Kreis Wesel. Der Kreis Wesel verzeichnete 2021 die höchste krebsbedingte Sterberate in NRW. Wie sich das erklären lässt und warum Vorsorge so wichtig ist.

Es ist ein trauriger Spitzenwert: Der Kreis Wesel hat 2021 die höchste krebsbedingte Sterberate in Nordrhein-Westfalen aufgewiesen. Wie das statistische Landesamt anlässlich des Weltkrebstages kürzlich mitgeteilt hat, sind im Jahr 2021 insgesamt 1584 Menschen im Kreis Wesel in Folge einer Krebserkrankung gestorben, 28 mehr als im Jahr davor. Je 100.000 Einwohner macht das eine Rate von 344 Krebssterbefällen aus, die höchste im Vergleich zu anderen Städten und Landkreisen in Nordrhein-Westfalen. Landesweit lag diese Rate bei 284.

Welche Gründe kann es dafür geben? Dr. Wolfram Kalitschke ist Leiter des Onkologischen Kompetenzzentrums Niederrhein am Evangelischen Krankenhaus (EVK) in Wesel, er behandelt seit mehr als 30 Jahren Krebspatienten und macht zwei Faktoren dafür aus. Da sei zum einen das Alter als Hauptrisikofaktor für eine Krebserkrankung, sagt er. „Je älter die Menschen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie an Krebs erkranken.“

Leiter des Onkologischen Kompetenzzentrums Niederrhein: Im Alter steigt das Krebsrisiko

Tatsächlich zeigen Daten von Statistikern regelmäßig, dass der Kreis Wesel immer älter wird. Das Durchschnittsalter ist hier zwischen 2011 und 2020 von 44,7 Jahre auf 46,2 angestiegen, der Kreis gehört mit zu den ältesten Landkreisen. Ganz anders sieht es zum Beispiel in Münster aus, einer Stadt, in der viele Studierende leben. Hier lag das Durchschnittsalter 2020 bei 41,4 Jahren. Dazu passt, dass Münster mit 214 Fällen je 100.000 Einwohnern laut dem Statistischen Landesamt 2021 die niedrigste krebsbedingte Sterberate verzeichnete.

Einen weiteren Punkt, den Dr. Kalitschke anführt: Bei der Bereitschaft zur Vorsorgeuntersuchung haben die Kreis Weseler noch Luft nach oben. Für die mit häufigsten Krebsarten – Darm-, Brust- und Prostatakrebs – gibt es glücklicherweise Vorsorgeuntersuchungen, ebenso etwa für Haut- und Gebärmutterhalskrebs. Bei regelmäßiger Inanspruchnahme können Erkrankungen schneller erkannt werden, so Dr. Kalitschke. Stichwort Koloskopie, also Darmspiegelung: „Wenn man regelmäßig dahin geht, lassen sich mehr als 90 Prozent der Erkrankungen verhindern.“

Daten der AOK zeigen: Kreis Weseler bei Vorsorge hinter anderen Regionen

Daten der AOK Rheinland/ Hamburg haben zuletzt gezeigt, dass die Bereitschaft zur Vorsorgeuntersuchung im Kreis Wesel geringer ist als in anderen Regionen. Die Früherkennungskoloskopie nahmen hier demnach im Jahr 2019 nur 9,5 Prozent der Versicherten in den ersten fünf Jahren nach Anspruchsberechtigung wahr – damit belegt der Kreis Wesel mit Oberhausen, Essen, Mülheim und Duisburg die letzten fünf Plätze im Ranking. Noch auffälliger: Nur 16,1 Prozent der Männer ab 45 Jahre nutzten 2020 die Krebsfrüherkennung, der vorletzte Platz in der Auflistung der Krankenkasse.

Können Umwelteinflüsse in dieser Region die Krebssterberate beeinflussen? Bei Radon aus dem Erdreich könne es zu einer höheren Rate von Lungenkrebs kommen, das sei aber in Gebirgen häufiger der Fall, „nicht in Wesel“, so Dr. Kalitschke. Für den weit verbreiteten Lungenkrebs gibt es hier keine Vorsorgeuntersuchung. Jeder kann das Risiko selbst möglichst gering halten, indem er auf eine gesunde Lebensweise achtet. „90 Prozent der Lungenkrebspatienten haben zuvor geraucht“, stellt Dr. Kalitschke heraus. Generell betont er: Durch eine gesunde, ausgewogene Ernährung und regelmäßiger Bewegung lasse sich ein erheblicher Anteil der Krebserkrankungen vermeiden.

Das Onkologische Kompetenzzentrum Niederrhein ist im vergangenen Oktober von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) ausgezeichnet und zertifiziert worden. Das Einzugsgebiet werde seither größer, so Dr. Kalitschke – neben Wesel nennt er Duisburg, Dinslaken sowie linksrheinisch Kleve, Xanten und Alpen. Es gebe eine enge Zusammenarbeit mit dem westdeutschen Tumorzentrum. „Nicht jeder mit einer Krebsdiagnose, muss daran sterben“, betont Kalitschke.

Um sich zur Krebsvorsorge beraten zu lassen, sollte man sich an seinen Hausarzt wenden. Informationen finden sich auch hier: https://www.krebsgesellschaft.de/basis-informationen-krebs.html.

Krebsberatung Niederrhein bietet Erkrankten und Familien Unterstützung

„Es wird immer normaler, sich in existenziellen Krisen professionellen Rat zu holen“, sagt Kerstin Zimmer-Derks. Sie ist eine von vier Mitarbeiterinnen der Krebsberatung Niederrhein, die im Herbst 2021 auf Initiative der Stiftung Bethanien Moers, der St. Josef Krankenhaus und des ambulanten Pflegedienstes „Die Pflege“ gegründet wurde.

Etwa 250 Menschen haben sie hier im vergangenen Jahr betreut, mehr Frauen als Männer. Die Mitarbeitenden helfen bei sozialrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung, beraten etwa beim Antrag auf den Schwerbehindertenausweis, Krankengeld oder der Wiedereingliederung in den Beruf. Genauso findet aber auch psychoonkologische Begleitung statt. Viele kommen auch, wenn ihre Behandlung abgeschlossen ist, „dann arbeitet die Seele nach“, sagt Kerstin Zimmer-Derks. Auch Familien von Erkrankten suchen hier Rat. Die Krebsberatung leitet zudem bei Bedarf auch an Selbsthilfegruppen weiter.

Bisher seien die Kreise Kleve und Wesel weiße Flecken gewesen, die nächsten Stellen dieser Art habe es in Duisburg oder Krefeld gegeben, so Zimmer-Derks. Die Krebsberatung Niederrhein will diese Lücke schließen. Sie hat ihren Sitz im Moerser Gewerbegebiet Eurotec, seit Januar gibt es auch eine Außensprechstunde in Dinslaken, dienstags, 13 bis 16 Uhr im Mutter-Theresa-Haus, Bismarckstraße 28. Eine Familiensprechstunde wird in der Einrichtung Düppelpunkt angeboten. Im Laufe dieses Jahres solle auch eine Sprechstunde in Wesel etabliert werden. Die Angebote sind kostenlos. Für die Außensprechstunde ist eine telefonische Terminvereinbarung nötig.

Infos und Kontakt: 02841/ 65 620 50, kontakt@krebsberatung-niederrhein.