfrage der Redaktion mit.

Die Grundsteuer B gehört für die Kommunen zu den wichtigsten Einnahmequellen. Denn das Geld der Bürgerinnen und Bürger fließt direkt und komplett in den städtischen Haushalt, zudem kann die Höhe von den Rathäusern mit einem politischen Beschluss durch den Rat selbst festgelegt werden. Das gilt zwar für die Gewerbesteuer ebenfalls, doch da die Erträge daraus von den wirtschaftlichen Erfolgen der Unternehmen vor Ort abhängig sind, unterliegt diese Abgabe deutlich größeren Schwankungen. Mit den Einnahmen aus der Grundsteuer B können die Kämmerer hingegen ziemlich zuverlässig kalkulieren, denn die Zahl der Immobilieneigentümer ändert sich pro Jahr kaum.

Welche Gründe die Kommunen für die Grundsteuererhöhung angeben

Die Gründe für die bereits umgesetzten oder geplanten Erhöhungen in so vielen Kommunen klingen fast immer gleich: Es ist zu wenig Geld da, für zu viele Aufgaben. Adressiert wird diese Kritik vor allem an das Land und den Bund. So haben auch die meisten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus dem Kreis Wesel im vergangenen Herbst einen Brandbrief an Ministerpräsident Henrik Wüst unterschrieben. Darin warnte der Städte- und Gemeindebund: „Wenn Bund und Land untätig bleiben, bleibt vielen Städten und Gemeinden nichts anderes übrig, als die Hebesätze der Grundsteuer B drastisch anzuheben und freiwillige Leistungen wie zum Beispiel den Betrieb von Bädern oder soziale Hilfen zurückzufahren.“

Zu den zusätzlichen Belastungen für die Haushalte gehören zum Beispiel die Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen, der Ausbau von Kita-Plätzen, die Wohngeldreform oder die gestiegenen Personalkosten durch die Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst, außerdem hat sich die allgemeine wirtschaftliche Lage verschlechtert, wodurch Einbrüche bei den Gewerbesteuereinnahmen drohen. „Die Kommunen sind zwingend auf Hilfen angewiesen. Die Ballung von Kriseneffekten und enorme zusätzliche Belastungen gefährden akut den Fortbestand der kommunalen Selbstverwaltung“, stellte Christoph Landscheidt im November klar. Der Bürgermeister von Kamp-Lintfort ist zugleich der neue Präsident des Städte- und Gemeindebundes in Nordrhein-Westfalen.

In manchen Kommunen stehen zudem große Investitionen in die Infrastruktur an – auch die kosten eine Menge Geld. So plant beispielsweise Schermbeck für den Neubau der dortigen Grundschule rund 32 Millionen Euro ein. Diese Investitionssumme „entspricht einer Erhöhung der Grundsteuer B um mehr als 300 Punkte für die nächsten 30 Jahre“, erklärt Kämmerer Alexander Thomann auf Nachfrage der Redaktion. Er erwartet auch deshalb in den nächsten Jahren weiter steigende Hebesätze.

Was bedeutet das für die Bürgerinnen und Bürger? Wie heftig sich der Hebesatz der Grundsteuer B für den einzelnen auswirken könnte, zeigt ein Vergleich der beiden Extrembeispiele im Kreis Wesel. Den niedrigsten Satz weist aktuell Sonsbeck auf: Die Grundsteuer in der kleinen Gemeinde liegt bei 411 Prozentpunkten, für ein durchschnittliches Beispiel-Einfamilienhaus zahlt ein Immobilienbesitzer jährlich eine Abgabe von 382,60 Euro. Würde die Großstadt Moers tatsächlich den Vorschlag der Verwaltung umsetzen, die Grundsteuer in diesem Jahr um satte 600 Prozent zu erhöhen, würden für das gleiche Haus 1246,80 Euro fällig. Allerdings gibt es in Moers noch ein zweites Szenario. Das sieht vor, die Abgabe in den nächsten zehn Jahren jeweils um 60 Prozentpunkte nach oben zu schrauben. Derzeit liegt sie bei bei 740 und ist damit die zweithöchste im Kreis.

Grundsätzliche Kritik an den Erhöhungen der kommunalen Steuern, die nicht nur im Kreis Wesel, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen schon seit einigen Jahren deutlich zu beobachten sind, kommt vom Bund der Steuerzahler. Zwar sieht der Lobbyverein die vielen finanziellen Probleme, mit denen die Städte und Gemeinden derzeit zu kämpfen haben. „Die Kommunen sind das letzte Glied in der Nahrungskette und das Land ist in der Pflicht“, sagt Joscha Slowik, Referent für Haushalt- und Finanzpolitik beim Steuerzahlerbund im Gespräch mit der Redaktion. „Trotzdem muss jede Kommune erstmal vor der eigenen Haustür schauen, welche Sparpotenziale es gibt.“ Die Steuerpolitik sollte nicht an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger sowie dem örtlichen Gewerbe vorbeigedacht werden, fordert der Verein. Gerade in Zeiten, die von einer hohen Inflation, teuren Energiepreisen und zunehmender Unsicherheit geprägt seien, müssten Städte und Gemeinden ihren Teil zur Entlastung der Menschen beitragen.

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es in der Tabelle, dass die Grundsteuer in Schermbeck in 2024 auf 750 Prozentpunkte steigen soll. Tatsächlich ist sie schon 2023 auf einen Hebesatz von 750 gestiegen. Ob der Wert stabil bleibt oder noch weiter erhöht wird, ist laut Kämmerei noch nicht entschieden worden.

Grundsteuerreform

Die aktuellen Erhöhungen stehen noch nicht im direkten Zusammenhang mit der Grundsteuerreform. Die neuen Regelungen werden erst ab 2025 angewendet. Die Reform soll dabei „aufkommensneutral“ umgesetzt werden. Das bedeutet, dass das Steueraufkommen in den Kommunen weder niedriger noch höher ausfällt als vorher – das gilt dann auch für die gesamte Steuerbelastung für die Bürgerinnen und Bürger. Laut dem Bund der Steuerzahler wird es aber zu individuellen Verschiebungen kommen, sodass eine Person nach der Reform eventuell mehr, die andere aber weniger zahlen muss. Den Kommunen soll nach der Erhebung der neuen Werte der entsprechende Hebesatz, der für die Aufkommensneutralität wichtig ist, im Laufe des Jahres mitgeteilt werden. Der Steuerzahlerbund pocht hier auf Transparenz: „Diese Hebesätze müssen auch veröffentlicht werden“, sagt Joscha Slowik.