Kreis Wesel. Schiedspersonen sorgen dafür, dass Nachbarschaftsstreits kaum vor Gericht landen – auch im Kreis Wesel. Wie sich das Konfliktverhalten wandelt.

Natürlich müssen Nachbarn nicht gleich beste Freunde sein, aber das freundliche Grüßen, mal ein Plausch am Gartenzaun oder bei Bedarf einander mit Werkzeug aushelfen sollten schon drin sein. Ist es aber nicht immer, mitunter kann es sogar in extreme Streitigkeiten ausarten, wie Carla Walther, Jutta Kiefer und Christina Stallmann nur zu gut wissen – sie sind als Vorsitzende der Schiedsleute schon seit einigen Jahren in der Region tätig und bekommen mit Nachbarschaftsstreitigkeiten regelmäßig zu tun.

Themen bei Nachbarschaftsstreits: Baumschnitt, Lärm, aber auch installierte Kameras

Denn das Schiedsamt ist in der Regel bei solchen Auseinandersetzungen den Gerichten vorgeschaltet – die ehrenamtliche Tätigkeit sorgt für Entlastung. Die Amtsgerichte führen keine gesonderte Statistik, Nachbarschaftsstreitigkeiten bilden aber einen Schwerpunkt in der Arbeit der Schiedspersonen.

Der Umgang mit Baumschnitt, überwuchernden Hecken oder Lärm seien typische Themen. Was inzwischen auch eine Rolle spielt: „Jemand fühlt sich durch die am Haus der Nachbarn installierte Kamera, die auch auf das eigene Grundstück oder auf den öffentlichen Gehweg gerichtet ist, beobachtet“, hat Carla Walther, Vorsitzende der Bezirksvereinigung Krefeld/Moers festgestellt. Nach Landesdatenschutzgrundverordnung dürfe dies nicht sein. Und: Wer in Neubaugebieten ein Haus mit Garten beziehe, wolle es sich schnell schön machen – und pflanze dann schon mal Bäume oder Sträucher zu nah an der Grenze zum Grundstück des anderen. Meistens aus Unwissenheit über die Regelungen des Nachbarschaftsrechts dazu. Manch einer lasse auch die Mülltonne immer wieder offen stehen, „man lacht, aber im Sommer ist das schon schlimm“, sagt Christina Stallmann aus Voerde. Klar, das stinkt und lockt Ungeziefer an.

Schiedsfrauen: Auseinandersetzungen unter Nachbarn haben oft Vorgeschichten

Diese Ärgernisse allein seien oft nur der bekannte Tropfen, „der das Fass zum Überlaufen gebracht hat“, sagt Jutta Kiefer aus Wesel. Ihrer Erfahrung nach sei der Konflikt nicht an dieser einen Sache aufgehängt, „sondern ein schwelender Krieg über Jahre hinweg“. Das Ziel ihrer Mediation ist, dass eine Einigung zustande komme, „auf Augenhöhe“. Was dann als Lösung formuliert wird, muss von beiden Parteien unterschrieben werden. Mit dem Dienstsiegel der Schiedsleute habe die Vereinbarung 30 Jahre vor Gericht Gültigkeit, erklärt Kiefer. Wenn die Schlichtung keinen Erfolg hat, wird eine Erfolglosigkeitsbescheinigung ausgestellt. Dann kann der Fall doch noch das Gericht beschäftigen.

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Das passiert offenbar selten: Nur wenige Fälle landeten vor Gericht, heißt es etwa vom Amtsgericht Dinslaken. Ein Vorteil des Schiedswesens sind seine Kosten: Etwa 60 Euro koste ein solches wohnortnahe Verfahren, Termine könnten auch am Abend vereinbart werden, sagt Kiefer. Streitigkeiten könnten so viel schneller abgewickelt werden, betont Stallmann. „Es ist nicht öffentlich, es geht nur um das, was im Raum besprochen wird.“

Wandel im Konfliktverhalten: „Das Verständnis geht abhanden“

Die Schiedsfrauen können auf viele Jahre Erfahrung zurückblicken und beobachten einen Wandel im Konfliktverhalten, allem voran: weniger Kompromissbereitschaft. Man sehe nur sich selbst und wolle nicht benachteiligt werden, „das Verständnis für die Sicht des anderen geht abhanden“, so Walther. Ihre Kollegin aus Voerde macht fehlende Kommunikation als ein großes Problem aus, die Folge: Ein ganz anderer Tonfall, zur Hälfte habe sie in den Nachbarschaftsstreitigkeiten nun auch mit Beleidigungen und Beschimpfungen zu tun.

Informationen zum Schiedswesen im Kreis Wesel: