Kranenburg-Wyler. Mit Handtüchern versucht Theo Leenders die Blutung des erstochenen Leiharbeiters zu stillen. Das ist Anfang August in Wyler geschehen.

Diese Nacht wird Theo Leenders so schnell nicht vergessen. Gegen 21.45 Uhr klingelte es am Mittwochabend, 2. August, an seiner Haustür in Kranenburg-Wyler. Als er öffnete, kniete ein Mann vor ihm, die Arme ausgebreitet und er sagte etwas Unverständliches. „Ich habe das als einen Hilferuf wahrgenommen“, erzählt Peters, der sofort das viele Blut sah, das in erster Linie aus der Hauptschlagader am rechten Oberarm spritzte. In Windeseile besorgte er Tücher, um sie auf die Wunde zu legen. Theo Leenders reagierte im Ausnahmezustand.

Frau und Tochter kamen schnell hinzu, um dem Mann zu helfen. Wie sich später herausstellte, handelte es sich dabei um einen 46-jährigen Polen, der in der Leiharbeiterunterkunft auf der anderen Straßenseite wohnte. Die Polizei berichtet von Streitigkeiten untereinander, die in einer Messerstecherei endeten.

In diesem Haus an der Alten Heerstraße in Kranenburg-Wyler sind Leiharbeiter untergebracht. Es gibt regelmäßig Ärger. 
In diesem Haus an der Alten Heerstraße in Kranenburg-Wyler sind Leiharbeiter untergebracht. Es gibt regelmäßig Ärger.  © NRZ | Andreas Gebbink

„Dafür braucht man schon ein paar Tage, um das zu verarbeiten“, erzählt Leenders heute. Auf seinen Eingangsstufen sind immer noch die dunklen Blutflecken zu erkennen, die er am Morgen nach der Tat versucht hat wegzuwischen. „Ich muss mal gucken, ob ich die Steine austausche“, sagt Leenders.

Mehrere Stichverletzungen am Oberkörper

Drei Stichverletzungen habe er bei dem 46-jährigen Leiharbeiter gesehen: Eine am rechten Oberarm, eine am linken Unterarm und später eine Stichwunde im Bauchbereich. Gemeinsam mit seiner Tochter habe er versucht die Wunden zu stillen, ehe der Rettungsdienst nach gut 20 Minuten eintraf. „Sie haben noch ein EKG eingeschaltet, da gab der Mann noch ein Lebenszeiten von sich“, so Leenders. Aber vermutlich habe er bereits schon zu viel Blut verloren - am Ende starb der Leiharbeiter vor seiner Haustür.

Und blieb dort die ganze Nacht bis morgens in der Früh liegen. „Wir mussten im Haus bleiben, die Spurensicherung hat alles abgesperrt und war bis in die Morgenstunden damit beschäftigt, alle Spuren aufzunehmen“, erzählt Leenders.

Immer wieder Ärger in der Leiharbeiterunterkunft

Das Schock-Erlebnis ist für die Anwohner der Alten Heerstraße der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Immer wieder gab es in der Leiharbeiterunterkunft in der Vergangenheit Probleme: Da rannte eine schreiende Frau auf die Straße, die von einem Mann verfolgt wurde, da wurde eine Frau in einer Zwangsjacke abgeführt, die mit einer Spritze herumlief. Es gibt nachts immer wieder Schreie und Schlägereien. Am Wochenende ist es oft laut, die Polizei fahre häufig vor. „Hier hat sogar ein Leiharbeiter schon mal das halbe Dach abgedeckt und mit den Dachpfannen nach seinen Mitbewohnern geworfen“, berichtet Leenders. Auch die anderen Nachbarn berichten von Belästigungen und Müll, der mitunter aufs Nachbargrundstück geworfen wird.

400 Euro sollen die Leiharbeiter für ein Zimmer bezahlen, welches sie sich mit einer Person teilen müssen. Die Summe hat Leenders mal von einem Leiharbeiter erfahren. In der Regel tausche man sich nicht viel aus. Auch der Verstorbene sei bei den Nachbarn kaum bekannt gewesen: „Die wechseln regelmäßig die Unterkunft“, berichtet Leenders. Er kann verstehen, dass es regelmäßig Stress in dem Haus gibt: Wenn man so eng mit wildfremden Menschen zusammenleben müsse, gebe es zwangsläufig Ärger, sagt er.

Fragen an das Leiharbeiterunternehmen

Die Nachbarn wollen jetzt einen Brief an die Gemeindeverwaltung schicken. So könne es definitiv nicht weitergehen. Die Immobilie an der Alten Heerstraße macht einen schmuddelig-schrottreifen Eindruck. Aktuell seien keine Bewohner mehr darin. Am Montagvormittag parkte ein Wagen vor dem Haus und die Tür stand offen. Ein Mann telefonierte am offenen Fenster.

Die niederländische Tageszeitung De Gelderlander zitiert in einem Artikel den Geschäftsführer des Leiharbeiter-Unternehmens hET aus Nimwegen, Rutger van Lee: „So etwas haben wir noch nie mitgemacht und wir hoffen, so etwas auch nie mehr mitmachen zu müssen.“ Die NRZ sandte dem Unternehmen am Donnerstag einen Fragenkatalog zur Unterkunft in Wyler. Die Antworten stehen noch aus. Nachbar Leenders hat seine eigene Meinung zu hET: „Die waren noch nicht einmal hier, um zu fragen, wie es einem geht oder ob man Hilfe benötigt. Das zeigt ja auch schon, wie die mit Menschen umgehen“, sagt Leenders.

Kaum Möglichkeiten für die Gemeinde Kranenburg

Ferdinand Böhmer, Bürgermeister in Kranenburg, möchte mit einem Eingreifen seitens der Gemeinde noch etwas warten. Zumindest baurechtlich könne man überprüfen, ob alles in Ordnung ist an der Alten Heerstraße. Verhindern könne man aber Leiharbeiterwohnungen nicht, sagt er. Sollte die Einrichtung als Beherbergungsbetrieb eingestuft werden, hätte man etwas mehr Möglichkeiten, aber dies treffe nur auf größere Einrichtungen zu.

>> Ein Streit eskalierte

Die Polizei hatte am 2. August einen 67-jährigen Mann festgenommen, der als Tatverdächtiger galt. Nach den Ermittlungen hat die Polizei den Mann wieder freigelassen. Die Tat sei nach bisherigen Erkenntnissen durch Notwehr gerechtfertigt gewesen.

Die Zeitung de Gelderlander berichtet, dass der 67-Jährige mittlerweile verzogen sei.

>> Lesen Sie auch die Stellungnahme des Leiharbeiter-Unternehmens.