Kreis Wesel/Kreis Kleve. Die Kreise Wesel und Kleve sind nun offiziell Ökomodellregion Niederrhein. Dafür gibt es eine Förderung vom Land. Das Ziel ist ambitioniert.
Nach einer rund dreimonatigen Planungsphase sind die Kreise Wesel und Kleve am Dienstag offiziell als gemeinsame Ökomodellregion Niederrhein an den Start gegangen. Als eine von drei Musterregionen in NRW möchten sie so den Ausbau des Ökolandbaus vorantreiben. Dabei soll die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen und gestärkt werden – von Anbau und Zucht, über die Verarbeitung, bis zum Handel und den Verbraucherinnen und Verbrauchern, als sinnvolle Symbiose aus Wirtschaft und Klimaschutz. Entsprechend groß und breit war die Zielgruppe aus beiden Kreisen, die an der Auftaktveranstaltung im Haus Riswick in Kleve teilnahm und erstmals gemeinsam darüber nachdachte, wie der Ausbau der Biolandwirtschaft gelingen kann. Denn das Ziel ist ambitioniert: Bis 2030 sollen in NRW 20 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden. Momentan sind es 6,5 Prozent.
Neben den Modellregionen „Kulturland Kreis Höxter“ und „Bergisches Rheinland“ sollen die Kreise Kleve und Wesel als Ökomodellregionen ihren Beitrag dazu leisten und zeitgleich die heimische Wirtschaft stärken. Drei Jahre lang werden sie dafür vom Land NRW gefördert. Beide Kreise bekommen zusammen 80.000 Euro pro Jahr, die sie auf 100.000 Euro aufstocken. Davon soll mit Kirstin Surmann eine Projektmanagerin bezahlt und außerdem zahlreiche Marketingansätze finanziert werden, um die Ökomodellregion Niederrhein als Marke zu etablieren, den landwirtschaftlichen Betrieben den Ökoanbau als gewinnbringend zu verkaufen und den Verbrauchern die Vorzüge regionaler Produkte schmackhafter zu machen.
Kreise Kleve und Wesel: So groß ist das noch nutzbare Potenzial
Dass das eine Kraftanstrengung wird, war den meisten der mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern bewusst. Zumal der Ökolandbau in beiden Kreisen noch stark unterentwickelt ist. Auf zwei Prozent schätzt Rachel Fischer von der Landwirtschaftskammer NRW den derzeitigen Anteil der Betriebe, die in der Ökomodellregion Niederrhein bereits auf ökologische Landwirtschaft setzen. Das noch nutzbare Potenzial ist damit ziemlich groß. Was Projektmanagerin Kirstin Surmann erklärte. In beiden Kreisen gebe es rund 2800 landwirtschaftliche und gartenbauliche Betriebe mit mehr als 6000 unmittelbaren und mehr als 20.0000 vor- und nachgelagerten Arbeitsplätzen, so Surmann.
Dass die Landwirte generell interessiert sind, zeigte die Resonanz auf die Auftaktveranstaltung. Der Großteil der Teilnehmerschaft kam aus der Land- oder Forstwirtschaft oder dem Gartenbau. Dort sei das Interesse an ökologischem Landbau groß, sagte der Kreisstellenleiter der Landwirtschaftskammer Kleve und Wesel, Franz-Josef Stork. Um aber nachhaltig erfolgreich zu sein, bedarf es nicht nur des grundsätzlichen Bereitschaftswillens der Landwirtschaft, sondern vor allem der Akzeptanz der Bevölkerung. Um das Bewusstsein verstärkt auf regionale und ökologische Produkte zu lenken, müsse man Öffentlichkeit erzeugen und innovative, schlagkräftige Ideen entwickeln.
Erfahrungen aus der bayerischen Ökomodellregion Rhön/Grabfeld
Beispiele aus der Praxis lieferte Meike Hamacher von der bayerischen Ökomodellregion Rhön/Grabfeld. Seit dem dortigen Start im Jahr 2015 habe man die ökologischen Flächen beinahe verdoppeln können, so Hamacher. Gelungen sei dies mit viel Kommunikation. „Klinkenputzen gehört dazu.“ So wurden die Schulen ins Boot geholt, die sich auf einen Mindestanteil an biologischen Produkten im Schulessen verständigt haben oder ökologische Brotboxen an Grundschulkinder verteilen. So bekomme man auch Zugang zu den Eltern, die als Verbraucher der Hauptadressat sind. Aufklärung sei wichtig. Genauso wichtig sei aber auch die Bündelung des regionalen Bio-Angebotes, so Hamacher. Dem Klima helfe es schließlich nicht, wenn man für einzelne Produkte kilometerweit hin und her fahre. Deshalb benötige man alle Wirtschaftszweige, die von und mit der Landwirtschaft lebten.
Das bekräftigte auch die Klever Landrätin in ihrer Rede. „Der Zusammenhang zwischen Ökologie und Ökonomie ist groß“, sagte Silke Gorißen, die sich sehr über das große Interesse der Landwirtschaft freute. Der Weseler Landrat Ingo Brohl appellierte unterdessen daran, bei allem Fortschrittsgedanken nicht die konventionelle Landwirtschaft zu vergessen. Angesichts der wirtschaftlichen Entwicklungen und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine müsse man die gesamte Landwirtschaft stärken, „aber den ökologischen Anbau bewusst nach vorne bringen“.