Kreis Kleve. Die heimlichen Windpark-Planungen im Reichswald sind ein enormer Vertrauensbruch. Warum gab die Verwaltung Informationen nicht weiter?

Verstört verließen die Teilnehmer der Podiumsdiskussion in Goch-Kessel die Veranstaltung. Was war das denn jetzt? Da wird seit Wochen und Monaten über einen Nationalpark Reichswald diskutiert und nun wird öffentlich, dass die Firma Abo Wind seit Monaten einen neuen Windpark mit elf Windrädern plant? Das wurde in der Diskussion um den Nationalpark völlig verschwiegen.

„Die geübte Praxis“

Die Kreisverwaltung Kleve teilt der NRZ auf Anfrage mit, dass ihr seit Januar 2023 eine artenschutzrechtliche Anfrage von Abo Wind vorliege und seit Oktober 2023 eine unverbindliche Anfrage zur Errichtung von elf Windenergieanlagen sowie Kran- und Montageflächen und Zuwegung über die 504. Ein Informationsschreiben von Abo Wind sei am 27. März 2024 an die Fraktionen weitergeleitet worden. Vorher habe man nichts gesagt, da noch kein konkreter Antrag von Abo Wind vorlag. Dies entspreche der geübten Praxis.

Vorgeschobenen Argumente?

Nun, dann sollte man diese geübte Praxis ändern. Denn welchen anderen Eindruck sollen Bürger und Kommunalpolitiker haben, als dass hier von Anfang an nicht mit offenen Karten gespielt wurde? Dass all die irrwitzigen Diskussionen um eine gefährdete Trinkwasserversorgung nur Nebelkerzen waren, um vom eigentlichen Hintergrund abzulenken: Im Reichswald soll bald ein großer Windpark entstehen, mit dem sich richtig Geld verdienen lässt. Übrigens: Im Nationalpark Wattenmeer wird seit 1987 Erdöl gefördert. Und im Nationalpark Reichswald soll Trinkwassergewinnung nicht möglich sein?

Wie hieß es in der Süddeutschen Zeitung am Wochenende treffend: Man sollte im politischen Streit die Äußerungen des anderen wohlwollend auslegen, ihnen nicht gleich das Übelste unterstellen. Das sollte man auch in diesem Fall nicht tun. Aber die Kreisverwaltung wird am 23. April den Politikern im Kreistag einiges erklären müssen, warum sie nicht viel früher den Hinweis gegeben hat, dass ein Investor einen großen Windpark plant.

Sind die Ratsbeschlüsse so haltbar?

Dieses Vorenthalten wichtiger Informationen richtet in der politischen Diskussion enormen Schaden an. Kann man es denen verdenken, die jetzt annehmen: Ey, hier wird nicht die Wahrheit gesagt. Hier werden im Hintergrund andere Fäden gesponnen und die Öffentlichkeit wird für dumm verkauft. Von einem politisch erfahrenen Landrat wie Christoph Gerwers hätte man in dieser Frage mehr Fingerspitzengefühl erwarten können, ja müssen. Er ist in den Wahlkampf gezogen, weil er transparenter sein wollte als Wolfgang Spreen. Das ist in diesem Fall leider schief gegangen.

Aber es stellen sich noch weitere Fragen: Wie müssen sich die Ratsvertreter in Kranenburg, Goch, Bedburg-Hau und Kleve fühlen, die ohne diese wichtigen Informationen Entscheidungen getroffen haben? Sie hatten keine Chance, die Windkraftfrage in ihren Abwägungsprozess zum Nationalpark Reichswald voll einzubeziehen, ohne das konkrete Projekt von Abo Wind zu kennen. Sind die ablehnenden Ratsbeschlüsse in Kranenburg und Goch so überhaupt haltbar? Hier haben Kommunalpolitiker abgestimmt, offensichtlich ohne zu wissen, dass im Hintergrund eine Windparkplanung läuft, die mit gravierenden finanziellen Interessen verbunden ist.

Aufklärung ist jetzt dringend geboten

Nach dem Diskussionsabend bleibt bei vielen Anwesenden ein bitterer Nachgeschmack. Welche Interessen spielen bei der Diskussion um eine Nationalpark-Bewerbung wirklich eine Rolle? Sind die Trinkwasserargumente nur vorgeschoben? Hatten die Gegner von Anfang an den Windpark im Hinterkopf? War das der Grund, warum die Vertreter von CDU und FDP der Einladung zur Podiumsdiskussion partout nicht folgen wollten?

Wenn das Vertrauen in politische Redlichkeit und Transparenz nicht vollends erschüttert werden soll, ist jetzt dringend Aufklärung geboten. Die Ratsvertreter in Kranenburg, Goch, Bedburg-Hau und Kleve sowie die Kreistagsmitglieder sollten alles daran setzen, herauszufinden, wer wann was gewusst hat und mit welchen Karten hier eigentlich gespielt wird.

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