Kreis Wesel. Auch im Kreis Wesel gibt es immer weniger Fleischerei-Betriebe. Der Innungs-Geschäftsführer über die Gründe – und die Stärken des Handwerks.

Wer einen Ansprechpartner für die hiesige Fleischerei-Innung sucht, wird nicht direkt im Kreis Wesel, sondern im Ruhrgebiet fündig: Dass es 2017 zur Fusion mit den Städten Essen, Mülheim und Oberhausen gekommen ist, deutet bereits den schwierigen Stand des Handwerks an. Josef Grüneböhmer, Geschäftsführer der Fleischerinnung Rhein-Ruhr mit Sitz in Essen, bestätigt den rückläufigen Trend bei den Betrieben und nennt die entsprechenden Zahlen: Im Jahr der Kooperation gehörten 51 Betriebe der Innung an, 17 davon aus dem Kreis Wesel. Aktuell zähle die Innung insgesamt nur noch 39 Mitglieder – im Kreis Wesel sind es vier weniger als 2017. Die Mitgliedschaft in der Innung ist freiwillig, der Organisationsgrad laut Grüneböhmer aber recht hoch.

Fachkräftemangel: „Personal wird im Handwerk überall gesucht“

Die Gründe für den Rückgang? „Vielfältig“, sagt Grüneböhmer. Allen voran: der Fachkräftemangel und fehlende Nachfolge. „Personal wird im Handwerk überall gesucht.“ Es fehlten jungen Menschen, die eine Ausbildung beginnen wollen genauso wie bereits geschulte Kräfte. Ein weiterer Faktor bei der Entscheidung, einen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen, sei das finanzielle Risiko, „nicht jeder möchte das eingehen“.

Die Maschinen und Ausstattung, die hohen Anforderungen beim Thema Hygiene: Der Aufwand einen Fleischereibetrieb zu führen habe sich vervielfacht, so Grüneböhmer. Früher hätten oft die Kinder einen Betrieb übernommen, das sei längst keine Selbstverständlichkeit mehr. In größeren Städten komme dann noch die Konkurrenzsituation dazu, etwa durch eine große Auswahl schnell erreichbarer Lebensmittelgeschäfte.

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Dabei sieht Grüneböhmer viele positive Aspekte: Woher kommt das geschlachtete Tier, wie wurde es gehalten? Der Kunde sei kritischer geworden, frage mehr nach – und die Betriebe seien entsprechend gut aufgestellt, Grüneböhmer hebt etwa die Nachverfolgbarkeit und das Thema Bioware hervor. Die Qualität der angebotenen Ware habe sich erheblich verbessert. Ja, die Nachfrage und der Konsum seien zurückgegangen – aber nicht in erheblich hohem Maß.

Denn inzwischen setzten die Betriebe verstärkt auch auf Catering, Außer-Haus-Verkauf oder den Mittagstisch, ein Aspekt des individuellen Services. „Das bieten fast alle an.“ Generell: Diese Individualität könne der Handel nicht bieten, das sei der Pluspunkt fürs Handwerk. So werde eben inzwischen auch vermehrt verarbeitetes Fleisch verkauft. Dieser Wandel habe auch das Berufsbild verändert: Die Tätigkeit sei vielfältiger geworden, es gehe nicht mehr nur um das reine Zerlegen und Verkaufen, sondern vermehrt um die Beratungstätigkeit, der Beruf biete auch mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Rezeptur. Jeder lerne, sich gesundheitsbewusst auch mit Fleischwaren zu ernähren.

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Die der Innung angeschlossenen Betriebe sorgen laut Grüneböhmer dafür, dass die Tiere aus artgerechter Haltung stammen, die Schlachtung müsse ebenfalls artgerecht verlaufen, die Auflagen seien hoch, diese Betriebe inzwischen rar gesät. Der Innungs-Geschäftsführer sieht den Kreis Wesel diesbezüglich aber gut aufgestellt, da es hier eine Fleischerei gebe, die für umliegenden Betriebe schlachte. „Das ist optimal.“ Auch Bio-Ware spiele für viele Betriebe eine wichtige Rolle, hier gehe es neben der artgerechten Aufzucht auch um den Verzicht auf bestimmte Futtermittel.

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Ökomodellregion: Bio-Fleischprodukte sollen geschätzt werden

Im vergangenen Jahr haben sich die Kreise Wesel und Kleve zusammen mit der Landwirtschaftskammer NRW und regionalen Akteuren als „Öko-Modellregion Niederrhein“ auf den Weg gemacht, um den Ökolandbau zu stärken. Im ersten Projektjahr der Ökomodellregion sei ein Schwerpunktthema die Außer-Haus-Verpflegung gewesen. „Durch eine stärkere Nachfrage an Bio-Lebensmitteln von Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung steigt langfristig auch der Bedarf an regionalen Schlachtkapazitäten und Verarbeitungsmöglichkeiten für Bio-Fleisch“, so Managerin Kirstin Surmann in einem schriftlichen Statement. Daher sei die Gewinnung von regionalen Metzgern für die Verarbeitung und Vermarktung von Bio-Fleisch eine entscheidende Maßnahme, die mit angestoßen werden solle. Ein regelmäßiges Angebot in größerer Menge mache den Einsatz beispielsweise in Gastronomie, Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen und Handel möglich.

„Bio-Fleischprodukte sollen als regionales Produkt von Kunden wahrgenommen und geschätzt werden“, schreibt Surmann weiter. „Für Großküchen kann insbesondere die Ganztierverarbeitung eine Möglichkeit sein, durch die Mischkalkulation besser zurecht zu kommen, als bei der Abnahme von höherpreisigen Edelteilen.“ Eine enge Kooperation zwischen Landwirt, Metzger und Großküche sei in jedem Fall für alle Beteiligten von Vorteil. Diese Vernetzung will die Öko-Modellregion anstoßen.

Agentur für Arbeit: Wenig Bewerber auf Ausbildungsstellen

  • Laut Agentur für Arbeit ist die Besetzung offener Ausbildungsstellen als Fleischer/in sowie im Fachverkauf sehr schwierig, da es kaum Bewerber gibt. So kamen 2017 sechs Bewerber auf zwölf Azubi-Stellen zum Fleischer – zum Ende des vergangenen Ausbildungsjahres lag die Bewerberzahl im niedrigen einstelligen Bereich (bei 31 gemeldeten Azubi-Stellen). Keine Bewerber gab es für Azubi-Stellen als Fachverkäufer/in Fleischerei.
  • Den Erfahrungen der Berufsberatung zufolge haben junge Menschen diese Berufe nicht mehr auf dem Schirm. Auch in früheren Jahren sei das Interesse schon verhalten gewesen. Diese Entwicklung habe sich mit sinkendem Fleischkonsum und dem Wandel hin zu mehr vegetarischen und veganen Ernährungsformen noch verstärkt.