Kreis Wesel. Vero kritisiert den Kies-Euro und den perspektivischen Ausstieg in belasteten Regionen. Durch ein Rechtsgutachten sieht er sich gestützt.
Der Baustoffverband Vero kritisiert die geplante Einführung einer Rohstoffabgabe, auch bekannt unter dem Begriff „Kies-Euro“, und das Eckpunktepapier zum neuen Landesentwicklungsplan. Bekanntlich plant die NRW-Landesregierung, ab 2024 eine zusätzliche Steuer für mineralische Rohstoffe einzuführen. Darüber hinaus ist in dem Ende Januar auf den Weg gebrachten Eckpunktepapier unter anderem von einem perspektivischen Ausstieg aus der Kies- und Sandförderung in besonders belasteten Regionen die Rede.
Damit, so Vero, schaffe sich das Land NRW als Industriestandort selbst ab. „Mineralische Rohstoffe sind das erste Glied der in Nordrhein-Westfalen noch intakten Wertschöpfungsketten“, so der Baustoffverband. Die gesamte In-frastruktur hänge von einer entsprechenden Versorgung ab. „Die Verfügbarkeit heimischer Rohstoffe sichert die regionale Versorgung und den Bestand der Lieferketten – eine Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung, wenn es um den Erhalt sowie die Sanierung von Verkehrswegen oder Brücken geht, aber auch bei der Schaffung neuen Wohnraums oder der Energiewende.“ Dieser „NRW-Sonderweg“, so Vero weiter, bedrohe die Versorgungssicherheit des Landes sowie die der Bevölkerung existenziell.
NRW stehe mit diesen Plänen bundesweit alleine da, sagt Vero. Sowohl Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, als auch Umweltministerin Steffi Lemke lehnten eine zusätzliche Abgabe ab, sagt der Baustoffverband, der selbst ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben hat, das zu dem Ergebnis gekommen ist, dass eine auf Kies und Sand beschränkte Sonderabgabe verfassungswidrig sein könnte. Christian Strunk, Vero-Präsident: „Ohne gruppennützige Verwendung bleibt diese Sonderabgabe verfassungswidrig.“
Dass sowohl Geywitz als auch Lemke das Bauen im Bestand sowie den Einsatz alternativer, möglichst klimafreundlicher Baustoffe, wie zum Beispiel Holz, forcieren und ausbauen wollen, erwähnt Vero unterdessen nicht. Stattdessen unterstreicht der Verband die generelle Wichtigkeit mineralischer Rohstoffe. Kies und Sand seien als Baustoffe unverzichtbar. Hochwertige Quarzsande kämen als Industriemineral bei der Herstellung von Glas und glasfaserverstärkten Kunststoffen zum Einsatz. Ton diene der Erzeugung feuerfester Materialien, Kalk werde zur Herstellung von Eisen und Stahl zwingend gebraucht und darüber hinaus auch im Umweltschutz eingesetzt, etwa „bei der Reinigung und Aufbereitung von Trinkwasser oder in der chemischen Industrie bei der Herstellung von Kunststoffen und Farben, zur Herstellung von Glas, beispielsweise für Photovoltaikanlagen, für die Agrar- und Lebensmittelindustrie bis hin zu medizinischen Produkten“, zählt Vero auf.
Streit um Kiesflächen im Kreis Wesel: Das sind die Hintergründe
Der Kiesabbau am Niederrhein und im Kreis Wesel führt seit langem zu Verwerfungen zwischen den Kiesunternehmen, der Regionalpolitik und den davon betroffenen Kommunen. Ausschlaggebend ist das derzeit laufende Aufstellungsverfahren für einen neuen Regionalplan Ruhr. Der zuständige Regionalverband Ruhr (RVR) hat darin neue Flächen für den Kiesabbau ausgewiesen. Angesichts eines neuen Bewusstseins für Umweltschutz und Klimaverträglichkeit sowie neuen Entwicklungen bei Baustoffen zweifeln die Kritiker die vorgegebenen Abbaumengen von Kies und Sand an und fordern eine gänzlich neue Betrachtungsweise.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte dazu im vergangenen Jahr geurteilt, dass der im Landesentwicklungsplan von der Laschet-Regierung festgelegte Versorgungszeitraum von 25 Jahren mit Kies und Sand unwirksam ist und das unter anderem mit mangelhafter Abwägung zwischen Wirtschaftsinteressen und Umweltbelangen begründet. Der Versorgungszeitraum fiel dadurch wieder auf 20 Jahre zurück. Der RVR musste den Regionalplanentwurf anpassen. Parallel dazu kündigte die neue schwarz-grüne Landesregierung umfangreiche Änderungen im Landesentwicklungsplan an und legte im Koalitionsvertrag außerdem die Einführung einer Sonderabgabe auf Kies und Sand im Jahr 2024 fest, den sogenannten Kies-Euro.
Solange die neuen Änderungen aber nicht feststehen, richtet sich der RVR nach den alten Vorgaben im Landesentwicklungsplan. Zwar hat der RVR mittlerweile drei Flächen in Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn als mögliche Abbauflächen gestrichen. Den Vorschlag, für die Zeit, die das Land für eine neue Planung benötigt, ein Moratorium über neue Kiesflächen zu verhängen, lehnte der RVR aber ab und möchte seinen Regionalplan zum Abschluss bringen, möglichst bis Ende dieses Jahres.
Die Befürchtung der Kommunen und der Bürgerinitiativen ist, dass der neue Regionalplan mit den Kiesflächen feststeht, bevor der neue Landesentwicklungsplan als Grundlage vorliegt. Damit werde quasi Fakten für die kommenden 20 Jahre geschaffen, ohne neue Entwicklungen beim Umweltschutz oder der Baustofftechnologie zu berücksichtigen. Der RVR sagt, dass sämtliche Entwicklungen auf Landesebene sich durch ein Änderungsverfahren selbstverständlich auch auf den Regionalplan auswirken würden. Bis dahin aber könnten bestimmte Abgrabungsflächen bereits verloren sein, entgegnen die Kommunen und der Kreis Wesel, die derzeit ihre Klagemöglichkeiten gegen den Regionalplan sondieren, der noch bis zum 31. März ausliegt. Bis dahin können noch Einsprüche abgegeben werden. Der Regionalplan ist unter rvr.ruhr/themen/staatliche-regionalplanung/ zu finden.