Kreis Wesel. Verprügelt, bedroht, gedemütigt: Frauen, aber auch Männer und queere Menschen im Kreis Wesel benötigen mehr Schutz. Jetzt gibt es ein Konzept.

Für Opfer häuslicher Gewalt gibt es im Kreis Wesel zu wenig Schutzräume, immer wieder müssen die beiden Frauenhäuser in Dinslaken und Moers Menschen abweisen – sie bieten zusammen 39 Plätze. Hinzu kommt, dass Gewalt nicht allein die Frauen trifft, in rund 30 Prozent der Fälle seien Männer die Opfer, sagte Claudia Kohler Leiterin des Caritas-Fachbereichs „Gesundheit und Soziales“ in Moers. Gemeinsam wollen der Caritasverband für die Dekanate Dinslaken und Wesel und Caritasverband Moers-Xanten) jetzt auf beiden Rheinseiten Angebote schaffen, für beide Geschlechter und für queere Menschen. Das Konzept stellten sie dem Sozialausschuss des Kreistags vor.

Laut Istanbul-Konvention aus dem Jahr 2011 soll es je 10.000 Einwohner einen Familienplatz in einem Frauenhaus geben – im Kreis Wesel gibt es im Moerser Frauenhaus Platz für neun Frauen und zehn Kinder, in Dinslaken sind es neun Frauen und neun Kinder und zwei weitere in einer Schutzwohnung. Laut Verwaltung steht im Kreis Wesel aktuell je 23.400 Einwohnenden ein Frauenhausplatz (ohne Kinder) und je 12.000 Einwohnenden ein Platz für eine Familie zur Verfügung. Zu wenig, daher hat der Kreis auf Initiative von CDU und Grünen mit breiter Zustimmung der Fraktionen nach möglichen Trägern für weitere Angebote gesucht. Nachdem das Diakonische Werk sein Interesse zurückgezogen haben, bleibt das Konzept der Caritas: Rechtsrheinisch ein Schutzhaus mit elf Plätzen in Voerde, die Immobilie gehört bereits der Caritas, auf der linken Rheinseite des Kreises zwei Wohnungen mit vier Plätzen im Bereich Moers oder Kamp-Lintfort. Hier müssen noch geeignete Wohnungen gefunden werden.

Im Schutzhaus soll jeder und jede ein eigenes Zimmer bekommen, hinzu kommen gemeinsame Wohn- und Versorgungsflächen sowie ein Raum für die Kinder, in dem sie pädagogische Angebote bekommen. Die große Außenfläche lädt zum Spielen und Verweilen ein. Bei den Wohnungen auf der anderen Rheinseite sucht der Caritasverband Einzelappartements, am besten mit einem Gemeinschaftsraum. Allerdings ist der Wohnungsmarkt aktuell sehr angespannt.

Niemand soll vor verschlossener Tür stehen

Für Opfer häuslicher Gewalt soll es rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche und das ganze Jahr über Ansprechpartner geben. Das, so erläuterte Claudia Kohler, funktioniert über eine sogenannte „Doorline“: Wer am Schutzhaus klingelt und Hilfe sucht, bekommt Verbindung mit einem Handy. „Wir holen die Menschen dann ab, niemand soll vor verschlossener Tür stehen“, sagt Kohler. Und wie finden Gewaltopfer heraus, an welcher Tür sie klingeln müssen? „Polizei, Ordnungsämter und Hilfsorganisationen bekommen die Adresse und werden die Menschen dann dorthin bringen“, erläutert Kohler auf Anfrage.

All das ist mit gehörigen Kosten verbunden: 324.875 Euro pro Jahr für Personal rechtsrheinisch, gut 88.000 Euro linksrheinisch plus 74.000 Euro Sachkosten, plus Investitionskosten und Miete. Rund 90 Prozent der Kosten können durch Zuschüsse von Land, Bund und Stiftungen abgedeckt werden, erläuterte Caritas-Verwaltungschef Martin Ebbing. Allerdings drängt die Zeit: Anträge müssen bis zum 31. März gestellt sein. Auch hierum kümmert sich der Träger, dem Kreis Wesel bliebe, für die verbliebenen zehn Prozent aufzukommen. Dafür gab es breite Zustimmung aus dem Sozialausschuss.

Was Gewalt mit den Menschen macht – „die Liste der Grausamkeiten ist lang“

Wer in dem Haus oder den Wohnungen Schutz und Ruhe findet, soll das komplette fachliche Netzwerk der Caritas zur Unterstützung bekommen können, auch das externe. Martina Kröber, Fachbereichsleiterin des Sozialpsychiatrischen Zentrums der Caritas in Wesel, erläuterte, was Gewalterfahrungen Menschen antun und welche Unterstützung sie benötigen. Psychische Ausnahmesituationen, körperliche Gewalt und psychische – eingesperrt sein, Geld und Essen entzogen, sexuelle Nötigung, Bedrohung der Kinder oder Eltern, „die Liste der Grausamkeiten ist lang“, so Kröber. Viele seien nicht mehr in der Lage, sich zu wehren, der psychische Druck führt zum Selbstwertverlust. Gewaltopfer, so Kröber, seien nicht mehr in der Lage die Herausforderungen des Lebens aus eigener Kraft zu meistern, aus der Krise zu kommen. Ziel der Arbeit sei es, zunächst einen Schutzraum zu bieten und dann gemeinsam mit den Menschen den Weg zu gehen, sodass sie ihr Leben wieder selbst zu meistern lernen.