Kreis Wesel. Mona Neubaur macht keine Zugeständnisse. Die Teilnehmer sind enttäuscht und wollen klagen. Die Kiesinitiative fordert einen sachlichen Dialog.
Sie kam und ging ohne Zugeständnisse. Am Ende hatte es Wirtschaftsministerin Mona Neubaur ziemlich eilig, die Diskussionsrunde zum Thema Kies mit Naturschutzverbänden, dem Niederreinappell und Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt zu verlassen. In der Stunde zuvor hatten die Diskussionspartner im Schirrhof vergeblich versucht, die Ministerin doch noch vom Teilplan Kies zu überzeugen.
Nur so habe man die Möglichkeit, die Vorstellungen der Landesregierung eines Degressionspfades für den Kiesabbau im Landesentwicklungsplan umsetzen zu können, sagte Christoph Landscheidt. Der Landesentwicklungsplan soll nachhaltiger und klimafreundlicher werden, auch und vor allem hinsichtlich des Rohstoffabbaus. Allerdings werden die Änderungen nicht vor 2025 oder gar 2026 zur Geltung kommen.
Bis dahin ist der neue Regionalplan Ruhr, den der RVR in diesem Jahr auf den Weg bringen will, längst in Kraft, mit mehr als 800 Hektar zusätzlich ausgewiesenen Kiesflächen im Kreis Wesel. Und niemand glaubt, dass die Kiesindustrie lange wartet, um sich diese Flächen zu sichern.
Landscheidt machte deutlich, dass die Ministerin in der Lage sei, auf einen Teilplan hinzuwirken, um die Gefahr zu verringern, dass bereits Flächen verloren sind, bevor der Landesentwicklungsplan geändert ist. Ohne Erfolg. Das Ministerium sei der gleichen Meinung wie der RVR, sagte Mona Neubaur, die versuchte, die Stimmung im Schirrhof positiv zu halten.
Dass der Degressionspfad erstmals in einem Koalitionspapier festgeschrieben sei, „ist Ihr Erfolg“, sagte sie in Richtung des Publikums. Sie warb für Verständnis, dass die Erneuerbaren Energien zuerst an der Reihe sind. Gleichzeitig kündigte sie an, die Rohstoffabgabe, besser bekannt als Kies-Euro, ab Januar 2024 auf den Weg zu bringen. Außerdem setzt die Ministerin große Hoffnungen in eine Revisionsklausel für die Kiesflächen, die jetzt im Regionalplan stehen.
Diese Klausel kann nur von der RVR-Verbandsversammlung, also der Politik, beschlossen werden. Ein solcher Antrag liegt aber noch nicht vor. Bürgermeister Christoph Landscheidt sprach in dem Zusammenhang bildhaft von „weißer Salbe“, also einer Klausel ohne Wirkung. Der Fraktionschef der Linken im RVR, Wolfgang Freye, fragte die Ministerin nach der zeitlichen Perspektive. „Was machen Sie, wenn wir die Revisionsklausel beschließen, die Kiesunternehmen aber sofort auf die Flächen zugreifen?“ Eine Antwort gab es nicht, stattdessen wurde die Luft im Saal immer dicker, die Ministerin wirkte zunehmend genervt.
Nach etwas mehr als einer Stunde, in der die immergleichen Argumente ausgetauscht wurden, ließ die Ministerin durch Moderator Michael Brocker verkünden, dass sie wegen eines wichtigen Anschlusstermins wegmüsse. Nach einem Abschlussfazit, das teilweise für erboste Zwischenrufe gesorgt hatte, verließ sie das Podium, ging am Publikum vorbei und ließ den WDR-Reporter wortlos stehen, der am Ausgang mit ausgestrecktem Mikrofon und Kameramann im Schlepptau auf ein Statement hoffte.
Die Diskussionspartner und das Publikum blieben enttäuscht zurück, wenn sie auch anerkannten, dass sich Neubaur der Diskussion gestellt hatte. Er sei schon sehr ernüchtert, „wie der Teilplan-Vorschlag weggewischt wurde“, sagte der stellvertretende Nabu-Landesvorsitzende Christian Chwallek. Dirk Jansen vom BUND NRW stellte immerhin fest, dass der Abend gezeigt habe, „dass wir keine zahnlosen Tiger sind“. Für Simone Spiegels war der Besuch der Ministerin ebenfalls der Beweis, „dass wir etwas bewirken“. Insofern wollen die Kommunen, Initiativen und Verbände den Druck aufrecht erhalten.
„Wenn eine Klage die einzige Sprache ist, die die Landespolitik versteht, dann müssen wir den Weg gehen“, sagte Christian Chwallek. Und Christoph Landscheidt wagte bereits eine Prognose: „Danach werden wir ein anderes Ergebnis vorfinden, als wir jetzt hier haben.“
>>>Kiesunternehmen nahmen ebenfalls teil<<<
Vertreter aus der Kiesindustrie nahmen ebenfalls an der Veranstaltung im Kamp-Lintforter Schirrhof teil und untermauerten die ihrer Meinung nach große Notwendigkeit neuer Kiesflächen. Ein Diskussionspunkt war der Kiesbedarf. Nach Meinung der Kritiker gibt es mit den bislang ausgewiesenen Flächen aus dem Gebietsentwicklungsplan 99, den der neue Regionalplan ablösen soll, noch genügend Kies für die kommenden 20 Jahre. Hülskens-Geschäftsführer Christian Strunk sagte indes, dass sich die Kiesmenge im Kreis Wesel in den kommenden fünf Jahren halbiere und Kieswerke schließen würden. Eine zirkuläre Wirtschaft, unter anderem mit Recycling-Baustoffen, sei nicht möglich.
Dirk Jansen vom BUND nannte Strunks Ausführungen „wenig glaubwürdig“ und warf dem Hülskens-Geschäftsführer vor, die Entwicklung alternativer Baustoffe zu „torpedieren“. Auch die Politik traf seine Kritik. Schließlich, so Jansen, könne man die Anforderungen immer so hoch schrauben, dass sich eine Entwicklung nicht lohne.
Nach der Podiumsdiskussion äußerte sich auch Zukunft Niederrhein, ein Zusammenschluss von 13 Kiesunternehmen: „Frau Neubaur ist als Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie verantwortlich und alle diese Bereiche werden auch in weiter Zukunft nicht ohne Sand und Kies auskommen“, schreibt Zukunft-Niederrhein-Geschäftsführer Sascha Kruchen in einer Pressemitteilung und wiederholte die wenig überraschende gegensätzliche Ansicht der Kiesunternehmen zum Degressionspfad. „Ein Ausstieg aus der regionalen Rohstoffgewinnung würde ein Ausstieg aus dem Industriestandort NRW und auch aus der Energiewende werden. Das kann man auch an einem Abend in Kamp-Lintfort nicht wegdiskutieren.“
Abschließend setzt sich Kruchen für einen unbeeinflussten Austausch zwischen verschiedenen Interessen ein: „Wir unterstützen die Auffassung von Mona Neubaur und dem BUND, dass es zur regionalen Rohstoffgewinnung einen sachlichen Dialog mit allen Beteiligten braucht und dass man gemeinsame Lösungen finden sollte.“
Wie dieser sachliche Dialog nun geführt werden kann, ist allerdings fraglich.