An Rhein und Ruhr. Hochschwanger und mit fünf weiteren Kindern flüchtet Dana vor ihrem damaligen brutalen Partner. Im Frauenhaus Oberhausen beginnt ihr Leben neu.

Mit Männern hatte sie nie richtig Glück gehabt. Doch dieser Mann war nett, aufmerksam, freundlich. Bis sie schwanger wurde. An jenem Tag begann die Hölle.

Nennen wir sie Dana. Die 43-Jährige möchte ihren Namen nicht öffentlich nennen, will so ihre Kinder vor dem Mann schützen, der der Familie ihr damaliges Leben genommen hat. Sie hat den Neuanfang geschafft, doch ihre Vergangenheit ist wie ein Schatten. Mal ist er ganz klein, mal groß.

2015/2016 irgendwo im beschaulichen Münsterland. Dana lebt mit ihrem Partner und den Kindern zusammen. Nach fünf Kindern weiß sie, wie es sich anfühlt, schwanger zu sein. Doch diesmal ist es anders. Sie fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass das sechste Kind unterwegs ist. „Trotz Pille“, sagt sie. Sie erzählt es ihrem Freund. „Und plötzlich war er ein anderer Mann“, erinnert sie sich. Das Kind, er will es nicht. Weil er eine andere Familie in Syrien hat, die er bald zu sich holen will. All das erfährt Dana erst jetzt.

Er will sie mit dem Auto überfahren

Er sagt ihr, sie sei schwach und dumm. Er terrorisiert und überwacht sie, fragt die Kinder aus, lästert bei Freunden und Bekannten über seine Frau. Er will, dass sie das Kind abtreibt. Das kommt für Dana nicht infrage. Selbst wenn: Dafür ist es längst zu spät. Er bedrängt sie, sagt, es gebe Wege. Bis er sich an jenem Tag ins Auto setzt und versucht, seine Frau zu überfahren. Sie kann sich retten - und flüchtet ins Frauenhaus.

Am Telefon schallt indes Ernüchterung durch den Hörer: Mit Jungs ins Frauenhaus? Schwierig, nicht alle Frauenhäuser nehmen männliche Jugendliche auf. Doch für Dana steht fest: Ohne ihre Kinder geht sie nicht. Der nächste freie Platz – mit Jungs: Stuttgart. Weit weg. Weit von den Freunden der Kinder. Sie bohrt weiter, bis sich eine Chance im Frauenhaus Oberhausen eröffnet.

„Was ist wertvoller als meine Kinder?“

Sie packt das Nötigste. „Was ist wertvoller als meine Kinder?“, sagt sie. Sie hat ein kleines Auto, die zwei ältesten Söhne fahren mit dem Zug schon mal vor nach Oberhausen. Polizeibeamte begleiten sie.

Die Jungs mussten sich vorher im Frauenhaus vorstellen, die Mitarbeiterinnen unterzogen sie kritischen Blicken. Frauenhaus-Leiterin Suna Tanis-Huxohl erinnert sich noch immer gern an die Beiden. Sie hatte Muskelprotze erwartet, weil sie im Verein American Football spielten. Das würde auf andere Frauenhaus-Bewohnerinnen beängstigend wirken. Doch es kommt anders. Keine bedrohlich wirkenden Machos, sondern äußerst höfliche, fast schüchterne Jugendliche lernt sie kennen. „Super Jungs“, sagt sie. Dana, hochschwanger, und ihre fünf Kinder im Alter von 6, 11, 12, 16 und 17 dürfen einziehen.

Sie wird nett aufgenommen, es ist Sommer, im Garten des Frauenhauses gibt es ein Grillbuffet. Hier kann sie endlich durchatmen. Sie bekommt eine ganze Etage für sich und ihre Kinder. Eine ältere, türkische Frauenhausbewohnerin, Dana nennt sie liebevoll „Oma“, kümmert sich um die Familie.

Suna Tanis-Huxohl leitet das Frauenhaus Oberhausen.
Suna Tanis-Huxohl leitet das Frauenhaus Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Und dann kümmern sich die „Jungs“ um die jüngeren Geschwister, als Dana zur Entbindung ins Krankenhaus kommt. Es ist eine sprichwörtlich schwere Geburt, eigentlich müsste Dana länger im Krankenhaus bleiben. Doch sie kann nicht, sie muss sich um ihre anderen Kinder kümmern, sie will nicht alles den Älteren auflasten.

Rückkehr - zunächst ohne das Neugeborene

Sie kehrt schnell zurück – ohne das Neugeborene. Das muss zur Beobachtung in der Klinik bleiben. Die Geburt war ein einschneidendes Erlebnis, „eigentlich ist so etwas ein freudiges Ereignis“, sagt Dana. „Doch wer will schon sein Kind im Frauenhaus zur Welt bringen“, meint Suna Tanis-Huxohl.

Kurz darauf zieht auch das kleinste Familienmitglied ein. Die Tochter ist heute vier. Sie leidet noch immer unter dem Stress im Bauch, die Kleine spreche nicht, meint Dana. Einen Vater hat sie offiziell nicht. Dana will nicht, dass irgendwelche Kontakte oder Ansprüche entstehen.

Die Wut auf den Mann bleibt

Dreieinhalb Monate bleibt Dana mit ihrer Familie im Frauenhaus. „Ich wäre gar nicht ausgezogen, ich liebe die Gemeinschaft“, sagt die im Libanon geborene Frau, „aber meine Söhne wollten raus“. Sie wollten ihr eigenes Leben, Freunde zu sich einladen. All das geht im Frauenhaus nicht.

Auch interessant

Die beiden Jungs sind selbstständig, haben Jobs, Wohnungen. Doch die Wut auf denjenigen, der ihnen und ihrer Mutter diesen Umweg beschert hat, ist an manchen Tagen nicht da. Dana lebt mit ihren anderen vier Kindern in einer Wohnung im Ruhrgebiet, dolmetscht und hilft Geflüchteten dabei, sich zu integrieren. Sie hat einen Business-Plan in der Hand, will einen Verein gründen, der Frauen hilft, Kultur- und Kommunikationsprobleme zu überwinden und selbstsicher zu werden. Sie selbst ist das beste Beispiel dafür. „Ich habe diesen Schritt nie bereut“, sagt sie über ihre Entscheidung, ins Frauenhaus zu gehen. „Ich bin noch stärker, noch selbstbewusster geworden.“

Ihr Leben hat neu angefangen.