Kleve. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach mit Jugendlichen im SOS-Kinderdorf Niederrhein. Was ihm berichtet wurde.

Es hatte etwas Familiäres, wie NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit Vertretern des SOS-Kinderdorfs Niederrhein rund um einen Tisch saß und bunte Kekse knabberte. Kekse, die einige Kinder in dieser Einrichtung gebacken hatten und ihm in einer hübschen Dose als Geschenk mitgeben ließen. Das SOS-Kinderdorf am Reichswald in Kleve-Materborn war eine von sieben wichtigen Adressen, die Wüst am Niederrhein besuchte.

Betreut von pädagogischen Fachkräften rund um die Uhr, das ganze Jahr

Häppchen, Kekse und Gespräche: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Landtagsabgeordneter Dr. Günther Bergmann, Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing, Bereichsleiterin SOS-Kinderdorf Claudia Braß-Wissink und Einrichtungsleiter Peter Schönrock (von links).
Häppchen, Kekse und Gespräche: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, Landtagsabgeordneter Dr. Günther Bergmann, Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing, Bereichsleiterin SOS-Kinderdorf Claudia Braß-Wissink und Einrichtungsleiter Peter Schönrock (von links). © Astrid Hoyer-Holderberg

Um familienähnliches Leben geht es hier. Der 48-Jährige Landesvater sprach mit mehreren Jugendlichen, die schon seit ihrer Kindheit im Kinderdorf leben. Sie zeigten ihm ihr Zuhause, in dem sie gemeinsam leben, betreut von sechs pädagogischen Fachkräften im Schichtdienst, rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr, auch mit Ausflügen und Urlaubsfahrten. „So unterschiedlich die Gründe sind, warum die Teenager nicht in ihren Herkunftsfamilien, sondern in öffentlicher Verantwortung aufwachsen, so eint sie die gemeinsame Zeit im Kinderdorf in Kleve-Materborn“, beschreibt eine Kinderdorf-Sprecherin.

Sie unterstützen die Jugendlichen auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (Mitte) besuchte das SOS-Kinderdorf Niederrhein. Mit dabei waren CDU-Landtagsabgeordneter Dr. Günther Bergmann (links), Einrichtungsleiter Peter Schönrock (Zweiter von rechts), Bereichsleiterin Claudia Braß-Wissink (Zweite von links) und Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing (rechts).
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (Mitte) besuchte das SOS-Kinderdorf Niederrhein. Mit dabei waren CDU-Landtagsabgeordneter Dr. Günther Bergmann (links), Einrichtungsleiter Peter Schönrock (Zweiter von rechts), Bereichsleiterin Claudia Braß-Wissink (Zweite von links) und Kleves Bürgermeister Wolfgang Gebing (rechts). © Astrid Hoyer-Holderberg

Kinderdorfleiter Peter Schönrock schilderte, dass jeweils sechs bis acht Kinder (ab drei Jahren) in zehn familienähnlichen Wohngruppen leben. Die Betreuerinnen und Betreuer bieten ein Zuhause in Sicherheit und Geborgenheit, ein festes Beziehungsangebot, das Halt gibt. Sie helfen und unterstützen die Jugendlichen auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit, Schule, Freizeitgestaltung oder Antragstellungen für die Zeit nach dem Kinderdorf.

Gegen Einsamkeit der Jugendlichen und allgemein in der Gesellschaft

Da hakte der Ministerpräsident nach, was mit jenen passiert, die als 18-Jährige aus der offiziellen Betreuung herausfallen? Schönrock berichtete von der Care Leaver Anlauf- und Beratungsstelle für junge Menschen, die die Jugendhilfe verlassen haben – ein Beratungs- und Treffpunkt, über Bundesmittel finanziert. In Durchschnittsfamilien verlassen die Kinder auch meist mit 23 Jahren das Elternhaus, erinnerte Schönrock. Gerade für Kinder aus dem SOS-Kinderdorf sei Vereinsamung ein Problem, dem man entgegen wirken wolle. Care Leaver bleibt Anlaufstelle für fünf Jahre.

Der Einrichtungsleiter berichtete außerdem vom neuen Quartiersmanager und Familiencafé in der Klever Unterstadt, auch das wirke gegen Einsamkeit in der Gesellschaft. 40 Ehrenamtliche geben dort außerdem unter anderem kostenfrei Nachhilfe oder Sprachkurse. Das SOS-Kinderdorf hatte im März 30 Kinder aus der Ukraine aufgenommen. Schönrock wusste, dass „einige der ukrainischen Familien zurück wollen, aber viele auch hier bleiben wollen“.

Sorgen wegen der Refinanzierung der Erzieherinnen-Stellen

Hendrik Wüst sagte, dass diejenigen, die ehrenamtlich helfen, auch die eigene Einsamkeit bekämpfen. Er wisse von Menschen im Alter von 60 plus, die kurz vor der Rente beginnen, sich zu engagieren. Schönrock bestätigte: Einige der Ehrenamtlichen seien ehemalige Kollegen.

Außerdem sprach Peter Schönrock bescheiden Sorgen wegen der Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) an, das die Finanzierung der Tageseinrichtungen für Kinder neu gestaltet. Die Refinanzierung des „mittlerweile recht gut bezahlten“ Personals sei schwierig. Das SOS-Kinderdorf betreibt zwei Kitas, die am Wald und die in der Unterstadt (mit landesweit außergewöhnlichen Öffnungszeiten von 6 bis 20 Uhr). Das Kinderdorf bekämpfe den Fachkräftemangel durch eigene Ausbildung, „und wir hoffen, dass sie hier bleiben“. Zum SOS-Kinderdorf Niederrhein gehören auch die Umschulungs- und Ausbildungsangebote in der Schulmensa in Kevelaer. „700 Essen werden von 20 Auszubildenden, auch mit Handicap, täglich gekocht“, erzählte Schönrock.

Bergmann: Das SOS-Kinderdorf hat einen ganz eigenen Spirit

Begleitet wurde Hendrik Wüst beim Besuch von Dr. Günther Bergmann (CDU), der als Mitglied des Landtags den nördlichen Kreis Kleve im Düsseldorfer Parlament vertritt. Bergmann hatte veranlasst, das Kinderdorf in Wüsts Reiseplan mit aufzunehmen: „Viele Mütter mit ganz vielen tollen Kindern machen hier einen tollen Job. Das ist das C in meinem Parteinamen“, sagte er der NRZ. Im Gespräch am Tisch betonte er das gute soziale Netzwerk im Kreis Kleve, „aber das SOS-Kinderdorf hat einen ganz eigenen Spirit. Hier wird mit Herzblut gearbeitet an der kindlichen Entwicklung und beruflichen Weiterentwicklung. Ich bin dankbar, dass wir das im Kreis Kleve haben“, so Bergmann.

Schönrock sagte, dass 330 Mitarbeitende und 50 Ehrenamtliche jährlich 2500 Menschen helfen, bilden, beraten, Erziehungshilfen geben, Perspektiven schaffen. „Wir versuchen immer wieder Lösungen im Kleinen für die großen gesellschaftlichen Themen zu finden. Ob Armut, Flucht, Erkrankung, Arbeitslosigkeit, Vereinsamung – wir helfen mit unseren Angeboten so gut wir können. Der Besuch des Ministerpräsidenten ist für uns eine wertschätzende Anerkennung unserer pädagogischen Arbeit.“