Kreis Wesel. Fraktionen im Kreistag sprechen von „Zeitbomben“ und „Feudaldenken“. Mit einer Resolution wollen sie den Geschädigten zu ihrem Recht verhelfen.

Neben dem Kiesabbau ist die Förderung von Salz im Kreis Wesel die zweite Gefahr für die niederrheinische Kulturlandschaft. Kreisbauernschaft und Bürgerinitiativen weisen schon lange auf die massiven Auswirkungen hin und kämpfen um Erstattung ihrer Schäden. Einfach wird es ihnen nicht gemacht. Zum einen gibt es weder eine Erfassungsstelle für Schäden noch eine Schlichtungsstelle für die Schadensregulierung, die sehr lange greifen muss. Der Grund: Folgeschäden durch Salzbergbau können auch bis zu 150 Jahre nach Ende der Abgrabungen noch auftreten. Die Bürgerinnen und Bürger sind derzeit bei der Durchsetzung ihrer Rechte auf sich allein gestellt.

Diese Strukturdefizite und Intransparenz nutzten einzig den salzfördernden Unternehmen. Dabei half ihnen auch die lange zögerliche Haltung der Politik. Damit soll nun Schluss sein.

Angesichts des neuen Rahmenbetriebsplans, mit dem der Konzern K+S den linksrheinischen Salzabbau bis zum Jahr 2050 sichern und unter anderem auch unter dem Xantener Dom graben möchte, nimmt das Thema vor Ende der Sitzungspause in der Kreispolitik Fahrt auf. Die Fraktionen von CDU, Grüne, SPD und FDP sowie FWG-Kreistagsmitglied Ralf Lange haben gemeinsam eine Resolution aufgesetzt, mit der sie Bund, Land und die zuständige Bezirksregierung Arnsberg dazu bringen möchten, die Rahmenbedingungen zugunsten der geschädigten Menschen im Kreis zu verändern.

So fordern sie von der NRW-Landesregierung und den zuständigen Bergbauunternehmen eine transparente Regelung zur Finanzierung der sogenannten Ewigkeitslasten für 150 Jahre. SPD-Fraktionschef Gerd Drüten spricht in dem Zusammenhang von einer „Zeitbombe“. Die Menschen müssten auch dann noch für ihre Schäden entschädigt werden, wenn es die Salzbergwerke und Unternehmen längst nicht mehr gebe, so Drüten, der genauso wie die anderen Fraktionen zugab, von den kompletten Auswirkungen des Rahmenbetriebsplans etwas überrascht worden zu sein.

Der neue Rahmenbetriebsplan würde vor allem die Bereiche Xanten, Alpen und Rheinberg betreffen. Daneben haben auch die Weseler Ortsteile Büderich und Ginderich mit den Auswirkungen des Salzabbaus zu kämpfen.

Kurz vor Ende der vergangenen Sitzungsperiode habe man deswegen „die Köpfe zusammengesteckt“, sagt CDU-Fraktionschef Frank Berger. Mit der Resolution wolle man politische Geschlossenheit zeigen, vor allem in Richtung der Menschen und Bürgerinitiativen im Kreis. Aus diesem Grund fordern die Fraktionen und Kreistagsmitglied Ralf Lange vom Bund auch eine Änderung der im Bundesberggesetz geregelten Beweislastumkehr, nach der die Geschädigten in der Pflicht sind, den Beweis für bergbaubedingte Hausschäden selbst zu erbringen. Stattdessen sollen die Bergbaukonzerne zur Beweislastumkehr verpflichtet werden.

Grünen-Fraktionschef Hubert Kück wirft Salzabbauunternehmen „feudales Denken“ vor

Man stehe nicht gegen die Salzindustrie, sagt Gerd Drüten, aber man fordere Ausgleich und Sicherheit für die Bevölkerung. „Gleiches Recht für alle“, ergänzt Grünen-Fraktionschef Hubert Kück. Er fordert vor allem ein viel höheres Tempo bei der Einrichtung einer Schlichtungsstelle, um es den Betroffenen einfacher zu machen, ihre Schäden anzuzeigen. Das fordern auch FWG-Kreistagsmitglied Ralf Lange und FDP-Fraktionsgeschäftsführer Timo Schmitz. Die Unternehmen prahlten gerne mit der eigenen Transparenz, so Schmitz. Ihren tatsächlichen Willen dazu könnten sie mit einer Schlichtungsstelle ziemlich einfach untermauern, so Schmitz weiter. Noch allerdings hat sich in der Hinsicht nichts getan.

Grünen-Fraktionschef Kück wirft den Salzabbauunternehmen daher auch Arroganz vor. Allein die Ausmaße des Rahmenbetriebsplans zeigten „feudales Denken“, so Kück. „Unterm Xantener Dom Salz abbauen zu wollen – wie dreist ist das denn?“ Gleichzeitig will der Grünen-Politiker den Unternehmen nicht die alleinige Schuld geben. Schließlich hätten Politik und Verwaltung dieses System auch begünstigt. „Die haben zu wenig getan“, so Kück. Das soll mit der Resolution ein Ende haben. Damit, so Frank Berger, wolle man auch die große Einigkeit der Kreispolitik dokumentieren und zeigen, dass sich „kein Spaltpilz“ zwischen die Fraktionen pflanzen könne.

>>> Mehr als 2000 Einwendungen<<<
Grünen-Fraktionschef Hubert Kück ist enttäuscht von der Kreisverwaltung. Per Beschluss habe man im Juni vergangenen Jahres gefordert, die Einrichtung einer Erfassungsstelle für Salzabbauschäden im Kreis zu prüfen. Seitdem sei nichts passiert. Nicht einmal einen Zwischenbericht habe man dazu bekommen, so Kück.

Die Resolution soll im Kreistag am 29. September beschlossen werden.

Bis Mitte Mai konnten Bürgerinnen und Bürger bei der Bezirksregierung Arnsberg Einspruch gegen den Rahmenbetriebsplan einlegen. Laut Hubert Kück sind mehr als 2000 Einwendungen eingegangen.