Kreis Wesel. Drei Flächen sind weg, die Stimmung im Kreis Wesel bleibt aber gleich. Kommunen und Politik sind sauer. Ein Landtagsbeschluss sorgt für Spannung.

Auf Erleichterung folgt Wut. Einen Tag, nachdem der RVR die Herausnahme dreier Flächen für den Kiesabbau im Kreis Wesel mitgeteilt hat, zerpflücken Politik und Kommunen die Vorschläge im Regionalplanentwurf und nennen sie rücksichtslos, symbolhaft oder den leicht durchschauten Versuch, einen Keil zwischen Bürgerinitiativen und Kommunen zu treiben. Der Wille zur Klage gegen den Regionalplan scheint im Augenblick so groß wie lange nicht.

Kiesabbauflächen im Kreis Wesel: Politiker wirft RVR „ganz miese Politik“ vor

Der Vorschlag, drei Flächen in Neukirchen-Vluyn und Kamp-Lintfort aus dem Regionalplanentwurf zu streichen, sei jedenfalls keinerlei Diskussionen wert, sagt etwa Hubert Kück. Der Chef der Grünen-Fraktion im Kreistag bezweifelt, dass es sich dabei um eine fachliche Entscheidung gehandelt hat. Es sei vielmehr eine politische Entscheidung gewesen, „die Flächen auszumisten, bei denen dem RVR der größte Widerstand entgegenschlug“, so Kück. Das sei keine seriöse Flächenbetrachtung, sondern „ganz miese Politik“.

Das werde man sich nicht gefallen lassen, so Kück weiter. „Wir werden uns weiter gemeinsam mit den Kommunen und Bürgerinitiativen dagegen wehren.“

Das sehen die von den Kiesplänen betroffenen Kommunen im Kreis Wesel genauso. Als „sehr knapp, sehr kurz und sehr kühl“, beschreibt Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt die digitale Zusammenkunft mit den RVR-Planern am Dienstagabend. Nachdem die Pläne bereits vor dem Treffen veröffentlicht waren, „haben wir nur noch gesagt, dass wir damit nicht einverstanden sind und jetzt rechtliche Schritte dagegen prüfen“. Die Möglichkeiten werde man jetzt sorgfältig ausloten, sagt Landscheidt.

Seine Kommune will sich an einer möglichen Klage gegen den Regionalplan beteiligen: Hünxes Bürgermeister Dirk Buschmann.
Seine Kommune will sich an einer möglichen Klage gegen den Regionalplan beteiligen: Hünxes Bürgermeister Dirk Buschmann. © FUNKE Foto Services | Markus Joosten

Sollte es zur Klage kommen, will sich die Gemeinde Hünxe beteiligen. Das sagt Bürgermeister Dirk Buschmann im Gespräch mit der Redaktion. „Wir werden uns mit den anderen Kommunen bezüglich rechtlicher Schritte austauschen“, so Buschmann. Politisch beschlossen sei noch nichts, „aber die Tendenz geht ganz stark in diese Richtung“.

Der Schritt sei auch eine Folge des großen Widerstands, der sich im vergangenen Jahr gegen die zusätzliche Kiesabbaufläche von rund 72 Hektar, die in Hünxe-Bruckhausen ausgewiesen werden soll, gebildet habe, erklärt der Bürgermeister. „Die Menschen wollen einfach nicht noch mehr Kiesflächen.“

Diesen Willen zum Umdenken sprechen dem RVR aber alle ab und werfen der Regionalbehörde aus Essen vor, möglichst schnell Fakten schaffen zu wollen, um einem geänderten Landesentwicklungsplan (LEP) zuvorzukommen, der die Grundlage für die gesamte Regionalplanung ist.

Die RVR-Verwaltung habe eindrucksvoll unter Beweis gestellt, „dass ihnen beim Thema Kiesabbau die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Wesel egal sind – Motto: ideenlos, lustlos, rücksichtslos“, schreibt die CDU-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete, Charlotte Quik, unter anderem. So wolle der RVR den Regionalplan mitsamt den Kiespotenzialflächen „im Rekordtempo durchpeitschen“, ohne auf die neuesten Entwicklungen in Düsseldorf einzugehen.

