Kleve. Hans-Heinrich Beenen ist seit vielen Jahren Deichgräf in Kleve. Darum wollte der 69-Jährige immer mal den Satz sagen: „Ich habe fertig!“
Als Hans-Heinrich Beenen den Posten des Deichgräfen beim Deichverband Kleve-Xanten vor gut 15 Jahren übernommen hatte, da wollte er am Ende seiner Laufbahn unbedingt diesen einen Satz von Giovanni Trapattoni sagen können: „Ich habe fertig!“ Doch der bald 70-Jährige muss sich mittlerweile eingestehen: „Daraus wird nichts mehr. Die Rheindeiche werden auch im Jahr 2030 nicht durchsaniert sein. Und das ist für die Bezirksregierung ein ziemliches Armutszeugnis.“
Denn an Hans-Heinrich Beenen und dem Deichverband in Kleve liege es nicht, dass der wichtige Hochwasserschutz nicht schneller auf Vordermann gebracht wird. Zwei Projekte fehlen noch im Verbandsgebiet: der Deich zwischen Griethausen und Brienen und der Deich zwischen dem Hof Knollenkamp auf dem Emmericher Eyland und der Rheinbrücke Emmerich. Zwei Projekte, die sich vermutlich noch Jahre hinziehen werden, weil die Bezirksregierung Düsseldorf die Priorisierung des Deiches am Hof Knollenkamp ziemlich weit nach hinten geschoben hat.
Die Trägheit der Planungsbehörde ist schwer erträglich
Für einen Macher wie Hans-Heinrich Beenen ist diese Trägheit nur schwer zu ertragen. Der Landwirt denkt pragmatisch und zielgerichtet – und handelt auch so. Doch mit Zack-Zack ist bei deutschen Behörden nun mal kein Staat zu machen. Planungsprozesse dauern Ewigkeiten und dadurch wird es teuer. Eine jährliche Teuerungsrate von fünf Prozent sei normal, sagt Beenen.
Und auch das Deichvorhaben zwischen Griethausen und Wardhausen wird so schnell nicht realisiert. Die Bezirksregierung will bis zum dritten Quartal 2024 einen Planfeststellungsbeschluss vorlegen, danach könnte noch jemand Klage einreichen, danach wird dann fein geplant. Doch Beenen erzählt, dass nach wie vor nicht klar ist, wer die Fischtreppe am Spoykanal bezahlen soll. Bund und Land lehnen dankend ab, der Deichverband will auch nicht zahlen – der Spoykanal gehört dem Bund.
Und die Schleuse? Schweigen wir besser über dieses Thema. Als Kompromiss hat Beenen vorgeschlagen, das Bauvorhaben zu teilen: zuerst die Erdarbeiten, dann die komplizierten Dinge an der Schleuse. „Dadurch hätten wir ein Jahr früher einen besseren Hochwasserschutz“, so Beenen. Doch die Bezirksregierung habe abgelehnt.
Er möchte noch eine Wahlperiode dranhängen
Trotz des gelegentlichen Frusts, den den Landwirt aus Warbeyen schieben muss, merkt man während des Gesprächs in seinem Wohnzimmer: Hier sitzt ein Mensch, der noch richtig Lust auf seinen Job hat. „Man braucht ja auch erst einmal ein paar Jahre, bis man weiß, wie der Hase richtig läuft“, sagt er. Und mittlerweile weiß der 70-Jährige ganz gut, wo er die entscheidenden Haken im Feld schlagen muss, um seine Ziele durchzusetzen. In diesem Jahr möchte er sich erneut für das Amt des Deichgräfen bewerben.
Über das aktuelle Hochwasser braucht er eigentlich kaum Worte verlieren: welches Hochwasser? Während in anderen Regionen Deutschlands viele Flächen unter Wasser stehen, sind die Wasserstände am Niederrhein auffallend unauffällig. An den Weihnachtstagen habe man das Deichtor in Grieth geschlossen – das war es dann aber auch. Für den Deichverband ist so etwas Routine.
