Kreis Wesel/Münster. Im Streit um den Kiesabbau verbuchen Kommunen und Kreis Wesel einen großen Erfolg. Das sind die Reaktionen nach dem Urteil vor dem OVG.
Das überraschte Strahlen hinter den Masken von Landrat Ingo Brohl und Rheinbergs Bürgermeister Dietmar Heyde war nicht zu übersehen. Mit solch einem Erfolg vor dem Oberverwaltungsgericht Münster hatte niemand gerechnet.
In allen Punkten gab der Elfte Senat den Kreisen Wesel und Viersen sowie den Kommunen Kamp-Lintfort, Neukirchen-Vluyn, Rheinberg und Alpen Recht und machte damit den Weg frei für eine neue Debatte über den Kies- und Sandabbau am Niederrhein und im Kreis Wesel. Kurz nachdem der Vorsitzende Richter Dr. Benno Willms das Urteil gesprochen und darin dem Land nichts anderes als Nachlässigkeit bei der Abwägung vorgeworfen hatte, kannte die Freude bei Prozessbeteiligten und den mitgereisten Beobachterinnen und Beobachtern der Bürgerinitiativen im Kreis Wesel keine Grenzen.
Gericht: Land hat Umweltbelange – wenn überhaupt – nur unzureichend berücksichtigt
Im Kern erklärte das Gericht die Planaussagen, mit denen das Land die Verlängerung der Versorgungszeiträume für Kies und Sand auf 25 Jahre begründete, für unwirksam.
Unter anderem habe das Land nicht ausreichend ermittelt, ob überhaupt eine Verlängerung auf 25 Jahre notwendig sei. Zum Beispiel seien Umweltbelange und Bedenken eines erhöhten Flächenfraßes - wenn überhaupt - nur unzureichend berücksichtigt worden.
Mit dem Urteil werden die ausgewiesenen Potenzialflächen im Regionalplanentwurf des RVR in ihrer Gesamtheit kaum zu halten sein, weil der Regionalplan von einem rechtssicheren Landesentwicklungsplan abhängig ist.
Von einem „großen Tag für den Erhalt der niederrheinischen Kulturlandschaft und für die gesamte kommunale Familie“, sprach daher ein überglücklicher Dietmar Heyde, der gemeinsam mit Ingo Brohl noch die Stellung bis zum Urteil gehalten hatte, während sich die anderen Mitstreiter, Thomas Ahls, Christoph Landscheidt und Ralf Köpke aus der niederrheinischen Ferne freuten. Die Haltung des Oberverwaltungsgerichts habe eine Erweiterung des Kiesabbaus im Kreis Wesel „für mehrere Jahre weggeschoben“, sagte Neukirchen-Vluyns Bürgermeister Ralf Köpke.
Köpke: „Das Urteil zeigt, dass sich Protest lohnt“
Er nannte das Urteil auch eine Folge eines neuen öffentlichen Bewusstseins, das nicht erst mit dem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz im vergangenen Jahr gewachsen sei. Außerdem wisse man jetzt, dass Landesentwicklungspläne nicht mehr an der Bevölkerung vorbei geschoben werden könnten, so Köpke. „Und das Urteil zeigt, dass sich Protest lohnt.“
Nun liegt der Ball bei der Landesregierung. Man werde die schriftliche Urteilsbegründung abwarten „und dann schauen, was nicht richtig gemacht wurde“, sagte die Gruppenleiterin für Landesplanung im NRW-Wirtschaftsministerium, Dr. Alexandra Renz, nach der Urteilsverkündung im Gespräch mit der Redaktion.
Von der Fehlerbehebung wird auch der Umgang mit den Kiesflächen im Kreis Wesel abhängen, die noch im Regionalplanentwurf stehen. „Die Rechtsgrundlage ist entfallen, weil der Landesentwicklungsplan rechtswidrig ist“, sagte Kamp-Lintforts Bürgermeisters Christoph Landscheidt dazu am Dienstag. „Die Auskiesung muss auf völlig neue Füße gestellt werden, um langfristig und nachhaltig agieren zu können.“
Und auch der RVR muss sich nach Meinung von SPD-Landtagsmitglied René Schneider überlegen, wie es mit dem Regionalentwicklungsplan weitermachen möchte. Ob er den Plan so weiterführe, „wenn die neue Landesregierung die Geschäftsgrundlage ändern muss“, so Schneider. Ein Umdenken fordert auch der Landrat: Der RVR sei jetzt „,mehr denn je“ aufgefordert, über den Bereich Kies und Sand im aktuellen Regionalplanentwurf ein Moratorium zu verhängen und sich den grundsätzlichen Gedanken über eine neue Bedarfsentwicklung von endlichen Rohstoffen anzuschließen.
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