Im Landtag haben die Fraktionen der regierungstragenden Parteien - also CDU und Grüne - ein Eckpunktepapier zum neuen LEP beschlossen, der derzeit erarbeitet wird. Darin wird die Landesregierung aufgefordert, schnellstmöglich einen Degressionspfad für den Kiesabbau in besonders betroffenen Regionen sowie perspektivisch einen Ausstieg aus der Kies- und Kiessandgewinnung zu ermöglichen und „vorab gegenüber der Regionalplanung die geplanten Änderungen anzukündigen und schon jetzt auf eine Berücksichtigung der damit verfolgten Zielsetzungen hinzuwirken“.

Hat einen Brief von René Schneider bekommen: NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur.
Hat einen Brief von René Schneider bekommen: NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

René Schneider wartet deshalb jetzt auf eine Antwort. Der Kreis Weseler SPD-Landtagsabgeordnete hat einen Brief an Wirtschaftsministerin Mona Neubaur geschickt, der sich vor allem auf den letzten Passus im Beschluss bezieht. „Das heißt für mich übersetzt, dass die Landesregierung in Person von Frau Neubaur jetzt aufgefordert ist, im Falle des Regionalplans Ruhr zeitnah auf den Regionalverband Ruhr zuzugehen“, so der SPD-Landtagsabgeordnete unter anderem.

Warum der Kampf gegen weitere Kiesflächen im Kreis Wesel ein Wettlauf mit der Zeit ist

Außerdem stellt er die Frage, was das Ministerium tun möchte, falls sich der RVR weigert, die geplanten Änderungen der Landesplanung schon jetzt zu berücksichtigen. Das Ziel muss laut Schneider sein, „dass keine neuen Kiesflächen erschlossen werden, solange der neue LEP noch nicht vorliegt und Frau Neubaur noch keinen Degressionspfad formuliert hat“.

Dieses Zusammenspiel entwickelt sich somit erneut zu einem Wettlauf mit der Zeit. Solange alle planerischen und politischen Prozesse noch laufen, Beobachter vermuten bis Ende dieses Jahres, könnte der Regionalplan theoretisch noch angepasst werden. Dazu müsste sich die Landesregierung mit der Änderung des Landesentwicklungsplans beeilen. Denn, nimmt der Regionalplan alle planerischen und politischen Hürden und wird beschlossen, stehen die Flächen fest.

Gerd Drüten ist jedenfalls gespannt. Der RVR habe bereits gesagt, dass er auf Änderungen im Landesentwicklungsplan reagieren werde, sagt der Fraktionschef der SPD im Kreistag, der auch Mitglied im Ruhrparlament ist. Sein CDU-Amtskollege im Kreistag und im Ruhrparlament, Frank Berger, formuliert es so: „Jetzt tickt die Uhr für den RVR.“

>>> Aktionsbündnis ist erleichtert und setzt Kampf gegen Kies fort<<<

Mit Freude und Erleichterung hat das Aktionsbündnis „Das pinke Kreuz“ aus Neukirchen-Vluyn, maßgeblich getragen von Alexandra und Roland Nolte, die mit ihrer Familie auf einem Hof mitten auf der Boschheide leben, reagiert. Sie danken allen Mitstreitern und Wegbegleitern „dieser beinharten eineinhalb Jahre!“ Alle Mühen hätten sich gelohnt, die gestrichenen zwei Flächen seien ein „fantastischer Erfolg“.

Gleichzeitig kündigen sie ihren Widerstand gegen die dritte Fläche an der Halde Norddeutschland an und möchten die Bürgerinitiativen in den anderen betroffenen Städten und Gemeinden unterstützen. Man führe die Anstrengung mit der Gewissheit fort, „dass vehementer, sachlicher mit Herzblut geführter Widerstand eben doch etwas bewegen kann“.