An Rhein und Ruhr. Wenn nächstes Jahr die Nachzahlungen für Strom und Gas fällig werden, stehen viele Menschen vor großen Problemen. Das sagen die Schuldnerberater.
Immer mehr Bürger suchen sich angesichts der hohen Energiekosten Hilfe bei der Schuldnerberatung. Zu der Belastung durch die hohen Preise kommt die Sorge vor der gepfefferten Rechnung, wenn im kommenden Jahr die Nebenkosten abgerechnet werden. Die Verbraucherzentrale rät dazu, sich frühzeitig Hilfe zu suchen und die Diakonie fordert Entlastungen seitens der Regierung.
Anfragen bei der Diakonie haben sich vervierfacht
„Wir rechnen mit einem hohen Andrang auf die Schuldnerberatung, wenn die hohen Nachzahlungen kommen“, erklärt Birgit Vorberg, Referentin für Kredit und Entschuldung der Verbraucherzentrale NRW. Derzeit kämen zwar bereits viele Leute, weil sie sich Sorgen um künftige Rechnungen machen und wissen wollen, wie sie Energie sparen können. „Aber die Nachfrage für die Schuldnerberatung wird mit Zeitverzug kommen“, so Vorberg.
Bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) indes haben sich die Anfragen zu Miet- und Energiekosten in den Schuldnerberatungsstellen innerhalb eines Jahres bereits vervierfacht, wie es in einer Mitteilung heißt. Die massiv gestiegene Nachfrage bei den Beratungsstellen sei erst einer der ersten sichtbaren Hinweise auf eine sich seit Jahren verstärkende soziale Schieflage, heißt es.
Awo sieht steigende Existenzangst
Mit dem Ende der Sommerferien in NRW sei bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Niederrhein „eine leichte bis deutlich spürbare Nachfrage nach Schuldnerberatung in den Beratungsstellen festzustellen“, erklärt ein Sprecher. Viele Betroffene kämen jedoch vor allem mit Zukunftsängsten. „Da noch nicht abschließend geklärt ist, ob und inwieweit Menschen mit niedrigem Einkommen zusätzlich entlastet werden, besteht insgesamt große Unsicherheit, vor allem, da die Klienten überwiegend über kein finanzielles Polster verfügen“, so der Awo-Sprecher. „Dies führt zu einer steigenden Existenzangst.“
Viele Miet- und Energieschulden
Eine höhere Nachfrage nach Terminen bei der Schuldnerberatung habe es aber auch bereits durch die Corona-Pandemie gegeben, wie die Caritas Oberhausen berichtet. Auch schon Ende vergangenen Jahres sei die Zahl der Anfragen hoch gewesen. „Es zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten. Schon vor Corona war der Bedarf groß, die Pandemie hat die Situation nochmals verschärft“, erklärt Stefanie Cera von der Schuldnerberatung der Caritas Oberhausen. In über rund 28 Prozent der befragten Beratungsstellen sei die erhöhte Nachfrage nach Beratung auf Miet- und Energieschulden zurückzuführen.
Viele Menschen versuchen zuerst selbst ihre Probleme zu lösen, und kommen dann recht spät zur Schuldnerberatung, berichtet derweil Birgit Vorberg von der Verbraucherzentrale. Das liege auch daran, dass sich viele schämen, zur Schuldnerberatung zu gehen. „Das ist für manche Leute wie ein Eingeständnis des eigenen Versagens“, so die Expertin. Man befürchte nun, „dass Anfang nächsten Jahres dann viele bei uns stehen, weil sie ihre Rechnung nicht mehr zahlen können und vielleicht sogar schon eine Energiesperre angedroht bekommen haben.“ Gerade da sei es aber wichtig, rechtzeitig zur Beratung zu kommen, betont Vorberg. „Die Energiesperre wird vier Wochen bevor der Strom abgedreht wird angedroht und noch einmal acht Tage davor angekündigt. Wer erst eine Woche oder einige Tage vorher zu uns kommt, ist sehr spät dran.“
Beratungsstellen weiter ausbauen
Allerdings arbeite die Schuldnerberatung jetzt schon am Limit, sagt Vorberg weiter. „Wir können nicht viel mehr Termine anbieten, weil wir nicht genügend Mitarbeiter dafür haben.“ Wenn dann in einigen Monaten mehr Leute nachfragen, werden die Wartezeiten steigen, prognostiziert sie.
„Die Schuldnerberatungen haben sich in der Corona-Pandemie bewährt und sind zu festen Anlaufstellen für viele Menschen in Not geworden“, berichtet Christian Heine-Göttelmann, Vorstand der Diakonie RWL. Die Beratungsstellen müssten jetzt mit Blick auf das Frühjahr ausgebaut und gestärkt werden, fordert er. Die Diakonie RWL setze sich zudem dafür ein, dass Moratorien für Strom- und Gassperren verhängt werden, wenn die Abrechnungen der Energieanbieter die Menschen erreichen.
Auch die Mittelschicht leidet
„Wir brauchen jetzt eine zielgenaue und wirkungsvolle Entlastung einkommensarmer Haushalte“, fordert Heine-Göttelmann. „Mit der Erhöhung der Energietarife um mehr als 40 Prozent und der Gasumlage von 2,4 Cent werden viele Haushalte – auch aus der sogenannten Mittelschicht – an das Existenzminimum und darunter gelangen“, so der Diakonie RWL-Vorstand. Er fordert die Bundesregierung auf, einkommensarme Haushalte jetzt zielgenau und wirkungsvoll zu entlasten.