Wesel. In Wesel ist die Grundsteuer B erhöht worden. Viele Bürgerinnen und Bürger können das nicht nachvollziehen und sind sauer. So reagiert die Stadt.
Als Wilhelm Beckmann den Gebührenbescheid für das neue Jahr aus dem Briefkasten geholt hat, traut der Weseler seinen Augen nicht. Statt 537 Euro soll er nun als Besitzer eines Reihenhauses auf dem Fusternberg 752 Euro Grundsteuer an die Stadt entrichten. „Das ist ein Anstieg von 40 Prozent innerhalb eines Jahres“, rechnet Beckmann vor. So wie ihm geht es derzeit wohl vielen Weselerinnen und Weselern beim Gang zum Briefkasten. Seitdem die Stadt ihre Infoschreiben zu den Grundbesitzabgaben für 2024 verschickt hat, ist der Ärger groß. Bei der NRZ-Redaktion haben sich mehrere Leserinnen und Leser gemeldet, die nicht nachvollziehen können, warum die Abgaben so stark gestiegen sind – und auch in den sozialen Netzwerken entbrannte darüber eine Diskussion.
Zur Einordnung: Die Grundsteuer B, die von allen Immobilienbesitzern gezahlt werden muss, ist in Wesel zum Jahreswechsel deutlich erhöht worden – von 493 auf 690 Prozentpunkte. Diesem Vorschlag der Verwaltung stimmte der Stadtrat in seiner Sitzung im Dezember zu. Grund für diese Entscheidung ist die angespannte Haushaltslage: Auch mit der Erhöhung rechnet die Stadt für 2024 mit einem Defizit von 16,8 Millionen Euro. Um zu vermeiden, dass Wesel in die Haushaltssicherung rutscht, haben sich Verwaltung und die Mehrheit der Politik auf Steuererhöhungen verständigt. Das betrifft neben der Grundsteuer B auch die Grundsteuer A für land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, die von 265 auf 370 Prozentpunkte ansteigt, und für die Gewerbesteuer, die von 448 auf 468 Prozentpunkte erhöht wurde. Gestiegen sind zudem die Gebühren für die Entsorgung von Schmutzwasser und Niederschlagswasser.
Die Stadt begründete die Steuererhöhungen mit den vielen Mehrkosten, die sie schultern müsse – und für die es aus Sicht der Verwaltung nicht genügend finanzielle Unterstützung von Bund und Land gebe. Wesel fordert deshalb zusammen mit 354 anderen Kommunen aus Nordrhein-Westfalen mehr Geld – zum Beispiel für die Finanzierung von Kita-Betreuung, den Ausbau des Ganztags, den Veränderungen beim Wohngeld, die Unterbringung von Flüchtlingen, dazu kommen gestiegene Personalausgaben sowie höhere Bau- und Zinskosten.
Finanzen in Wesel: Stadt rechnet mit einem Defizit
„Wir wollen auf keinen Fall in die Haushaltssicherung“, sagte Bürgermeisterin Ulrike Westkamp kurz vor Weihnachten bei einem Pressegespräch zum Ausblick auf das Jahr 2024. Noch kann das erwartete Defizit zwar aus den Rücklagen ausgeglichen werden, doch in den nächsten Jahren wird sich die Situation wohl erstmal nicht ändern. Kurzum: Aus Sicht der Stadtverwaltung gab es keine Möglichkeit, um Steuererhöhungen zu vermeiden. „Verwaltung und auch die Politik haben sich diese Entscheidung nicht leicht gemacht“, sagt Kämmerer Klaus Schütz am Montag im Gespräch mit der NRZ. „Doch es gäbe sonst Löcher im Haushalt, die wir nicht mehr stopfen könnten.“
Trotz dieser Erklärung der Verwaltung äußerten viele Weseler ihren Unmut über die Erhöhung und rechnen teilweise vor, wie sehr sie sich auf dem Konto niederschlägt. „Ich finde das in so einer Zeit unangemessen. Wir Bürger können nicht für alles und jeden zur Kasse gebeten werden. Es gibt mit Sicherheit noch andere Einsparmöglichkeiten“, schreibt beispielsweise Andy Marquardt auf der Facebook-Seite der NRZ. Nadine Teufel schreibt, dass sie nun 150 Euro mehr im Jahr zahlen muss: „Und das in der heutigen Zeit, alles wird nur noch teurer.“
Grundsteuer-Erhöhung: Das sagen Weseler zur Steuererhöhung
Nicki Wülf beschreibt es in der Diskussion so: „Als Hausbesitzer sind es ja nicht nur die Kosten der Stadt, die Versicherungen haben ja auch ordentlich aufgeschlagen. Von Strom, Gas und sonstigen Kosten sprechen wir ja gerade nicht. Bei uns sind es übrigens satte 400 Euro mehr im Jahr!“ Markus Hülser-Kusch berichtet, dass er nun 120 Euro im Jahr mehr zahlen müsse. „Im Grunde, wenn vernünftig erklärt werden kann, wo das Geld hingeht, kein Thema! Aber ohne große Erklärung?“, kommentiert er und fürchtet, dass angesichts der ohnehin schon hohen Preise in vielen Bereichen durch solche Steuererhöhungen mehr Leute zu extremen Parteien getrieben werden.
Per E-Mail hat sich Leser Wilhelm Duvenbeck ebenfalls verärgert bei der Redaktion gemeldet. „Mit Interesse haben wir heute den Grundsteuerbescheid der Stadt Wesel gelesen. Dabei ist aufgefallen, dass die Grundsteuer bei uns um circa 40 Prozent angehoben wurde. Bei diesen Prozentzahlen erinnerte ich mich an die Aussage eines Rechtsanwaltes, der sagte: Bei einer Dienstleistung, die fast 50 Prozent höher ist wie vorher, kann man von Wucher ausgehen.“
Für Wilhelm Beckmann gibt es noch einen weiteren Punkt, der ihn verärgert. In einem dem Abgabenbescheid beigelegten Infoschreiben heißt es, dass die eingenommenen Mittel aus Grundsteuer unter anderem zur Finanzierung von Schulen, Kitas, Straßen und Spielplätzen verwendet werden. „Das ist keine richtige Erklärung, diese Ausgaben gab es vorher auch schon“, sagt der Fusternberger. Er hätte sich gewünscht, dass die Stadt detaillierter über die Gründe für die Steuererhöhung informiert.