Mehr Sorge bereite da schon das viele Treibgut, welches sich im Griethausener Altrhein befinde. „Das ist eine Hinterlassenschaft der Auwälder, die die Naturschützer gerne haben wollen“, sagt Beenen, der dabei die Mundwinkel verzieht. Mit Vehemenz hat er sich dagegen ausgesprochen und dafür plädiert, dass diese Auwälder auch gepflegt werden müssen – aber nicht vom Deichverband.
Warum so ein Chaos beim Oraniendeich?
Der Oraniendeich könnte eigentlich schon längst fertig sein. Zumindest hat das niederländische Unternehmen Martens en Van Oord (MVO) zügig gearbeitet. Doch warum zieht sich die Baustelle immer noch so lange hin? Hans-Heinrich Beenen weiß, dass die letzte Meile kein Glanzstück ist. Aber erklärbar.
„Wir haben die Arbeiten für den Abriss des alten Schöpfwerks ausgeschrieben und fast einen Schlag bekommen. Wir haben bewusst gewartet und damit dem Steuerzahler eine Million Euro erspart. Das sei auch mal erwähnt.“
Dass nach den jetzigen Arbeiten erneut der Deich gesperrt werden muss, um das fehlende Reststück bis zum Kreisverkehr zu bauen, sei bedauerlich: „Aber wir haben Straßen NRW immer rechtzeitig eingebunden. Die haben aber einfach kein Personal für die Planung“, sagt Beenen.
Ein bisschen Politiker ist er schon ganz gern
Als Deichgräf ist Beenen nicht nur Hochwassermanager und auch Kontaktperson zur Landwirtschaft, sondern auch Politiker. Eine Seite seines ehrenamtlichen Jobs, die ihm sichtlich Spaß bereitet. Und er gibt unumwunden zu, dass es einen gewissen Suchtfaktor habe, wenn man feststelle, dass man Einfluss habe und Dinge wirklich umsetzen und bewegen könne.
Wer Deiche baut, der braucht auch Grund und Boden. Und daher ist eine wichtige Funktion das Flächenmanagement für den Deichverband. Wird irgendwo ein passendes Grundstück verkauft? Beenen muss Augen und Ohren offen halten – vielleicht ist dies die künftige Tauschfläche für den nächsten Deich-Deal. Verhandlungen führt er mit seinen Berufskollegen übrigens nicht, das ist Sache der Geschäftsführung.
Schlittschuhlaufen ist nicht mehr
Als Landwirt war er auch viele Jahre im Vorstand des Kreisbauernverbandes tätig. Eine Funktion, über die er ebenfalls stundenlang erzählen kann. Beenen ist Landwirt mit Leib und Seele und steht voll hinter den aktuellen Demonstrationen. „Von der Dieselsteuerrückerstattung profitieren am Ende alle, auch die Verbraucher. Denn der günstige Diesel sorgt dafür, dass auch die Preise niedrig bleiben.“ Die Preise für Lebensmittel seien während der Inflationszeit kaum gestiegen, so Beenen.
Die anhaltenden Regenfälle haben auf den Feldern von Beenen ihre Spuren hinterlassen. Direkt vor seiner Haustür steht der Acker unter Wasser. Der Winterweizen ist hinüber, und ob er überhaupt noch Sommerweizen im Februar aussäen kann, sei die Frage. „Ich glaube nicht daran“, sagt er.
Vielleicht könne er ja bald auf dem Acker Schlittschuhlaufen mit seinen Kindern? „Ich bin früher sehr gerne Schlittschuh gelaufen“, erzählt er. Aber ein dramatisches Ereignis auf einem Teich beim Nachbarn haben ihn vorsichtig werden lassen: „Ich bin danach nie mehr gefahren.“
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