Kreis Wesel. Die AOK hat Fakten zur Gesundheits- und Versorgungssituation zusammengetragen. Wo sie im Kreis Wesel Auffälligkeiten sieht.

Schicksalsschläge, einschneidende Erlebnisse wie die Scheidung der Eltern oder Veränderungen durch einen Umzug können ein Kind in seiner Entwicklung beeinflussen. Die Krankenkasse AOK Rheinland-Hamburg sieht im Kreis Wesel vergleichsweise viele Kinder und Jugendliche von einer Anpassungsstörung betroffen – mit 2,1 Prozent der Versicherten liegt der Wert über dem Schnitt der betrachteten Regionen Rheinland/ Hamburg (1,6 Prozent). Zugleich besuchen nur 50 Prozent der Betroffenen einen Psychotherapeuten.

Raten sie, ihren Patienten erstmal abzuwarten? Gibt es zu wenig Plätze? „Wir können in unserem Gesundheitsreport nicht direkt Gründe oder Lösungen nennen, aber wir decken Hinweise auf, die als Diskussionsgrundlage dienen“, sagt Manrico Preissel, AOK-Regionaldirektor Kreis Wesel und Kleve bei der Vorstellung des diesjährigen Gesundheitsreports. Die Erkenntnisse stellt die Krankenkasse auch Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Bürgermeistern und Kreisverwaltung zu Verfügung – bei der kommunalen Gesundheitskonferenz soll das näher beleuchtet werden.

ADHS: Kinder im Kreis Wesel erhalten überdurchschnittlich lang Medikamente

Ein Schwerpunkt im Bericht: die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen im Kreis. Hinsichtlich der Häufigkeit von motorischen Entwicklungsstörungen sind keine Auffälligkeiten erkennbar. Überdurchschnittlich viele der Betroffenen (81,4 Prozent) erhalten aber eine entsprechende Behandlung.

Eine Auffälligkeit gibt es bei Kindern, die wegen ADHS Medikamente erhalten: Hier ist der Anteil derer, die Medikamente länger als drei Jahre erhalten, mit 65,2 Prozent recht hoch – im Schnitt sind es 60 Prozent. „Das sollte natürlich behandelt werden, aber je kurzfristiger, desto besser“, erläutert Dr. Volquart Stoy, der den Report für die AOK mitverfasst hat.

Versorgungsgrad im Kreis Wesel: „Trotzdem gibt es lange Wartezeiten“

Ein Blick auf den Versorgungsgrad der Fachärzte – auch im Bereich Kinderheilkunde – zeigt, dass der Kreis Wesel hier im grünen Bereich liegt. Diese Zahlen stammen von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Die Krankenkasse hält hier jedoch eine erneute Bedarfsanalyse für notwendig: „Trotzdem gibt es lange Wartezeiten, die letzte Bedarfsanalyse ist lange her“, erläutert Preissel.

Einen weiteren Fokus hat die AOK auf die stationäre Krankenhausversorgung gelegt: Denn hier gab es den Angaben zufolge 2022 überdurchschnittlich viele Krankenhausfälle, wenn sich auch die Pandemie noch auswirkte – bei je 1000 ganzjährig Versicherten waren es 236. Zum Vergleich: Vor der Pandemie zählte die AOK hier 276.

27 Hausärzte fehlen im Kreis Wesel – Große Probleme im Raum Xanten

Zugleich zeigte sich eine überdurchschnittlich kurze Verweildauer im Krankenhaus. Die Annahme der Krankenkasse: Bei vielen Fällen könnte es sich um potenzielle Fehlbehandlungen handeln, die ebenso ambulant hätten erfolgen können. Pascal Wieners, Leiter Regionales Gesundheitsmanagement, vermutet hier ein Ressourcenproblem der Hausärzte, die nicht mehr so häufig die Pflegeeinrichtungen aufsuchen könnten und sicherheitshalber eine Einweisung ausstellten. Bei den ambulanten Notfällen lag der Kreis 2021 derweil im Schnitt, überdurchschnittlich viele Patientinnen und Patienten (70,3 Prozent) mussten im Krankenhaus behandelt werden. Hier vermutet Wieners einen Einfluss der veränderten Notdienst-Struktur. Wer keine Notdienstpraxis in der Nähe hat, sucht doch ein Krankenhaus auf.

Stichwort Hausärzteversorgung: Wie berichtet hat vor allem der Bereich Xanten Probleme. Den Daten der KVNO zufolge liegt diese Region auf dem Grenzwert zur gesetzlichen Unterversorgung von 75 Prozent – und ist damit Schlusslicht der betrachteten Gebiete. Insgesamt fehlen im Kreis derzeit 27 Hausärzte: „Bei der Lücke, die wir hier haben und sehen, bekommt man Sorge um die ambulante Versorgung im Kreis Wesel“, sagt Manrico Preissel. Immerhin: Aufgrund der Bemühungen von KVNO und Kreis habe sich zuletzt ein Arzt gemeldet. Das zeigt aber auch: Es wird Zeit dauern.

Weiter Vorsorgemuffel im Kreis Wesel – Krankenkasse sieht dringenden Handlungsbedarf

  • Check-Up oder Krebsfrüherkennung: Die Menschen im Kreis präsentieren sich weiter als Vorsorgemuffel – besonders deutlich wird das bei den Männern. „Es ist nicht nur eine Empfehlung, wir sehen hier dringenden Handlungsbedarf“, sagt Preissel und rät eindringlich, die kostenlosen Leistungen der Krankenkassen zu nutzen.
  • Die AOK hat auch Daten zur Lebenserwartung ausgewertet: So liegt sie hier bei Männern mit 78,6 Jahren etwas über dem NRW-Schnitt von 78,3. Frauen werden kreisweit im Schnitt 82,9 Jahre alt – genauso wie in ganz NRW auch.