Goch. Gutachter warnt Goch vor teurer Landesgartenschau-Bewerbung. So könne Goch in die Innenstadt investieren und sich als „kleine Perle“ mausern.

Die Hoffnung scheint verblüht. Wird es eine Landesgartenschau in Goch 2029 geben? Vermutlich nicht. Einen klaren, ehrlichen Vortrag hielt Prof. Dipl-Ing. Thomas Fenner, Geschäftsführer der Landschaftsarchitekten „studio grüngrau“ Düsseldorf, vor dem Gocher Rat. Der kleine vierstellige Betrag für seine Expertise war gut investiertes Geld. Denn eine Landesgartenschau würde 300.000 bis 400.000 Euro verschlingen inklusive Personal, so rechnete er hoch. Allein die Vorbereitung berge „extreme Risiken“, ohne Garantie, ob Goch den Zuschlag erhalte. Sein Rat an die Stadtpolitiker: „Sie müssen auf jeden Fall aktiv werden. Sie brauchen ein Stadtentwicklungskonzept. Wo will Goch mit seinen 35.000 Einwohnern hin, wo will es 2030 oder 2050 stehen?“ Die Stadt müsse ihre kleinen Läden in der Innenstadt schützen.

Ein Schau-Gelände muss dauerhaft im Besitz der Stadt und mehrere Hektar groß sein

Mehr attraktive Wegeverbindungen für Fußgänger und Radfahrer brauche es und eine Verschönerung des Stadtparks, riet der Fachmann.  
Mehr attraktive Wegeverbindungen für Fußgänger und Radfahrer brauche es und eine Verschönerung des Stadtparks, riet der Fachmann.   © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Fenners Büro hat bereits mehrere Landesgartenschauen ausgerichtet. Er weiß, wie gut Grün einer Stadt tut, „ein weltweiter Trend“, der nur in Deutschland vom Thema Auto-Parkplätze von Platz eins verdrängt werde. Freiflächen seinen der „dritte Ort“ zur Begegnung, sozial- und altersübergreifend und „mittlerweile ein wichtiger weicher Standortfaktor“. Zunächst aber zählt der harte Faktor: Welche Fläche wäre überhaupt geeignet?

Zwei Gutachten, zwei Deutungen, mal Zuversicht, mal mahnende Worte

So ganz anders klang sein Gutachten im Vergleich zu der Zuversicht, die Karl Jänike, Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft Gartenbau und Landespflege (LAGL) NRW mit einem „grünen Meilensprung für die nächsten zehn Jahre“ noch im September 2021 im Gocher Rat prognostiziert hatte (die NRZ berichtete).

Fenner listete auf: Das Gelände muss dauerhaft im Besitz der Stadt sein, mehrere Hektar groß, zusammenhängend einzuzäunen (wegen nötiger Eintrittsgelder), es brauche ein Nach-Nutzungskonzept mit Pflicht zur dauerhaften Pflege. Das Land gibt einen festen Betrag als Zuschuss, aber auch nicht mehr. „Es bleibt nicht bei einer kleinen Machbarkeitsstudie für 50.000 Euro. Wir reden über zig Millionen Euro im investiven Bereich. Es ist nahezu unmöglich, das bis zur Bewerbungsfrist 1. März 2024 fertig zu haben“, urteilte Fenner.

Gocher Stadtpark mit Niers 
Gocher Stadtpark mit Niers  © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Gocher Stadtpark allein zu klein für eine Gartenschau

Der Gocher Stadtpark sei mit seinen 4,5 Hektar viel zu klein für ein geschlossenes Landesgartenschau-Areal – man brauche mindestens zehn Hektar zum Einzäunen. Fenner entdeckte in Goch „eine kleine Altstadt, den Kulturlandschaftsraum Niers – das sind Pfunde, mit denen die Stadt wuchern kann.“ Allerdings nicht für eine Gartenschau. Wegen Starkregen- und Hochwassergefahr sei entlang der Niers jede Art von Bebauung verboten, selbst ein Spielplatz. Flächen am Ortsrand nördlich des Stadtkerns oder auch in der Freizeitlandschaft Kessel-Asperden seien vor allem in privater (Landwirte-)Hand. Diese zu erwerben sei ein mehrjähriger Prozess. Wohnungsbau gehöre ebenfalls zur Gartenschau-Entwicklung, aber nicht Einfamilienhäuser, sondern mehrgeschossig. „Braucht Goch 2000 neue Wohnungen?“ Die Stadt habe eben keine Konversionsflächen wie Kamp-Lintfort sie für seine LaGa hatte.

Die Vorbereitung einer Gartenschau schränke zudem das Personal in einer Stadtverwaltung extrem ein. Ganz zu schweigen von der Materialkostensteigerung. Und weil zuletzt schon das Rheinland eine Gartenschau ausrichtete, sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass als nächstes eine Stadt in Westfalen gewählt würde.

Gutachter: „Tun Sie was an Ihrer Fußgängerzone“

Die Gocher Voßstraße biete noch nicht genug Aufenthaltsqualität, fand der Gutachter.
Die Gocher Voßstraße biete noch nicht genug Aufenthaltsqualität, fand der Gutachter. © Astrid Hoyer-Holderberg | Astrid Hoyer-Holderberg

Fenner urteilte: „Sie haben keine zentrale Idee für eine städtebauliche Perspektive.“ Goch sollte besser das Geld in eine Verbesserung von Grünflächen, Park, Spielplätzen, Sportflächen investieren oder ein Baum-Programm für die Innenstadt. „Tun Sie was an Ihrer Fußgängerzone“, mahnte er zu mehr Aufenthaltsqualität mit Spielmöglichkeiten für Kinder, zu attraktiven Wegeverbindungen für Radfahrer und Fußgänger.

Die städtebauliche Vision fehlt

Klaus Völling, CDU, wagte die direkte Frage: „Die städtebauliche Vision fehlt. Es ist ein Manko der Vergangenheit, dass wir das nicht gemacht haben. Wie würden Sie das anpacken, die Innenstadt zu verschönern?“ Und ohne Bezahlung gab Prof. Fenner Rat: „Sie müssen die kleinen Geschäfte stärken, komme was da wolle. Kleine Läden schützen, fördern und unterstützen mit Qualität im öffentlichen Raum. Sie müssen die Familien ansprechen mit Spielen, autofrei, sicher, klein, gemütlich“. Ruhe und Entspannung waren seine Stichworte. „Ein Parkplatz vor der Tür ist kein Allheilmittel“, vielmehr habe der Park Zukunft.

„Sie wissen gar nicht, was Sie wollen. Aber das geht vielen anderen Städten auch so.“

Eine Machbarkeitsstudie könne zeigen, wo Potenzial liegt. „Sie wissen gar nicht, was Sie wollen. Aber das geht vielen anderen Städten auch so.“ In der Städtebauförderung des Landes seien viel größere Töpfe nicht ausgeschöpft, die 70-prozentige Förderung versprächen, Gartenschauen nur 50 Prozent. „Mit Fußgängerzone, Stadtplätzen, Kloster, Kirchen müssen Sie gucken, dass Sie eine kleine Perle am Niederrhein sind“, riet er zu einem Stadtentwicklungskonzept. Alle Instrumentarien wie Bebauungspläne würden dann danach ausgerichtet.

Die Grünen, von denen die Idee Landesgartenschaubewerbung stammt, dankten dem Gutachter. Kathrin Krystof: „Wir sind desillusioniert. Gut, dass Sie das so dargelegt haben. Ein Schießen ins Blaue ist nicht leistbar“.