Kleve. Fast täglich hat der RE 10 von Kleve nach Düsseldorf Verspätung. Die moderne Technik zickt. Doch Besserung ist in Sicht. Sagt die Bahn.

Als am Mittwoch Abend der Zugverkehr von und nach Kleve wieder einmal stundenlang ausfiel, schaukelte sich die Welle der Erregung in den sozialen Netzwerken schnell hoch – bis sich herausstellte, dass dieses eine Mal nicht die neue Technik daran schuld war, sondern ein tragischer Unglücksfall, bei dem ein 81 Jahre alter Mann sein Leben verlor.

Doch auch ohne dieses Unglück hat die Liste der Ausfälle, die der RE 10 erleidet, ein Ausmaß angenommen, dass es Menschen, die darauf angewiesen sind, zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu sein, nahezu unmöglich macht, ihre Anwesenheit den Transferleistungen der Rhein-Ruhr-Bahn und der Deutschen Bahn (die das Schienennetz betreibt) anzuvertrauen.

Zwischen Science-Fiction- und Horror-Film

Über ein Jahr lang wurde die auf der Strecke Kleve-Düsseldorf der Abschnitt von der Kreisstadt bis Krefeld modernisiert. Digitale Technik in den Stellwerken sollte dafür sorgen, dass die Züge schneller und pünktlicher ans Ziel kommen. 60 Millionen wurden dafür investiert, und, wenn beispielsweise Fahrdienstleiter Werner Dau in Kempen an seinen Arbeitsplatz geht, darf er sich inmitten riesiger Flachbildschirme ein bisschen wie in einem Science-Fiction-Film fühlen.

Doch die Fahrgäste – rund 20.000 Menschen nutzen tagtäglich den RE 10– erleben derzeit einen Horrorfilm, der in Endlosschleife abzulaufen scheint. Eine Gruppe von Berufspendlern, die sich in einer WhatsApp-Gruppe zusammengeschlossen hat, notiert gewissenhaft die Ausfälle, die ihren täglichen Weg zur Arbeitsstelle und wieder nach Hause betrifft. Das Ergebnis: Bis zum 27. Dezember waren zehn Störungen verzeichnet. Manche Beeinträchtigungen dauerten nur ein paar Stunden, andere länger als eine Woche.

Bahnübergänge durften nur mit Schrittgeschwindigkeit passiert werden

Mal musste tagelang langsam gefahren werden, weil die Bahnübergänge nur mit Schrittgeschwindigkeit passiert werden durften, mal gab es eine Störung im Stellwerk, dann wieder war das Stellwerk gar nicht erst besetzt, einmal hieß die Ursache gar: „Fehlende Traktion zwischen Schiene und Fahrzeug“.

Am 7. Dezember schrieb eines der Gruppenmitglieder: „Bin zwei Tage pünktlich auf der Arbeit. So ist es, wenn man Auto fährt. Hatte die Schnauze voll“.

So ähnlich sieht es auch die Deutsche Bahn, nur drückt sich Sprecher Dirk Pohlmann etwas diplomatischer aus: „Wir sind absolut nicht zufrieden und können die Fahrgäste nur um Entschuldigung bitten.“

„Hersteller ist in der Verantwortung“

Der RE 10 soll zuverlässiger verkehren, weshalb beispielsweise das für die moderne Technik zuständige Unternehmen Scheidt & Bachmann eigene Mitarbeiter in die Stellwerke entsendet. „Der Hersteller ist in der Verantwortung“, sagt Bahn-Sprecher Pohlmann.

Die Mitarbeiter von Scheidt & Bachmann sollen sofort einschreiten, wenn einer der Monitore mal wieder eine Fehlermeldung anzeigt. Ein solcher „Error“ führt dazu, dass die Bahn den Betrieb wieder händisch abwickeln muss. Jeder Zug darf dann nur nach den Anweisungen fahren, die er aus dem Stellwerk bekommt.

Pofalla-Wende soll Verspätungen eliminieren

Selbst wenn eine solche Störung nach zwei Stunden behoben ist, hat sich in dieser Zeit so viel Verzug aufgebaut, dass der Fahrplan für den Tag aus den Fugen geraten ist. Die Rhein-Ruhr-Bahn entscheidet dann, die Züge ausfallen oder früher umdrehen zu lassen (die so genannte „Pofalla-Wende“), sodass zumindest auf der Rückfahrt die Zeiten wieder stimmen.

Gleichzeitig lässt die Bahn auch die Kabelverbindungen entlang der Gleise noch einmal überprüfen, um sicherzustellen, dass es dort keine Schwachstellen gibt. Bahnsprecher Pohlmann geht davon aus, „dass wir kurzfristig zu einer Lösung kommen“. Kurzfristig, darunter verstehe er, Anfang des nächsten Jahres 2023. Genauer möchte er sich nicht festlegen.