Kleve. Kleve diskutiert über das vergiftete Erbe von Johann-Moritz von Nassau-Siegen. Er hat 25.000 Menschen versklavt - und für Kleve viel Gutes getan.

Wie soll die Stadt Kleve mit dem Johann-Moritz-Kulturpreis künftig umgehen? Der Prinz von Nassau-Siegen hat zwischen 1647 und 1679 als Statthalter für den brandenburgischen Kurfürsten prächtige Gärten und Häuser in Kleve errichten lassen, allerdings war er auch in seiner Zeit als Generalgouverneur der Westindischen Compagnie in Brasilien von 1637 bis 1644 maßgeblich am Aufbau des niederländischen Sklavenhandels beteiligt. Johann-Moritz hat im 17. Jahrhundert 25.000 Menschen versklavt und sich auch privat daran bereichert. In Kleve wird seit den 90er Jahren ein Ehrenpreis nach ihm benannt.

Nimmt der Preis Schaden?

Historiker Erik Odegard hat zu Johann-Moritz von Nassau-Siegen geforscht.
Historiker Erik Odegard hat zu Johann-Moritz von Nassau-Siegen geforscht. © Erik Odegard | Privat

Die NRZ wollte nach ihrer Berichterstattung über die neuen Erkenntnisse des Historikers Erik Odegaard (Ausgabe vom 11. Januar 2023) von der Stadt Kleve wissen, wie sie künftig mit dem Preis umzugehen gedenkt. Die Stadtverwaltung hatte sich im Januar Bedenkzeit erbeten, um die Forschungsergebnisse in Ruhe zu studieren.

Die NRZ erneuerte aus Anlass der aktuellen Diskussionen in den Niederlanden ihre Anfrage. Denn am 1. Juli bat zum ersten Mal der niederländische König Willem-Alexander als Teil der Regierung um Entschuldigung und Vergebung für die lange Geschichte der Sklaverei, die Johann-Moritz von Nassau-Siegen entscheidend mitgeprägt hat. Unter seiner Führung nahm der trans-atlantische Sklavenhandel Fahrt auf, er ließ in Westafrika (unter anderem in Ghana) Handelsposten für den Sklavenhandel errichten. Welche schrecklichen Auswirkungen die niederländische Sklaverei für die Menschen hatte, lässt sich auch in dem neuen Sammelband „Staat en Slavernij“ (2023) eindrucksvoll nachlesen. Das koloniale Erbe wird in den Niederlanden mittlerweile wissenschaftlich stark aufgearbeitet.

Eine Diskussion in Kleve soll folgen

Die Stadt Kleve hat nun weitere Untersuchungen zur Vergangenheit des Prinzen angestellt, wie Stadtsprecher Niklas Lembeck der NRZ Ende Juli schriftlich mitteilte. Sie würden aktuell verwaltungsintern diskutiert. „Weitergehende Überlegungen zu einer potenziellen Umbenennung des Kulturpreises der Stadt Kleve sowie einer in der städtischen Kulturlandschaft präsenteren historischen Einordnung der Vergangenheit Johann-Moritz von Nassau-Siegens werden in naher Zukunft - selbstverständlich auch unter Beteiligung der entsprechenden politischen Gremien - anstehen“, so Lembeck.

Die Stadtspitze sieht den Kulturpreis aber weiterhin als ein Aushängeschild für herausragendes Engagement innerhalb der Klever Kulturlandschaft und will ihn beibehalten. „Es soll somit keinesfalls um eine Abschaffung des Preises gehen. Ziel muss es vielmehr sein, dass Preisträgerinnen und Preisträger sich bedenkenlos mit der Auszeichnung identifizieren können und diese als wahre Anerkennung großen Schaffens verstehen“, so Lembeck.

In Brasilien wird er verehrt

In den Niederlanden wird über die Rolle von Johann Moritz von Nassau-Siegen im Sklavenhandel diskutiert.
In den Niederlanden wird über die Rolle von Johann Moritz von Nassau-Siegen im Sklavenhandel diskutiert. © NRZ | AG

So eindeutig die Verantwortung des Generalgouverneurs Johann Moritz von Nassau-Siegens im 17. Jahrhundert ist, so erstaunlich ist auch die Erinnerung an ihn. Denn nicht nur in Kleve wird der Prinz geehrt. In seinem neuen Band „Rekenschap“ erinnert der Historiker Gert Oostindie, Experte auf dem Gebiet der kolonialen Geschichte der Niederlande, daran, dass Johann-Moritz in Brasilien, und vor allem in Recife, quasi auf Händen getragen werde: „Schließlich brachte er auch Wissenschaftler und Künstler mit, er war tolerant gegenüber Katholiken und Juden und er führte einen imposanten Hofstaat.“ Die niederländische Zeit werde kultiviert, auch museal, so Oostindie. Seine Rolle im Sklavenhandel werde in Brasilien kaum thematisiert.

Hedwig Meyer-Wilmes, Vorsitzende des Klever Kulturausschusses, sagt im Gespräch mit der NRZ, dass das Preisgericht sich sehr wohl mit der Frage des Sklavenhandels beschäftigt habe. Aber es müsse ein Kontext geschaffen werden, in dem man die Folgen für diesen Preis diskutieren könne. Sie wolle keine Beschädigung des Preises, denn die Verdienste des Statthalters für Kleve seien eindeutig.

Aktuell gibt es keine Einordnung zu Johann-Moritz

Sie verfolge allerdings auch die Diskussionen im Nachbarland und erkenne, dass die Diskussion auch in Kleve durchaus aufgeworfen werden kann. „Es ist die Frage, ob wir den Preis noch nach Johann-Moritz benennen können“, sagte sie. Wie allerdings eine Einordnung aussehen könnte, müsse diskutiert werden.

Aktuell befindet sich auf der Internetseite der Stadt Kleve zum Johann-Moritz-Kulturpreis kein Hinweis auf seine Verantwortung im Sklavenhandel. Dort ist zu lesen, dass er vor seiner Zeit als Statthalter in Kleve „in Brasilien unterwegs gewesen war“.

>>Die Kulturpreisträger der vergangenen Jahre:

1992 - Dr. Friedrich Gorissen

1995 - Prof. Dr. Gieseler

1996 - Fritz Getlinger

2003 - Cinque Kleinkunst und XOX-Theater

2007 - Freundeskreis Museum Kurhaus Kleve & Koekkoek-Haus Kleve e.V.

2009 - Städtische Singgemeinde Kleve e.V.

2012 - Prof. Boguslaw Jan Strobel

2017 - Theater im Fluss