Kreis Kleve. Im Kolpinghaus Kleve wurde über einen Nationalpark im Reichswald diskutiert. Viele Bürger hatten eine klare Meinung – und sind dafür.
Gästeführerin Birgit van den Boom brachte es vielleicht noch am besten auf den Punkt: Die Klever tun sich mit Neuheiten traditionell schwer. Und anstatt die Chancen zu sehen, werden erst einmal die Probleme gewälzt und die Schwierigkeiten betont. So auch bei der aktuellen Diskussion über einen möglichen Nationalpark im Klever Reichswald. 250 bis 300 Bürger waren am Donnerstagabend ins Kolpinghaus nach Kleve gekommen, um gemeinsam mit NRW-Umweltminister Oliver Krischer über die Vor- und Nachteile eines Nationalparks zu diskutieren.
Und obwohl viele Landwirte, Jäger, Gartenbauer, Naturfreunde, Naturschützer, Touristiker und Kommunalvertreter mit ganz unterschiedlichen Interessenslagen ins Kolpinghaus geströmt waren, gab es eine sachliche Auseinandersetzung zwischen den Gruppen: Keine wütenden Ausfälle, keine Polemik – aber deutlich in der Sache. Vor allem die Vertreter der Landwirtschaft nutzen die Möglichkeit, ihre Bedenken und Sorgen über die Einrichtung eines Nationalparks zu äußern.
Landwirte sind von einem Nationalpark nicht betroffen
Die meisten Befürchtungen wurden von den Teilnehmern des Podiums mit Argumenten entkräftet, aber nicht ausgeräumt. NRW-Umweltminister Oliver Krischer, Forstwissenschaftler Michael Lammertz und Nabu-Vorsitzender Dietrich Cerff versicherten, dass es für die Landwirte, die an den Reichswald grenzen, keinerlei Nachteile geben wird. Denn: „Es gibt keinen Umgebungsschutz für einen Nationalpark“, sagt Michael Lammertz, der den Nationalpark Eifel kommissarisch leitet. Und dies bedeute, dass die bäuerlichen Betriebe auch bei einem Nationalpark ihre Viehwirtschaft wie bisher betreiben können. Auch Stickstoffemissionen seitens der Landwirtschaft seien nicht problematisch – denn entsprechende, gesetzliche Vorgaben gelten auch jetzt schon. Dietrich Cerff sagte, dass keine landwirtschaftlichen Flächen von einem Nationalpark betroffen sind, es gebe also gar keine Berührungspunkte für Landwirte.
Gleichwohl würde die Holzwirtschaft aufgegeben, betonte Lammertz. Dies bedeute aber nicht, dass keine Bäume mehr gefällt werden. In den ersten 20 bis 30 Jahren müsse man zur Optimierung des Waldes Nadelholzbestände in Mischwald oder Laubwald umbauen. Und das hätte zur Folge, dass weiterhin Holz entnommen werden müsse. Dass der Holzwirtschaft ein eklatanter Schaden entstehe, wenn im Reichswald keine Bäume mehr gefällt werden, sieht Lammertz vom Landesbetrieb Wald und Holz nicht: „Der Reichswald umfasst 5000 Hektar. In Deutschland gibt es eine Million Hektar Wald. Wir reden hier über 0,5 Prozent.“ Zudem werde sehr viel Holz aus anderen Ländern importiert und das Holz des Reichswaldes zum Teil nach China exportiert.
Es werden weiterhin Wildtiere geschossen
Auch die Jagd wird in einem Nationalpark nicht eingestellt – sie heißt nur anders. Zum Schutz der Naturentwicklung müsse auch künftig Wild entnommen werden. Im Nationalpark Eifel lagen die Entnahmen zum Teil noch über den Beständen vor der Nationalparkgründung. Der Abschuss wird dann streng durch die Nationalparkverwaltung geregelt – es dürfen aber auch Privatleute sich daran beteiligen. Auch heute organisiert Wald und Holz bereits Jagden mit Privatleuten im Reichswald.
Minister Krischer verdeutlichte, dass auch die Wasserwirtschaft nicht befürchten müsse, dass man künftig kein Trinkwasser mehr entnehmen könne. Das Gegenteil sei richtig: Gerade in einem Nationalpark könne man ja sehr gute Trinkwasser gewinnen. Und natürlich seien auch künftig Wasserwerke bei Reparaturen oder anderen Eingriffen zugänglich.
Die Marke „Nationalpark“ zieht viele Touristen
Aus dem Publikum gab es auch Nachfragen, ob man denn überhaupt einen Nationalpark benötige, um die Biodiversität zu erhöhen. Eine Gartenbäuerin berichtete, dass sie täglich mit ihren Hunden im Wald spaziere und sie dies als wohltuend erlebe. Eine reiche Artenvielfalt und Führungen für Kindergärten hätte man jetzt schon. Dafür benötige man keinen weiteren Waldschutz oder Ranger. Heike Döll-König, Geschäftsführer von Tourismus NRW, wies darauf hin, dass mit der Marke „Nationalpark“ ein sehr viel bessere Touristenmarketing gemacht werden könne. Ein Nationalpark ziehe viel mehr Publikum als ein einfaches Naturschutzgebiet.
In der Eifel habe der Tourismus stetig zugenommen – eine Million Besucher kommen jährlich und sorgen für Umsätze in Höhe von 33 Millionen Euro. Und dies ginge nicht zulasten der Biodiversität, betonte Lammertz. Im Gegenteil: Der Anteil der geschützten Arten habe enorm zugenommen.
Landwirte ließen sich nicht überzeugen
Überzeugen ließen sich die Landwirte nicht. Aber es gab auch viele Zuhörer, die der Idee eines Nationalparks im Reichswald positiv gegenüberstehen. Eine kleine Handabstimmung am Ende des Abends machte deutlich, dass die Meinungen im Publikum je zur Hälfte verteilt waren. Eine Dame im Publikum meinte, dass man das Votum nicht nur von einigen, kleinen Interessengruppen abhängig machen sollte. Bei einer politischen Entscheidung, sollte man nicht nur auf Landwirte und Waldbauern achten, sondern auch die Stimme der Befürworter hören und den Natur- und Klimaschutz im Blick haben.
Am Dienstag, 27. Februar wird es einen weiteren Diskussionsabend geben, diesmal auf der Wasserburg in Rindern. Hier sollen Vertreter von Landwirtschaft, Naturschutzbund und Bürgern zusammen gebracht werden. Eine genaue Ankündigung folgt noch.
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