Kreis Wesel. Unsicherheit, explodierende Preise und nicht selten Existanzangst: Die Spendenbereitschaft im Kreis Wesel sinkt. Stimmen aus den Verbänden dazu.

Obschon die heiße Phase der Advents- und Weihnachtsspenden gerade erst am Anfang steht, zeichnet sich bereits eines ab: Die Menschen sind verunsichert, das Geld fließt nicht so locker wie noch in den vergangenen Jahren. Gerade im Bereich der „Normalverdiener“, also nicht arm und nicht reich, sei eine Existenzangst spürbar geworden, sagt Michael van Meerbeck, Caritasdirektor für die Dekanate Dinslaken und Wesel. Bei der Caritas gehen die Spenden an die Kirchengemeinden, und die finanziellen Probleme sind spürbar. „Die Menschen sehen die Möglichkeit nicht mehr, Geld zu verschenken oder herauszugeben.“

Caritas unterstützt die Tafeln mit einer erneuten Winterhilfe

Aus diesem Grunde startet die Caritas in den kommenden Wochen ihre Winterhilfe, eine Unterstützung für die derzeit vollkommen überlasteten Tafeln. Ziel ist es, wie schon in den vergangenen Jahren, Taschen mit haltbaren Lebensmitteln zu packen. Seinerzeit hatten die Tafeln wegen Corona den Betrieb komplett eingestellt, jetzt sind sie von der Nachfrage überfordert. „Das soll keine Konkurrenzveranstaltung sein und es wird auch zeitlich befristet sein, bis die Tafeln wieder den Ansturm bewältigen können.“

Eine Hilfe gegen die akute Not, das Problem aber geht für van Meerbeck über den rückläufigen Spendenfluss deutlich hinaus: Die Menschen haben Angst. „Das ist vor allem im Bereich der Altenhilfe spürbar und in Familien. Für Menschen mit einem, sagen wir, normalen Einkommen mit Kindern wird es enger, da überlegt sich mancher, ob der Urlaub im kommenden Jahr noch machbar ist.“ Der Spendenrückgang also als Symptom für die seelische Befindlichkeit, „wir machen uns Sorgen um die Menschen, aber auch die Stimmung in unserem Land“.

Aus Angst vor der Zukunft den Euro festhalten

Das Diakonische Werk im Kreis Wesel ist noch eher zurückhaltend mit Prognosen. „Die Spenden aus der Diakoniesammlung sind in den Jahren 2015 bis 2021 um 35 Prozent zurückgegangen“, sagt Geschäftsführer Jürgen Orts – das ist ein Zeitraum von sieben Jahren, Corona und Lockdowns inklusive, die möglichen Auswirkungen des Ukraine-Krieges und der Inflation werden aber erst im ersten Quartal 2023 wirklich greifbar werden. Die Diakonie will mehr um Spenden werben, beispielsweise bei den Menschen, die die psychotherapeutische Beratung nutzen. „Das sind Leute aus der oberen Mittelschicht, sie zahlen für die Beratung nichts, auch wenn sie zum Teil acht bis zehnmal hier waren“, so Orts.

Für Christian Mok, kaufmännischer Leiter des DRK Kreisverbandes Niederrhein, ist es noch ein wenig zu früh, um belastbare Aussagen zu machen. „Man spürt schon die Inflation, es gibt Unsicherheiten und eine Zurückhaltung. Aber die Spendenzeit beginnt mit dem Advent ja erst“, sagt er. Man werde sehen. Mit Spenden hat der DRK Ortsverband Moers selbst weniger zu tun, das ist Sache des DRK im Bund. Dennoch spürt Michael Birkner vor Ort die Situation. „Wir stellen fest, dass die Leute weniger Geld haben“, sagt er auf Anfrage. Wenn die Aktiven um passive Mitglieder werben, bekommen sie immer häufiger eine Absage. Die Rede ist von einem Monatsbeitrag von drei Euro, aber: „Die Leute summieren das, das macht 36 Euro im Jahr.“ Geld, von dem sie fürchteten, es nicht mehr spenden zu können.

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