An Rhein und Ruhr. Viele Rentner müssen mit deutlich weniger Geld als zu Erwerbszeiten auskommen, bei steigender Inflation mit noch weniger. Ein Rentner erzählt.
An den Tag, als er zum letzten Mal seinen Arbeitsplatz bei den Duisburger Stadtwerken im Servicecenter verließ, um in Rente zu gehen, erinnert sich Horst Köberling noch gut: „Das war schon komisch. Ich hatte viele Kontakte und gedacht: Na ja, die Leute siehst Du alle nicht wieder. Aus den Augen aus dem Sinn.“ Und so war es dann auch. Mit dem einen oder anderen hatte er noch mal losen Kontakt. Aber „Es war ein Einschnitt.“ Elf Jahre ist das jetzt her. 25 Jahre war Horst Köberling Busfahrer bei den Duisburger Verkehrsbetrieben, dann wollte der Rücken nicht mehr mitmachen. Es folgten noch acht Jahre bei den Stadtwerken im Büro, bis er über ein Altersteilzeitmodell aus dem Berufsleben ausstieg – ohne aber untätig zu bleiben. Der Schrebergarten und die Briefmarkenfreunde halfen anfangs über den Tag, zudem ist er ehrenamtlicher Sozialrichter und seit 2015 Vorsitzender des damals neugegründeten Ortsverband des Sozialverbandes VdK in Duisburg-Walsum. Bis vor wenigen Monaten verdiente er sich zudem noch als Fahrer für ein Autohaus ein bisschen was im Monat dazu.
„Klar, nach dem Berufsleben muss man sich umstellen“
Horst Köberling will nicht über seine Rente klagen. „Ich komme aus, habe eine gute Rente. Aber klar, nach dem Berufsleben muss man sich umstellen“, sagt der 70-Jährige. Immerhin ist die Rente deutlich weniger Geld, als das Gehalt. „Wir waren jetzt nie diejenigen, die zweimal im Jahr groß in den Urlaub fahren mussten“, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder. Und wenn man aus dem Berufsleben austrete, „hat man in der Regel ja vieles angeschafft.“ Aber Horst Köberling kennt viele Rentner, die sich massiv Einschränken müssen und denen das nicht leicht fällt. „Ich habe im Autohaus mitbekommen, wie viele sich als Rentner vom Ersparten noch mal so einen richtig voll-ausgestatteten Wagen bestellt haben.“ Das sei heute nicht mehr so.
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Die Sorge nach vielen Berufsjahren trotz Rente in die Altersarmut zu geraten nimmt zu. In NRW war schon Ende 2020 mehr als jeder 20. aller über 65-Jährigen auf Grundsicherung im Alter angewiesen. „Damit sind wir im Bundesvergleich trauriges Schlusslicht“, erklärt Horst Vöge, Vorsitzender des VdK in NRW. Rund 112.000 Rentnerinnen und Rentner mussten demnach zusätzlich staatliche Unterstützung beantragen. „Innerhalb eines Jahrzehnts ist der Anteil der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung von 2,4 auf 3,3 Prozent gewachsen“, so Horst Vöge. Mit Blick auf die Kostenexplosion für Strom, Gas und Lebensmittel haben insbesondere alleinstehende Frauen erhebliche Schwierigkeiten, mit ihrem Geld über die Runden zu kommen. Der Sozialverband wirbt für ein drittes Entlastungspaket, das den rund 3,3 Millionen Alters- und 267.000 Erwerbsminderungsrentnern in NRW „auch tatsächlich hilft.“ So würden sie stärker davon profitieren, „wenn wir statt der Mineralölsteuer die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel reduzieren“, fordert Horst Vöge.
Eine „Supersache“ findet Horst Köberling das 9 Euro-Ticket für den ÖPNV, das ab Juni für drei Monate gilt. Es gebe viele, „die das wirklich brauchen“, aber auch über die 3 Monate hinaus. Nur das, so Horst Köberling, werde oftmals von der Politik ausgeklammert. Auch, dass die Rentner bei der 300 Euro Energiekosten-Pauschale leer ausgehen, „ist nicht gerecht“, sagt der Vater zweier erwachsener Kinder. „Und wenn ich dann lese, dass Rentner mit einem Trick an die 300 Eurokommen können, wenn sie nur einen Tag im Jahr 2022 arbeiten, dann frage ich: Wie soll das gehen? Das kann es doch nicht sein.“
Das bittere Erwachen werde für viele mit der Nebenkostenabrechnungen im nächsten Jahr kommen. Er selbst hat seine Stromvorauszahlungen bereits erhöht, wisse aber auch aus seiner Arbeit beim VdK, dass dies viele Menschen nicht können. „Mal eben 500 Euro oder sogar mehr nachzahlen? Das können die nicht einfach. Die Angst ist bei einigen schon jetzt da, dass sie ohne Strom da sitzen werden.“
Bleibende Ausgaben
Ein Problem beim Thema Altersarmut sei, dass sie sich zwar in Zahlen durch die Statistik fassen lässt, „aber es sagt doch kein Mensch, das kann ich mir nicht leisten. Viele wollen die Altersarmut nicht wahrhaben“, sagt Horst Köberling. Mit rund 360 Mitgliedern ist der Ortsverband Walsum 2015 gestartet, heute zählt er 1180 Mitglieder.
Betroffen von Altersarmut sind statistisch gesehen öfter Frauen. Ihre Durchschnittsrente liegt bei rund 730 Euro in Westdeutschland. Männer bekommen im Schnitt 1210 Euro. Was Horst Köberling nicht versteht ist die Witwenrente. „Warum liegt die nur bei 55 oder 60 Prozent? Die Ausgaben bleiben doch, wie Miete, Strom, Heizung, vielleicht noch ein Auto.“ Von zwei Urlauben im Jahr will er da gar nicht reden.